Motus, Muscheln, Menschenfresser - Zwei Monate in Französisch Polynesien

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Suse
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Re: Motus, Muscheln, Menschenfresser - Zwei Monate in Französisch Polynesien

Beitrag von Suse »

Bong!!! hat geschrieben: 27 Mär 2023 17:16 Danke Suse & Mr.Minolta für einen so ausführlichen Reisebericht und schöne Bilder! Besonders die vielen kleinen Details.

Die Marquesas sind atemberaubend und die blaue Lagune von Rangiroa ist einfach nicht von dieser Welt (-:
Ach, dann hast Du den Reisebericht also entdeckt. Warst Du inzwischen selbst in Französisch Polynesien, wie Du es vorhattest?

Du schreibst ja gut auf Deutsch, deswegen antworte ich jetzt auch nicht auf Englisch. Selbst geschrieben oder Übersetzungsprogramm?
Wenn du keine Kokosmilch hast, machste einfach normales Wasser.
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Suse
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Re: Motus, Muscheln, Menschenfresser - Zwei Monate in Französisch Polynesien

Beitrag von Suse »

Ich bin wirklich kein sehr schreckhafter Mensch, Horror ist mein liebstes Filmgenre, aber in dieser Situation ist mir das etwas zu real und ich springe mit einem lauten „Waaah, mir hat was ans Bein gefaßt“ von meinem Stuhl auf. Der Mister schwenkt die Lampe und wir sehen eine rotgetigerte Katze hinter einem Baum verschwinden, von wo aus ihre Augen im Lampenschein aufleuchten.

Nach allem, was ich über Katzen weiß, ist es also vermutlich ein Kater, ein richtiger Garfield, der hier lebt und offenbar Anschluß sucht. Wie er hier auf die Insel gekommen ist, wissen später auch Odile und Terani nicht, ihre Katze ist es jedenfalls nicht. Wir versorgen ihn während der Dauer unseres Aufenthalts mit Essensresten, halten ihn aber ansonsten auf Distanz. Kuscheln wollen wir nicht mit ihm und ihn auch gar nicht erst an uns gewöhnen.

Jetzt erklärt sich auch, warum es kaum Vögel auf der Insel gibt und kaum Einsiedlerkrebse.

Am nächsten Morgen ist er auch prompt wieder da und beobachtet uns aus gebührender Entfernung, als wir zwischen den Pandanusbäumen hinter dem Küchenhaus den Trampelpfad auf die Inselrückseite finden.

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Es ist windig und der Anblick der Wellen, die markieren, wo die Riffplatte des Atolls endet, ist beeindruckend.

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Mit einem Stab als Gehstütze wate ich so weit es geht hinaus aufs Riff und schaue, ob es tatsächlich die uns in schier unermeßlicher Zahl angekündigten Bénitiers, die Mördermuscheln gibt.

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Und es gibt sie, sie sitzen dicht an dicht zwischen den Riffplatten. Wenn die Muschel nach dem Stab, den man zur „Ernte“ mit sich führt, geschnappt hat, ist der Verschluß ihrer Hälften so stark, daß man die gesamte Muschel mit Hebelbewegungen aus dem Riff lösen kann. Ehrlich gesagt finde ich sie aber so hübsch, hier in dem klaren Wasser, daß ich mir überhaupt nicht vorstellen kann, sie zu essen. Noch dazu in größerer Zahl, denn der eßbare Teil der Muschel ist winzig und man braucht viele, um eine Mahlzeit zuzubereiten.

Bei Odile wird das später Kopfschütteln auslösen, aus ihrer Sicht haben wir uns eine Delikatesse entgehen lassen. Ich bin da auch ehrlich, natürlich ist es eine Doppelmoral. Wir essen es, wenn wir es hingestellt bekommen. Wenn wir es selbst töten müssen, noch dazu, wenn es etwas Exotisches ist, das möglicherweise selten und bedroht ist, dann geht das nicht so einfach.

