Ornithologische und weitere naturkundliche Beobachtungen von Aride und Liste der vorkommenden Seevögel
22. Oktober 2006
Die zehn Kilometer nördlich von Praslin liegende Insel Aride ist rechtlich gesehen ein Special Nature Reserve der Seychellen und steht unter strengem gesetzlichen Schutz. Die Insel zeigt, welches Naturpotential und welche Bedeutung die Seychellen als Vogelparadies im Indischen Ozean haben – oder vielmehr früher hatten, denn auf den meisten anderen Granitinseln sind die Seevogelkolonien nicht zuletzt durch das Einschleppen von Ratten und Katzen verschwunden. Wer nur Mahé, Praslin und La Digue kennt, kann sich daher überhaupt kein Bild davon machen, was für großartige Vogelparadiese es auf manchen Seycheleninseln dank strengen Schutzmaßnahmen immer noch gibt. Aride ist die wichtigste von ihnen, die größte rattenfreie Granitinsel der Seychellen.
Während einer naturkundlichen Begehung der Insel im Oktober 2006 wurde unsere Gruppe Zeuge eines dramatischen Zwischenfalls. Wir fanden am Boden zwei kämpfende Vögel. Das unterlegene Tier war ein Keilschwanzsturmtaucher (Puffinus pacificus), der andere ein Weißpiiieps-Tropikvogel (Phaëthon lepturus). Mit seinem mächtigen Schnabel hielt der Tropikvogel den Hals des Sturmtauchers fest und versuchte ihn wortwörtlich zu erwürgen. Da keiner von uns jemals einen derartigen tödlichen „Ringkampf“ zwischen Vögeln gesehen hat, haben wir einige Minuten gebraucht, um die Lage richtig zu deuten. Doch bald wurde uns klar, dass es hier um einen Kampf um Leben und Tod ging. Der Sturmtaucher stand kurz vor dem Ersticken und seine Chancen den Hals aus dem „Würgegriff“ des mächtigen Schnabels zu befreien, standen gleich Null. Nach Auskunft des örtlichen Naturpark-Guides kommt es auf Aride nur äußerst selten zu derart ernsthaften zwischenartlichen Kämpfen. Auch er war daher überrascht. Vermutlich handelte es sich um Territorialverhalten und womöglich hat der Sturmtaucher die „Nistplatzrechte“ des Tropikvogels verletzt.
Für manche aus der Gruppe war es überraschend – um nicht zu sagen: schockierend – den wunderschönen Tropikvogel in dieser „brutalen“ Rolle zu sehen. Ansonsten sieht man ihn auf den Vogelinseln Aride und Cousin oft als „friedfertigen“ Vogel am Boden brütend oder mit einem frisch geschlüpften Küken. Doch auf Aride leben Millionen Vögel mehrerer Arten, allein zehn Seevogelarten brüten hier und weitere kommen gelegentlich dazu, von den 4.000 Fregattvögeln ganz zu schweigen. Der Lebensraum ist beschränkt und inner- und zwischenartliche Konkurrenz muss es geben, wenn das ökologische Gefüge der Natur funktionieren soll und sich jede Art und jedes Individuum behaupten soll. Trotz dieser Erkenntnis ist der Mensch auch ein Wesen mit Mitleid und Mitgefühl. Den langen Todeskampf des Sturmtauchers anzusehen war für keinen von uns angenehm (auch für die Biologen nicht) und einige der Zuseher spielten bereits mit dem Gedanken den Vogel aus seiner fatalen Lage zu befreien... Mit der Feststellung „Das ist eben Natur...“ wurde dieser Vorschlag natürlich abgelehnt.
Am Ende hat der Tropikvogel den Sturmtaucher doch losgelassen. Wir hantierten mit unseren unzähligen Kameras, darunter auch mit der großen TV-Kamera so lange vor seinem Schnabel, bis er seine tödliche Umklammerung lockerte. Der Sturmtaucher humpelte davon, verletzt und sichtlich mit einem schweren Schock. Trotz aller naturwissenschaftlichen Einsichten über Darwinismus waren wir irgendwie erleichtert...
