12.10.2019; Hermanus
4 Uhr. Der Wecker klingelt.
Äh, wie jetzt? 4 Uhr?!? Wecker?!? Im Urlaub?!? Noch eine Stunde früher als für Familie Erdmännchen? Jetzt sind sie völlig durchgeknallt…
Ja, unser dritter vorgebuchter Ausflug soll wieder ein echtes Highlight werden.
In der Dunkelheit fahren wir zum anderen Ende der Bucht. Gegen 6h kommen wir an, und es wird schon hell. Wir haben Gaansbai erreicht.
Gaansbai? Ja, wer auf große Fische steht, der weiß wofür Gaansbai steht und was nun folgt.
Richtig, wir haben ein Date. Hoffentlich jedenfalls. Denn wir wollen ihn treffen. Ihn - den Großen Weißen Hai.
Schon lange reizt mich der Gedanke diese Tiere einmal live zu sehen. Und wenn wir tatsächlich schon mal hier in der Nähe sind – ganz klar, dann MÜSSEN wir dahin!
Ja, und natürlich haben wir uns Gedanken gemacht und uns vorher damit auseinandergesetzt, ob das richtig ist. Als zahlende Touristen dort mit rauszufahren und die Haie anlocken zu lassen. Ist das zu verantworten? Ist das ökologisch vertretbar? Bedeutet das nicht langfristig die Tiere auf Menschen zu konditionieren, mit all den möglichen fatalen Folgen für Mensch UND Tier?
Und nach den aktuellen Diskussionen hier um Käfigtauchen und Freitauchen hier habe ich kurz überlegt ob ich hiervon überhaupt berichte.
Aber doch, denn wir haben uns nicht in die Hände irgendwelcher Seelenverkäufer begeben. Wir haben eine Organisation gefunden, die uns vorab und erst recht vor Ort absolut überzeugt hat.
Wir sind mit einer Organisation gefahren, die sich für die Erforschung, Schutz und Aufklärung über die Weißen Haie einsetzt und aktive Forschung betreibt. Und ja, sie nehmen zahlende Gäste mit. Gäste, die somit einen Teil ihrer Forschung, die Ausbildung ihrer Mitarbeiter und ihr Projekt finanzieren. Aber nicht ohne die Gäste schon vorher in die faszinierende Welt der Haie eintauchen zu lassen; sie über die Bedeutung der Haie zu informieren und für deren Schutz zu plädieren.
Diese Organisation nennt sich White Shark Projects /
www.whitesharkprojects.co.za
Sorry Lars, sollte dieses als Werbung nicht erwünscht sein, kannst du das gerne löschen!!!
Wir sind also pünktlich um 6h dort, um 6:45h soll es losgehen. Der Hafen ist tideabhängig, also muss man die Abfahrt- wie auch Anlandungszeiten danach richten. Was uns später einerseits zum Vorteil, aber auch zum Nachteil wird.
Aber erst einmal: ran ans Frühstücksbuffett! Nicht nur um den Hunger zu stillen, sondern auch um später dem Magen etwas zu tun zu geben - nicht dass der auf blöde Gedanken kommt! Die Crew weiß schon warum. Auch ich bin alles andere als seetüchtig, und ohne Reisetablette würde ich so etwas nie wagen, aber meine Jungs sind da nicht so empfindlich wie ich. Mir ist ziemlich klar dass mir der Seegang zu schaffen machen wird, daher esse ich auch ohne Appetit.
Nach einer kurzen Besprechung über den Trip packen wir unsere Sachen und gehen die paar Schritte zum Boot. Und das Pech der anderen bedeutet: wieder haben wir Riesenglück und wir Drei sind die einzigen Gäste an Bord! Die anderen Gäste die heute mit rausfahren sollten, hängen im Stau, (ja, Baustelle hinter Hermanus, kennen wir, daher sind wir extra pünktlich los!). Aber aufgrund der Tide können wir nicht länger warten, zusammen mit einigen Mitarbeitern und Voluntären (für die ist heute Platz!) klettern wir bereits an Land ins Boot – so eine kleine Nussschale wie im Film „Der Weiße Hai“ - dann werden wir ins Wasser geschoben und los geht´s!
Blick auf dem Fenster von White Shark Projects:
Schnell merke ich wie unruhig die See ist. Eigentlich ist die Oberfläche glatt, aber die langgezogenen hohen Wellen haben es in sich. Tapfer sein, denke ich. Das kann nicht lange gut gehen…
Kurz und gut. Wir alle Drei (!) hingen später mehrmals über der Reeling. Ja, selbst meine hartgesottenen Jungs. Aber das sei völlig normal, sagt die Crew. Das ginge sehr vielen so. Und hey, super, das locke die Haie an, dann brauchen sie weniger CHUM!
In der Tat, neben uns steht eine Kiste mit stinkenden Lachsresten (die sind so schön ölig und legen daher eine gute Spur!) und ein Crewmitglied schaufelt das stinkende Zeug in ein mit Wasser gefülltes Fass. Dieses Wasser wird schaufelweise ins Meer gekippt. So ziehen wir schon seit einiger Zeit eine für Haie verführerische Spur hinter uns her. Für uns ist bereits diese stinkenden Kiste direkt neben uns eine weitere Herausforderung nicht sofort unseren Mageninhalt hinterherzukippen.
Unser Junior macht den Anfang. Mit dem Fischefüttern. Brav über die Reeling. Hah, ich bin in diesem Punkt mal nicht die Erste und ab sofort muss ich mir hoffentlich keine derartigen Sprüche mehr anhören!
Während Junior also bereits die Fische füttert, wird der Käfig ins Wasser gelassen. Junior ist eine Mischung aus grün und weiß und schaut das Crewmitglied, das ihm einen Neoprenanzug reicht, nur entgeistert an. Es tut mir in der Seele weh, aber das hätte ich nie geahnt. Wir haben auch keine Wahl mehr. Die Tide lässt uns jetzt eh nicht mehr zurück in den Hafen. Wir müssen wohl oder übel (!) auf dem Meer bleiben. Tapfer hält er durch, aber ins Wasser?!? Keine Chance.
Also zwängen sich wir beide sowie eine Voluntärin in die Neoprenanzüge.
Und siehe da: Der erste Hai ist da!!!
Zu Hause haben wir uns durchaus gefragt, ob uns im letzten Moment der Mut verlassen würde in den Käfig zu steigen. Und wenn, auch egal, man muss die Haie ja nicht unbedingt unter Wasser sehen. Allerdings, den Gedanken an das kalte Wasser fand ich damals schon schlimmer.
Und jetzt? Ich kämpfe mit der dritten Komponente, die ich zwar annähernd ahnte aber von der ich hoffte sie mit der Reisetablette im Griff zu haben: MIR IST SOOOOOO SCHLECHT!
Egal, rein da in den Käfig, das kalte Wasser wird hoffentlich ablenken.
Die Voluntärin und meine bessere Hälfte sind schon drin. Igitt, das eiskalte Wasser läuft sofort in die Schuhe. Von Angst keine Spur, was soll da auch passieren. Aber kalt ist es. Saukalt.
Das Wasser ist trüb und aufgewühlt.
Mit Hilfe eines leckeren Thunfischkopfes der an einer Leine ins Wasser geworfen wird sollen die Haie ans Boot gelockt werden. Zu Fressen gibt es aber nichts. Kommt der Hai dem Köder zu nahe, wird der Köder weggezogen.
Sicher, auch das ist eine gewisse Art der Konditionierung. Aber so weit draußen sollte man hier eh nicht mehr schwimmen.
Und wenn man Menschen auf diese Art für Haie und ihren Schutz sensibilisieren und begeistern kann, dann habe ich auch kein Problem damit. Die Crewmitglieder gehen förmlich in ihrem Job auf und begeisterte „Aaahs“ und „Ooohs“ hallen über das Meer, so als würden sie das hier alles zum ersten Mal sehen.
Das kalte Wasser lenkt leider nicht wie erhofft von der Übelkeit ab, und so füttere ich noch im Käfig die Fische. Ich muss mich mehr darauf konzentrieren mich an den richtigen Stellen im Käfig festzuhalten und nicht zu ertrinken sodass ich, zusätzlich zum trüben und aufgewühlten Wasser, von den Haien nicht viel mitbekomme. Es tummelt sich ein Großer Weißer sowie ein Bronze Whaler Shark um uns herum. Es wurmt mich total, aber ich verlasse den Käfig, es hilft nichts. Die andern beiden halten aber noch durch.
Also versuche ich mich vom Boot aus auf die Haie zu konzentrieren. Hier sieht man sie auch viel besser. Inzwischen sind vier Haie da. Die Crew ist begeistert, heute sei ein Glückstag, und die Haie richtig gut drauf. Tja, wenn es uns mal auch so gehen würde…
Ich schaffe es kaum Fotos zu machen. Leider. Und der Junior fragt wann wir endlich zurückfahren. Laut Auskunft der Crew sei es wegen der Tide erst in etwa einer Stunde möglich im Hafen anzulanden. Meine Gefühle sind gespalten – einerseits ist mir und dem Junior hundeelend, andererseits habe ich mich schon so lange auf das hier gefreut und möchte hier noch nicht weg.
So dümpeln wir noch eine knappe Stunde auf dem Wasser bevor es mit großem Auf- und Abhüpfen über die Wellen wieder zurück in den Hafen geht.
Bronce Whaler Shark:
Habe ich dich doch einmal richtig erwischt! Gestatten: Ranebo, ein ca. 4m langes Weibchen. Süß, die Kleine...
Was für ein mächtiges Tier! Aber die Wellen schubsten es sogar bis an den Käfig!
Auf wackeligen Beinen erreichen wir das Gebäude von WhiteSharkProjects. Dann raus aus den Neoprenanzügen, eine heiße Dusche und eine heiße Suppe. Wir alle wecken wieder unsere Lebensgeister, und dann sehen wir uns gemütlich auf dem Sofa das Filmchen an das die Crew von dem Trip gedreht hat. Genial, von unserer Übelkeit kommt eigentlich nichts rüber, alles ganz harmlos. Dort sieht es gar nicht so schaukelig aus, nur unser Lächeln wirkt manchmal etwas gequält. Und na klar, natürlich kaufen wir auch den Film. Kostet nicht die Welt und geht abgesehen von den Betriebskosten alles an die Organisation und ist für uns eine fantastische Erinnerung!
So bleiben wir noch bis mittags dort bevor wir uns wieder auf den Rückweg machen.
Was für ein Erlebnis! Einerseits zum Ko…, andererseits wirklich ein Hai-Light!!!