Aber wir sind auch nicht hier, um uns oder irgendjemand Anderem etwas zu beweisen. Wir suchen die Herausforderung darin, ob wir das einfache, anspruchslose Leben ohne Komfort noch aushalten können. Wir machen kein Survivaltraining, wir haben Dosenwurst. Und die ist nach ein paar Tagen Survivaltraining genug. :wink:

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Unsere Belohnung für das einfache Leben hier ist die unglaubliche Umgebung, die wir für uns ganz allein haben. Allein hier an der Riffkante zu stehen, hinter der der Pazifische Ozean sich endlos ausbreitet. Ganz weit im Westen käme irgendwann Neuseeland, im Osten Pitcairn, wo sich die Nachkommen der Bounty-Meuterer angesiedelt haben. Und geradeaus geht es direkt in die Antarktis und dazwischen liegt genau nichts mehr. Gar nichts.

Es ist nicht der einzige Moment, in dem man sich winzig klein fühlt. Auch bei Einbruch der Dunkelheit stellt sich das Bewußtsein ein, wie unbedeutend man selbst angesichts dieser überwältigenden Natur ist.

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In unserem Restaurant mag tagein tagaus das Nudelgericht des Grauens serviert werden, aber es hat dennoch Sterne, Millionen sogar, denn pünktlich zum Abendessen steht die Milchstraße über dem Kanal zwischen unserem Motu und dem nächsten. Das Fehlen jeglicher Lichtverschmutzung läßt die Sterne leuchten, als hätte sie jemand angeknipst, und wir sind ein Teil davon. Unser Motu, ein winziger Fleck auf auf einer winzigen Kugel in der Galaxis.

Und dann gibt es wieder diese Momente, in denen man genau das Gegenteil empfindet.

Nach und nach erkunden wir die umliegenden Inseln der Lagune.

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Die Strömungen in den Kanälen zwischen den Motus machen das Kajakfahren schwierig, schwimmen ist aufgrund der mitzuführenden Fotoausrüstung ebenfalls keine Option. Am besten geht es zu Fuß und nachdem meine Kamera wasserdicht verpackt ist, marschiere ich bei Ebbe einfach zu Fuß und halte sie über meinen Kopf. Sie ist ja nur klein und nicht besonders schwer

Das Motu gegenüber umrunde ich zu Fuß am Strand und in meinem Kopf spielt die Titelmelodie zu Robinson Crusoe.

https://www.youtube.com/watch?v=55jpOSifpzA

Aber das ist erst der Anfang, denn hinter dem nächsten Motu liegt die kleine Lagune innerhalb der Lagune, die Piscine, Schwimmbad genannt wird.

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Es gibt keine Fußspuren an den Stränden der Motus außer meinen.

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Das Wasser innerhalb der Piscine geht mir bis zu den Knien, man muß keine Angst vor Haien haben, höchstens vor Stachelrochen, daher wate ich mit schlurfenden Bewegungen bis in die Mitte des türkisfarbenen Wasserbeckens. Egal in welche Richtung ich schaue, hier ist kein Mensch außer mir und es gibt nur vier Farben: der weiße Sand, die grüne Vegetation, das Blau des tieferen Wassers und das Türkis de Piscine.

Mehr Südsee geht nicht. Und jetzt sehe ich die Kehrseite der Medaille, daß wir im Winter hergereist sind, denn im Sommer wären sicher in den anderen Pensionen noch eine Handvoll Gäste gewesen, die vielleicht hierher einen Schnorchelausflug gemacht hätten. Aber so ist es menschenleer.
Und so klein, wie ich mich am Riff oder angesichts des nächtlichen Sternenhimmels gefühlt habe, so bedeutsam kommt mir unser Hiersein jetzt vor. Alles, was die Natur hier inszeniert, inszeniert sie gerade nur für uns.

Was immer aus Raivavae in der Zukunft werden mag, ob die Inseln den gleichen Weg gehen werden wie die Seychellen oder ob die Kultur der Polynesier, ihre enge Bindung an das Mana des Landes, verhindern wird, daß sie diese kostbaren Inseln ausbeuten, zubetonieren und zu einem zweiten Bora Bora machen – das hier wird uns keiner mehr nehmen. Und uns ist beiden klar, daß wir so bald wie möglich wieder hierher zurückkehren wollen.

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Vom Gegenübermotu hat man einen schönen Blick auf Motu Rani. Ich sehe den Mister am Strand räumen und fegen. Kokosnüsse werden gesammelt und gestapelt.

Im Öffnen gewinnen wir täglich an Fertigkeiten. Wir haben nicht die Technik drauf, die die Polynesier von Kindheit an lernen, aber wir wissen uns zu helfen. Wenn sich die haarige Außenhülle nicht gleich am Pflock vollständig abtrennen lassen will, hilft es, die Nuß in die Sonne zum Trocknen zu legen, danach geht es viel leichter, die Reste zu entfernen.

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Das Aufschlagen mit der Machete übernimmt ausschließlich der Mister, ich traue mich das nicht und habe zu viel Angst, mir mit der Machete in die Hand zu schlagen. Er hat das aber ziemlich gut drauf und so haben wir an Kokosnüssen, Mark und Wasser keinen Mangel. Es gibt sogar eine Raspel, damit bringe ich etwas Abwechslung in den Speiseplan und mache Milchreis mit Kokosraspeln. Es hilft ein bißchen gegen die Eintönigkeit.

Die Reste der Kokosnüsse legen wir am Strand aus und etwas weiter von unserem Haus entfernt, wohin sich der Kater vielleicht nicht so oft verirrt, gelingt es uns dann auch, ein paar Einsiedlerbabys anzulocken.

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Sie sind sehr, sehr scheu, kein Vergleich mit den frechen Kerlen aus Tonga. Wenn wir uns nähern, machen sie dem Namen, den wir ihnen gegeben haben, aber alle Ehre, sie purzeln in alle Richtungen aus den Kokosnusschalen.

Purzelbabies:

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Falls sich jemand fragen sollte, ob es denn nicht langweilig sei, auf so einer Insel: Nein. Obwohl wir hier nicht mal unser Feuerholz selbst sammeln müssen, ist viel zu tun und zu erleben, so viel, daß ich täglich Tagebuch schreibe, um die vielen kleinen Details festzuhalten. Da ich nicht so schön fotografieren kann, versuche ich mich im Zeichnen, das klappt auch nur mal mehr, mal weniger gut, aber es ist ja auch nur zum persönlichen Gebrauch.

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Wir sind viel am und im Wasser und beim Schnorcheln begegne ich nicht nur meinen Abwaschfreunden, den Falterfischen, sondern einmal sogar einer von selbst abgelösten Mördermuschel. Ich probiere den Erntetrick aus und es klappt tatsächlich, sie hält den Holzstab, den ich benutze, so fest, daß man sie daran herumtragen kann. Danach entlassen wir sie wieder in die Freiheit.

Wir haben unglaubliches Glück mit dem Wetter, sind uns aber sehr wohl bewußt, daß die Wetter-App vor Abreise in der 14-Tage-Vorausschau auch unerfreuliche Tage vorhergesagt hat, also genießen wir jeden Tag in vollen Zügen.

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Zuletzt geändert von Suse am 27 Mär 2023 22:24, insgesamt 1-mal geändert.
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Bong!!!
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Re: Motus, Muscheln, Menschenfresser - Zwei Monate in Französisch Polynesien

Beitrag von Bong!!! »

Suse hat geschrieben: 27 Mär 2023 17:56 Ach, dann hast Du den Reisebericht also entdeckt. Warst Du inzwischen selbst in Französisch Polynesien, wie Du es vorhattest?

Du schreibst ja gut auf Deutsch, deswegen antworte ich jetzt auch nicht auf Englisch. Selbst geschrieben oder Übersetzungsprogramm?
Die Seychellen haben einen besonderen Platz in meinem Herzen, deshalb besuche ich immer wieder dieses Forum, um zu sehen, was es Neues gibt (-:

Obwohl ich gestern hier vorbeigeschaut habe, um zu sehen, ob Ihr Reisebericht aus Französisch-Polynesien schon hier war, hatte ich eine Ahnung... (-: Ich habe mir bereits einige Notizen für meinen Plan gemacht, der auf deinen Informationen über die Insel Tahiti basiert.

Deutsch ist völlig in Ordnung, ich respektiere die Sprache des Themas. Und danke für das Kompliment, aber mein Deutsch ist bei weitem nicht so gut. Was Sie hier lesen, ist eine Übersetzung aus dem Englischen mit DeepL. (-:

Ich fliege Ende April nach Französisch-Polynesien, ebenfalls über die USA, so dass unsere anfängliche Reiseroute ähnlich ist, außer dass ich von San Francisco aus nach Papeete fliege, wo ich eine 23-stündige Zwischenlandung habe, so dass ich Zeit für eine kurze Stadtbesichtigung haben werde.

Ich freue mich sehr, dass Ihre Reise so erfolgreich war. Wie ich in meinem vorherigen Beitrag schrieb, sind die Fotos wunderschön und Ihre Erfahrungen ebenso.

Leider werde ich nicht so viel Zeit haben, ich frage mich fast, ob ich versuche, zu viel zu tun... Wie auch immer, es ist wie es ist und alles ist bereits gebucht. Aber ich bin mir sicher, dass es trotzdem toll wird (-:

Ich habe geplant: Tahiti, Maupiti, Raiatea (nur 2h Transfer), Huahine, Bora Bora, Tikehau, Rangiroa (nur 2h Transfer) und Fakarava. In 20 Tagen, die Anreise aus Europa nicht eingerechnet. Hoffentlich ist das Wetter schön und es regnet auf keiner der Inseln während des gesamten (kurzen) Aufenthalts. Das war eigentlich einer der Gründe, warum ich Tuamotu statt der Marquesas geplant habe- als eine Art "Versicherung" für ein sonniges Wetter über den flachen Attolen.
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mr.minolta
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Re: Motus, Muscheln, Menschenfresser - Zwei Monate in Französisch Polynesien

Beitrag von mr.minolta »

Vielen Dank für das Lob! :D
Bong!!! hat geschrieben: 27 Mär 2023 18:44Ich habe geplant: Tahiti, Maupiti, Raiatea (nur 2h Transfer), Huahine, Bora Bora, Tikehau, Rangiroa (nur 2h Transfer) und Fakarava. In 20 Tagen, die Anreise aus Europa nicht eingerechnet.
Da hast Du Dir aber so einiges vorgenommen in der kurzen Zeit, denn das sind nur zweieinhalb Tage pro Insel. Ich wünsche Dir viel Erfolg und bestes Wetter!
Es scheint, daß es neben der Republik der Seychellen auf der Welt kein zweites Land gibt, das für sich selbst derart ausdrücklich mit besonderem Umweltschutz wirbt und in der Realität so unfaßbar dreist das absolute Gegenteil davon praktiziert.
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mr.minolta
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Re: Motus, Muscheln, Menschenfresser - Zwei Monate in Französisch Polynesien

Beitrag von mr.minolta »

Rückblickend bin ich in all den Tagen auf Motu Rani, wenn ich nicht gerade mit Laubfegen oder Mobiliar-Verschieben beschäftigt war, vor allem mit den Kameras herumgerannt und habe versucht, die vielen Motive entsprechend der Tageszeit und dem Lichteinfall in Szene zu setzen. Das hat gerade hier einen ungeheuren Einfluß auf die Erscheinung der Umgebung, denn auf der Insel selbst ist die Perspektive oft eng und verwinkelt und auch der Blick auf die Lagune wird durch Strukturen wie die der Hauptinsel oder Wolkengebilde beeinflußt. Will man also Fotos machen, hat man den ganzen Tag zu tun, es wird nie langweilig und die Zeit vergeht dabei wie im Flug.

Gleich morgens nach dem Erwachen geht man ein paar Schritte nach vorne zum Strand und sieht die Schatten der Palmen, die jetzt auf das flache, kristallklare Wasser fallen. Dieses Motiv mag ich besonders.


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Nachmittags ist es besonders schön, wenn man dann mal keine Schatten haben will. Ungetrübter Blick auf die Lagune bei bestem Wetter.


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Dasselbe Motiv am Abend.


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Variationen des Wolkenbildes und Lagune mit Vordergrundmotiv.


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mr.minolta
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Re: Motus, Muscheln, Menschenfresser - Zwei Monate in Französisch Polynesien

Beitrag von mr.minolta »

Neun Tage auf einer einsamen Insel bei Sonnenschein und märchenhafter Umgebung, ohne einen einzigen Zwischenfall?

Nein, das wäre wohl zu schön gewesen, um wahr zu sein... ;) Am dritten Tag schon gibt es den vorhergesagten Tropensturm und nur weil er als nicht zerstörerisch angekündigt wurde, haben wir uns zu diesem Zeitpunkt überhaupt auf Motu Rani absetzen lassen.

Am Nachmittag geht es los. Starker Wind schüttelt die Palmen und alle übrige Vegetation, es wird kühl, dann kalt und schließlich kommen die Regenschauer dazu, die das Unwetter perfekt machen. Wir packen unseren Kram zusammen, ziehen die Liegen und Stühle weit zurück in den Garten und kriegen es so gerade noch fertig, das Essen zuzubereiten und draußen (!) einzunehmen, bevor wir dann Deckung im Wohnhaus suchen. Anfangs noch unter dem Vordach, später dann hinter den Fenstern postiere ich mich mit der Videokamera und dokumentiere, wie sich die Bäume im Sturm krümmen. Zwischenzeitlich muß immer mal einer von uns die 15 Meter bis zum Küchenhaus laufen, um Wasser und Verpflegung zu holen. Es kommt vor, daß man zwar hin-, aber zunächst nicht mehr zurückkommt, weil es zu sehr schüttet.

Bis jetzt ist es ein eher spannendes Erlebnis, bedrohlich wirkt es nicht. Das ändert sich erst am späten Abend und in der Nacht, in der wir kaum ein Auge zumachen können. Der Sturm wird nun so heftig, daß wir uns wirklich Sorgen machen. Der Regenfall ist so laut, daß man zeitweise sein eigenes Wort nicht versteht und auch die windgeschüttelte Vegetation macht einen Höllenlärm. Das Dach vibriert und scheppert und kassiert permanent Schläge eines Palmwedels, an Schlaf ist nicht zu denken.

Irgendwie überstehen wir das alles bis zum nächsten Morgen. Der Sturm hat sich aufgelöst und ein erster Gang aus dem Haus dient natürlich der Bestandsaufnahme in unserem Garten. Der ist zum Glück nicht verwüstet, aber derart vollgemüllt mit Laub, abgerissenen Ästen und angeschwemmtem Seegras, daß wir wohl Stunden zu tun haben werden, um hier aufzuräumen. Dann wende ich mich dem Palmwedel zu, der hinter dem Haus über der Zisterne in der Nacht stundenlang auf's Dach geschlagen wurde. Ich habe keine Lust, demnächst bei stärkerem Wind vielleicht wieder wachgeklopft zu werden und auch um weitere Schäden am Dach zu vermeiden, beschließe ich, ihn abzuschlagen. Mit der Machete ist das keine große Sache. Drei Hiebe und er ist durch, allerdings fällt er dabei so unglücklich auf's Dach, daß er die angeschlagene Regenrinne gleich mitnimmt. Wedel und Rinne gehen also im Gleichschritt von Bord, die Rohrverbindung reißt auseinander und die ganzen Trümmer landen am Boden und auf den Tanks.

Das Desaster ist perfekt.

Sofort durchkämme ich den ganzen Garten. Odiles Mann hat hier überall Werkzeug und nützlichen Kram verteilt. Es gelingt mir, eine Leiter und Plastikschnur aufzugabeln und die Wasserversorgung des Badehauses notdürftig zu reparieren.


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Am nächsten Tag kriegen wir Besuch von den beiden! Das war so verabredet und wir freuen uns auf das Fleisch, das sie uns mitbringen wollen. Sie erscheinen pünktlich und die Freude ist groß. Es gibt ein halbes Huhn, dazu Obst und ein paar andere Leckerlis. Ich schildere sofort, was in der Nacht passiert ist und Odile sagt, daß sie immer wieder über's Wasser geschaut habe, um zu sehen, ob Motu Rani noch an derselben Stelle steht... Ihr Mann hat natürlich gleich das richtige Werkzeug dabei und überprüft und korrigiert meine Bastelei am Dach, bis alles wieder perfekt sitzt.

Wir verabschieden uns herzlich und haben an diesem Abend ein besonderes Essen, das Suse ganz hervorragend zubereitet. Die folgenden Tage führen uns zurück in die selbstgewählte Einsamkeit und Ruhe, bei gutem Wetter und mit schönen Fotomotiven.
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Re: Motus, Muscheln, Menschenfresser - Zwei Monate in Französisch Polynesien

Beitrag von mr.minolta »

Wie es ausgehen kann, wenn ein Sturm noch heftiger ist und eine gute Portion Pech dazukommt, sieht man an dieser Hütte, die etwa 10 Meter entfernt vom Wohnhaus so gerade noch steht und die frühere Gästeunterkunft war. Ein fetter Baum hat sie beim letzten starken Sturm getroffen. So mancher Besucher mag trotz Camping-Mentalität daran Anstoß nehmen, daß es in diesem Bereich immer noch etwas vermüllt aussieht, man muß sich aber bewußt machen, daß es unter den hier gegebenen Umständen wirklich schwierig ist, so etwas wieder wegzuräumen. Mit dem kleinen Boot der Familie geht das nicht, da muß man erst den Cousin bitten, mit dem großen Boot rauszufahren und mitanzufassen. Sowas zieht sich hin.

Ich finde jedenfalls, daß die zerstörte Hütte ein tolles Motiv ist.


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Re: Motus, Muscheln, Menschenfresser - Zwei Monate in Französisch Polynesien

Beitrag von mr.minolta »

Ein typischer Tag auf Motu Rani.

Ich zieh mir die Liege nach vorne und ruhe mich nach dem Schlafen erst mal etwas aus, während Suse das Frühstück zubereitet.


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Heute ist es noch etwas trüb, aber bald kommt die Sonne hervor und brennt den Dunst weg. Ich bin zu faul, aufzustehen und mache mal ein Foto mit dem Handy direkt aus dem Liegestuhl.


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Dann raffe ich mich auf und bau die Videokamera auf's Stativ. Das Wetter wird jetzt richtig schön.


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An einer äußeren Ecke der Insel gibt es zwei Sitzgelegenheiten aus Palmstämmen. Hier verbringe ich viel Zeit und beobachte Eidechsen und Einsiedlerkrebse.


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Bei Ebbe kann man hier bequem auf's Wasser rauslaufen und hat einen Blick auf das Ufer der Insel. Es ist später Nachmittag.


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Jetzt finden sich auch zahlreiche Seegurken an den Ufern der Insel. Die meisten retten sich in kleine Gezeitentümpel, manche bleiben aber auch einfach cool im feuchten Sand liegen und warten dort die nächste Flut ab. Diese hier haben sich in eine Tridacna-Schale geflüchtet. Das war wiederholt zu beobachten, an mehreren Strandabschnitten bei Niedrigwasser.


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Re: Motus, Muscheln, Menschenfresser - Zwei Monate in Französisch Polynesien

Beitrag von mr.minolta »

Ein letzter Blick auf die Hauptinsel kurz vor Sonnenuntergang.


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Dann mache ich mich auf den Weg zurück in's Dorf, wo Suse hoffentlich schon mit der Vorbereitung des Abendessens begonnen hat.


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Nach dem Essen gehen wir nochmal gemeinsam nach vorne. Die Sonnenuntergänge haben hier etwas Unwirkliches und das Gefühl, die einzigen Menschen auf der Welt zu sein, erfaßt uns regelmäßig in diesen Momenten.


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Pico
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Re: Motus, Muscheln, Menschenfresser - Zwei Monate in Französisch Polynesien

Beitrag von Pico »

Traumhafte Bilder!!!
Suse hat geschrieben: 27 Mär 2023 18:43 Allein hier an der Riffkante zu stehen, hinter der der Pazifische Ozean sich endlos ausbreitet. Ganz weit im Westen käme irgendwann Neuseeland, im Osten Pitcairn, wo sich die Nachkommen der Bounty-Meuterer angesiedelt haben. Und geradeaus geht es direkt in die Antarktis und dazwischen liegt genau nichts mehr. Gar nichts.
Suse hat geschrieben: 27 Mär 2023 18:43 Alles, was die Natur hier inszeniert, inszeniert sie gerade nur für uns.
Ich finde das eine unglaublich faszinierende Vorstellung und es sei euch gegönnt.

Da erträgt man sicherlich auch mal das Nudelgericht des Grauens. ;-)
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Suse
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Re: Motus, Muscheln, Menschenfresser - Zwei Monate in Französisch Polynesien

Beitrag von Suse »

Pico hat geschrieben: 28 Mär 2023 11:49

Ich finde das eine unglaublich faszinierende Vorstellung und es sei euch gegönnt.

Da erträgt man sicherlich auch mal das Nudelgericht des Grauens. ;-)
Danke Dir! Und ja, das ist echt so. Für den Luxus nimmt man manches in Kauf! Dreckig werden, nicht richtig duschen können, das unbequeme Bett.
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Suse
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Re: Motus, Muscheln, Menschenfresser - Zwei Monate in Französisch Polynesien

Beitrag von Suse »

Daß wir nicht die einzigen Menschen auf dem Planeten sind, wird uns dann wenige Tage später klar, als der Abreisetag naht, denn da kommt Terani mit seinen Töchtern und holt uns ab. Wir packen unsere Sachen zusammen, fegen Wohn- und Küchenhaus und nehmen Abschied von Babypurzeln, Falterfischen und überhaupt allem. Dann sehen wir schon das Boot kommen, und genau so, wie man sich bei der Anreise zuerst ein wenig verlassen fühlt wenn es abfährt, so empfinden wir es jetzt als ein Eindringen in unser persönliches Paradies.

Die jungen Frauen übernehmen den „Zimmerservice“, denn in der Pension warten schon zwei Gäste, die sich spontan entschlossen haben, eine Nacht auf dem Motu verbringen zu wollen. Es sind Ornithologen aus Tetiaroa. Na, die werden sicher ein bißchen enttäuscht sein.

Wir werden mitsamt unserem Koffer an Bord verfrachtet. Mehr haben wir jetzt auch nicht mehr als das, die Wasserkanister und Kartons mit Vorräten fehlen. Der Aufenthalt ist zuende.

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Auf Raivavae wartet Odile auf uns, zur Begrüßung gibt es Bananecrepes mit Honig, soo lecker.

Odile leistet uns beim Essen Gesellschaft und fragt uns, wie es uns gefallen hat. Wir quellen über vor Begeisterung. Sie freut sich und vertraut uns ihre Zukunftspläne an. Gemeinsam mit ihrer Nichte Linda, die ebenfalls eine Pension auf Raivavae betreibt, hat sie ein Motu in der Nähe des Flughafens gekauft, Motu Mano. Es ist deutlich größer als Motu Rani. Vielleicht wird es in Zukunft hier eine weitere Insel zum Robinson spielen geben. Wir wären durchaus neugierig, auch dieses Motu kennenzulernen, aber es löst auch Befürchtungen aus. Auch hier bleibt die Entwicklung nicht stehen und man kann nur hoffen, daß sie behutsam vonstatten geht.

Eine weitere Nacht auf Raivavae ist nicht vorgesehen, wir fliegen heute direkt zurück nach Tahiti und Odile bringt uns früh zum Flughafen. Obwohl der Flughafen winzig ist, kommen uns die wenigen Leute, die bis jetzt hier sind, schon wie Menschenmassen vor. Und die ganzen Regeln und Vorschriften der Pandemie, alles wieder da.

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Wir wollen zurück nach Motu Rani, aber das geht leider nicht. Jedenfalls nicht jetzt.

Wir verabschieden uns herzlich und sind uns sicher, daß wir uns wiedersehen. Bis zum Abflug ist noch Zeit, aber Odile legt uns den Souvenirshop ans Herz, der nur an den Flugtagen, an denen überhaupt Flugzeuge auf Raivavae landen, geöffnet ist. Wir vermuten, daß die relativ frühe Ankunft beabsichtigt war, um uns noch ausreichend Zeit zu geben, sich mit Souvenirs einzudecken. Falls das der Plan gewesen sein sollte – bei uns geht er voll auf. Wir entdecken einige wirklich schöne Stücke. Für mich einen Kühlschrankmagneten, und der Mister findet, was er die gesamte Reisezeit hindurch gesucht hat: Ein geschnitztes Auslegerkanu.

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Als das Feuerwehrauto an der Landebahn positioniert wird, wissen wir, jetzt kommt die Maschine aus Tubuai und gleich geht es los.

Auf Wiedersehen Raivavae, auf wiedersehen Lagune. Kurz vor Motu Rani dreht das Flugzeug ab und es entschwindet aus unserem Blickfeld. Seufz.

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Im Flugzeug ist dann richtig Australwinter. Das Gebläse ist so übel, daß der Mister die kleinen Werbeprospekte, die in den Taschen der Vordersitze stecken, in den Lüftungsschlitz steckt. Es dauert nicht lange und das halbe Flugzeug tut es ihm gleich. So ist es auszuhalten.

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In der Hitze Tahitis angekommen, wünscht man sich die Kühlung direkt zurück. