Da ich, im Gegensatz zum fotografierwütigen Ehemann, ja deutlich seltener mit einem schützenden Kasten vor den Augen herumlaufe, hätte das unschöne Fäkalereignis auch im wahrsten Sinne des Wortes ins Auge gehen können. Zum Glück trifft es nur die nackte Schulter, so daß das Produkt des nicht stubenreinen Tölpels im Ozean schnell abgespült ist. Womit wir dann auch gleich bei der Frage wären, die sich manch einer im Stillen vielleicht schon gestellt hat: Wo ist auf Luahoko eigentlich das Klo?
Es gibt natürlich keines, sondern lediglich die Auswahl zwischen Wasser und Sand. Beides hat Vor- und Nachteile. Während der Ozean die Spülung direkt eingebaut hat, bleibt man bei Variante Nr. 2 trocken, dafür muß man selbst zur Schaufel greifen:
Wenn man einmal von der Möglichkeit absieht, sich die Sitzung durch Errichtung eines Donnerbalkens mittels Korallenstücken und Holzresten bequemer zu machen, ist die Auswahl an Möglichkeiten, mit dem Thema, über das niemand spricht, umzugehen, auch schon erschöpft.
Generell dürfen die Ansprüche an die Hygiene nicht zu ausgeprägt sein, wenn man sich auf Luahoko wohlfühlen will. Unser Fale von Sand freizuhalten ist ein beständiger Kampf mit Besen und einem zur Fußmatte umfunktionierten Handtuch. Was wir anfänglich für die Hinterlassenschaften von Vögeln gehalten haben, entpuppt sich als Häufchen der um das Haus herum lebenden Geckos. Aber dank des Moskitonetzes bleiben sowohl Bettwäsche als auch wir zumindest nachts geschützt.
Selbst wer nicht auf Tuchfühlung mit Krebsen und Krabben gehen mag, wird tagsüber spätestens beim Holzsammeln und Kochen verschwitzt und schmutzig, denn die Töpfe und Pfannen verrußen über der offenen Flamme umgehend. Da in den ersten Tagen unseres Aufenthaltes aufgrund des starken Windes Schwimmen und Schnorcheln nahezu unmöglich ist, fällt der Ozean als Badewanne weg. Ein Mindestmaß an körperlicher Hygiene aufrecht zu erhalten gelingt, indem wir die vor Ort vorgefundene Campingdusche nur als schmales Rinnsal nutzen und das Brauchwasser zum nochmaligen Händewaschen in einem leeren Kanister auffangen.
Die mitgelieferte Menge an Süßwasser übersteigt den normalen Tagesverbrauch eines gesunden Menschen sicher um das Doppelte, dennoch bleibt uns die verzögerte Anreise beständig im Gedächtnis. Wir kalkulieren während des gesamten Aufenthaltes eine möglicherweise auch um mehrere Tage verzögerte Abholung ein und sind dementsprechend sparsam. Gelegentlich, wenn nach einem Tag der trügerischen Ruhe am nächsten Tag doch wieder stärkerer Wind aufkommt, spielen wir das Szenario, länger als geplant auf der Insel ausharren zu müssen, in Gedanken durch. Regenwasser sammeln, Krabben fangen, Kokosnüsse und Papayas ernten. Ernsthaft besorgt sind wir aber sowieso nicht, wir verlassen uns da auf Darrens jahrelange Erfahrung, der uns bei der Anreise versicherte: „In case of an emergency I will always come“. Der Notfall tritt für ihn übrigens bereits ein, sobald wir uns länger als 48 Stunden nicht über das Notfalltelefon gemeldet haben.
Täglich zwischen 16 und 16:30 Uhr ist der Anruf auf Foa vereinbart. Auf die Leistungsfähigkeit des älteren Mobiltelefons einer Generation, für die „internetfähig“ noch Science Fiction war, muß man insofern Rücksicht nehmen, als man sich eine Stelle an der Foa zugewandten Inselseite suchen muß, die wiederum so windgeschützt zu sein hat, daß man auch versteht, was am anderen Ende gesprochen wird. Duncans Frau Ruth nimmt die Anrufe entgegen. Ruth ist eine energische Person, trägt Boxer Braids und könnte einschüchternd wirken, sobald sie den Mund aufmacht, ist sie ganz die liebenswürdige Engländerin. So quäkt es mir allnachmittäglich abwechselnd „Hiii Hun, oh how lovely to hear from you“ oder „Helloooooo to the Robinsons“ aus dem Telefon entgegen, so daß die lästige Anrufpflicht eigentlich zum fröhlichen Kontakt mit der Außenwelt wird.
Wie der Mister, der, wenn es um seine Kamera geht, normalerweise so klingt:
https://www.youtube.com/watch?v=1MxrbopgZ14
schon selbst geschildert hat, verkraftet er hier auf Luahoko die zeitweise Trennung von der Minolta ohne seelischen Schaden zu nehmen, so daß er die ihm zugefallene Aufgabe des Holzsammelns problemlos verrichten kann und inzwischen fleißig durchs Unterholz kraucht.
Anfangs finden sich mehr als genügend Holz am Boden, später gehen wir dazu über, Äste von größeren Stücken Totholz abzubrechen. Das leichte Mangrovenholz ist auch nach kurzen Regenschauern schnell wieder trocken, ansonsten eignet sich auch die Strandhütte, durch die der Wind hindurchpfeift, gut als Trockenboden.
Bald haben wir auch genügend Erfahrung und wissen, daß für den Frühstückskaffee nach dem Entzünden des Feuers eine trockene Kokosnussschale als Brennmaterial genügt. Zum Glück muß weder das Kaffeewasser noch das normale Trinkwasser abgekocht werden. Die Filteranlage des Sandy Beach ist noch eine Hinterlassenschaft der früheren deutschen Eigentümer, die uns das Leben hier sehr erleichtert.
Unsere Essensvorräte sind reichlich, aber wenig abwechslungsreich. Da wir keinen Kühlschrank haben, müssen wir die frischen, verderblichen Dinge rasch aufessen. Papayas, Zwiebeln und Knoblauch verschwinden somit als erstes. Danach die Kartoffeln, deren Zubereitung aufgrund der langen Garzeit die größte Menge Holz erfordert. Dann bleiben noch Reis und Nudeln.
Da ich selbst unter idealen Umständen in einer vollausgestatteten Küche keine gute Köchin bin und auch wenig Ehrgeiz verspüre, dies noch zu werden, war klar, daß meine Kochkünste unter Bedingungen, wie sie auf Luahoko herrschen, nicht besser werden würden. Als Geheimwaffe habe ich daher diverse Würzmischungen im Gepäck. Die Idee entpuppt sich als grandios, Chinapfanne Chop Suey- und Quattro Formaggi-Pulver in Kokosmilch wechseln sich ab mit Tomatenmark und dem etwas fragwürdigen, ohne Kühlung haltbaren Konservierungsstoffschmelzkäse aus dem Chinaladen, der gar nicht mal so übel schmeckt und auch tatsächlich in der Soße schmilzt. Unter den gegebenen Umständen haben wir das Gefühl, recht gut und halbwegs abwechslungsreich zu essen. Ob die Ernährung auf Dauer so gesund wäre, ist allerdings eine andere Frage.
Fleisch fehlt auf dem Speisezettel fast vollständig. Eine Art Geflügelfleischwurst in Dosen verschönert das Frühstück, als das Brot aufgegessen bzw. der Rest im Tropenklima verschimmelt ist und uns nur noch Weetbix-Stücke bleiben, die ohne den Wurstbelag aus den Ohren stauben würden. Das Corned Beef, von dem wir voller Vorfreude mehrere große Büchsen gekauft hatten, erweist sich als nicht eßbar. Im Gegensatz zum mageren Fleisch in würzigem Aspik, als das wir Corned Beef kennen, sieht dieses hier aus wie etwas, das vermutlich die meisten Hunde verweigern würden.
Epeli Hau’Ofa, Tongas wahrscheinlich bekanntester und erfolgreichster Schriftsteller, schreibt in seinem Buch „Rückkehr durch die Hintertür“, die Tonganer seien nicht zuletzt deshalb so dick, weil Neuseeland ihnen nicht gerade sein bestes Fleisch verkaufe. Der Anblick der matschigen, von Fett- und Sehnengewebe durchsetzten Masse, läßt mich denken, daß das Buch, das als Sammlung satirischer Kurzgeschichten verkauft wird, zumindest in diesem Fall vielleicht gar nicht so satirisch ist.
Zum Glück sind wir ja nicht im wirklichen Dschungelcamp und somit nicht gezwungen, das Gruselfleisch zu essen, um Sterne zu verdienen. Die Sterne werden uns hier auf Luahoko sowieso geschenkt.
Da unsere Arbeitsteilung bei der Essenszubereitung zunehmend gut klappt, sind wir meist noch im Hellen fertig mit allen Pflichten und rücken aus zum Sonnenuntergang gucken. Während die Sonne über Kao untergeht, zeigt sich etwas weiter links an manchen Abenden der Vulkankegel von Tofua und steht wie ein stummer, imposanter Wächter weit im Westen am Rand der Lagune.