Aride hat das seltene Glück, von den zerstörerischen Rodungen der ursprünglichen Wälder zumindest teilweise verschont geblieben zu sein. Erst 1861 hat es die ersten Kolonisierungsversuche gegeben (zuerst nur durch zwei Personen). Damals wurde einiges vom Küstenwald gerodet und viele Kokospalmen wurden angepflanzt. Naturgemäß sind es immer zuerst die küstennahen Tieflandwälder, die der menschlichen Nutzung zum Opfer fallen. Die Hügel Arides, das so genannte „Plateau“ hingegen, bietet auch heute noch mehr oder weniger natürliche Lebensräume, obwohl auch hier eingeschleppte Pflanzenarten vorkommen und stellenweise bis zu 50 % der Vegetation ausmachen. Große Kopraplantagen hat es zwar nicht gegeben, dennoch wurden auch dem Plateau viele Kokospalmen gepflanzt. Heute werden sie entfernt und bleiben nur dort erhalten, wo sie von Natur aus hingehören: auf einen schmalen Küstenstreifen hinter dem Sandstrand Litoralbereich. Der Druck auf die Natur und die hier lebenden Arten wuchs mit der Zeit, aber die Zerstörungen hielten sich im Vergleich zu den größeren Granitinseln relativ in Grenzen. Die Siedler – um 1930 herum waren es immerhin mehr als 30 – brachten Hunde, Schweine, Rinder und Hühner auf die Insel, zum Glück aber keine Ratten. Die massivste Ausbeutung der Natur erfolgte durch die Entnahme von Vogeleiern, über Jahrzehnte das wichtigste Produkt der Insel. Davon betroffen waren vor allem die Rußseeschwalben (Onychoprion fuscata), mit etwa 350.000 Paaren auch heute noch die wichtigste und häufigste hier brütende Seevogelart. Für 1954 schätzt man beispielsweise die Anzahl der von Aride entnommenen Eier auf 220.000! Erst Ende der 1960er Jahre hat Paul Chenard, der letzte Inselbesitzer von den Seychellen, die Entnahme der Eier gestoppt. Dadurch hat er aber wichtige Einnahmen verloren und ein dauerhafter Aufbau eines Schutzgebietes blieb unsicher.
Seit 1973 gehörte Aride schließlich dem britischen Schokoladefabrikanten Christopher Cadbury (1908-1995), der die Insel zu einem Sonderschutzgebiet unter der Verwaltung der Royal Society for Nature Conservation (RSNC) erklärt hat. Cadbury widmete sich bis zu seinem Tod im intensiv dem Naturschutz. Ihm ist es zu verdanken, dass der heutige Zustand der Renaturierung der Insel erreicht wurde. Seit 2004 wird die Insel von der Island Conservation Society of Seychelles verwaltet. Aride kann sich mit sehr bedeutenden Brutkolonien von insgesamt etwa zehn Seevogelarten rühmen – insgesamt sollen es an die 750.000 Pare sein!!! Unglaublich für eine so kleine Insel und in Anbetracht der Tatsache, dass man auf den großen Granitinsel nur selten Seevögel sieht. Derart große Ansammlungen an Seevögeln zeigen an, dass die umgebenden Meeresgebiete eine hohe Produktivität aufweisen müssen. Viele kleine Fische dicht unter der Wasseroberfläche sind die Voraussetzung dafür, dass Hunderttausende brütende Vögel und ihre Küken – sowie einige Tausend Nahrungsparasiten wie die Fregattvögel (sie jagen den anderen Seevögeln die Beute ab) – auf einem kleinen Felseiland im Ozean überleben können.
Eine botanische Besonderheit von Aride ist die nur hier wachsende Wright’s Gardenie oder „bwa sitron“ (Rothmannia annae), die den Namen Gardenie dem schottischen Naturforscher A. Gardner verdankt, das Artbeiwort Wright’s hingegen dem Irischen Naturforscher Perceval Wright, der die Insel 1868 besuchte. Wright war wohl der erste ernst zu nehmende Naturwissenschftler, der Aride erkundete, er lieferte nicht nur eine Beschreibung der Gardenie, sondern auch jene der großen Glattechse Mabuya wrightii (Wrights Skink). Auf Aride und Cousin wurde übrigens die höchste je festgestellte Echsendichte weltweit: ermittelt: an die 4.000 Exemplare pro Hektar!. Der kreolische Name geht auf die grünlichen Früchte zurück, die an eine Zitrone erinnern. Der bis zu vier Meter hohe und während der Blüte schwer und süß duftende Strauch war einst vermutlich auch auf anderen Seychelleninseln verbreitet, heute hat er auf Aride mit über 1000 Exemplaren sein letztes Refugium. Vor allem einige Tage nach schweren Regengüssen erscheinen die großen weißen Blüten mit roten Punkten.
Die auf Aride brütenden und vorkommenden Seevogelarten:
Notiz: Tölpel (Sulidae) werden hier nicht erwähnt, weil sie auf Aride nicht brüten. Selten sind aber einige wenige Exemplare gesichtet (es wurden maximal 6 Rotfußtölpel zwischen Oktober und Dezember und dann wieder zwischen Mai und August gezählt), auch einzelne Braune Tölpel können sich gelegentlich auf Aride aufhalten.
Ordnung: Pelecaniformes (Ruderfüßer)
Familie Phaëthontidae (Tropikvögel)
Gattung Phaëthon
1. Phaëthon lepturus lepturus (Weißpiiieps-Tropikvogel)
häufig, brütet ganzjährig (am Boden auf den rattenfreien Inseln)
2. Phaëthon rubricauda rubricauda (Rotschwanz-Tropikvogel)
vielleicht nur 6 Paare an den nördlichen Klippen Arides, nördlichstes
Brutvorkommen der Welt, extrem selten auf den Seychellen
Familie Fregatidae (Fregattvögel)
Gattung Fregata
Nicht brütend, etwa 3.000 bis 4.500 Fregattvögel halten sich hier
ganzjährig, vor allem aber zwischen Oktober und Dezember auf, die
nächste Brutkolonie ist Aldabra (> 1.000 km entfernt). F. ariel ist viel
seltener als der Binden-Fregattvogel)
3. Fregata minor (Binden-Fregattvögel)
4. Fregata ariel (Kleiner Fregattvogel)
Ordnung: Procellariiformes (Röhrennasen)
Familie Procellariidae (Sturmvögel)
Gattung Puffinus
5. Puffinus lherminieri nicolae (Audubon-Sturmtaucher)
17.000 Paare, vor allem auf Aride und auf einigen weiteren
rattenfreien Inseln
6. Puffinus pacificus chlororhyncus (Keilschwanzsturmtaucher)
20.000 Paare, vor allem auf Aride und auf einigen weiteren
rattenfreien Inseln
Ordnung Charadriiformes (Möwen und Watvögel)
Familie Sternidae (Seeschwalben)
Gattung Gygis
7. Gygis alba (Feenseeschwalbe)
regelmäßig, aber nicht allzu häufig
Gattung Anous
8. Anous tenuirostris tenuirostris (Schlankschnabelnoddy,
> 200.000 Paare Kleine Noddyseeschwalbe)
9. Anous stolidus pileatus (Brauner Noddy)
häufig
Gattung Onychoprion (früher Sterna)
10. Onychoprion (Sterna) fuscata (Rußseeschwalbe)
bis zu 350.000 Paare (!)
11. Onychoprion (Sterna) anaethetus (Zügelseeschwalbe)
17.000 Paare (sieht der Rußseeschwalbe sehr ähnlich,
ist aber etwas kleiner)
Gattung Sterna
12. Sterna dougalii arideensis (Rosenseeschwalbe)
500 Paare, eines der bedeutendsten Brutvorkommen der Welt
Sturmtaucher gegen Tropicbird: Vogeldrama auf Aride
Sturmtaucher gegen Tropicbird: Vogeldrama auf Aride
Die ... Begeisterung, die wir beim Betrachten der Natur empfinden, ist eine Erinnerung an die Zeit, da wir Tiere, Bäume, Blumen und Erde waren ... Leo N. Tolstoi
Robert, Salzburg
mittelmeer@aon.at
www.mare-mundi.eu www.fnz.at
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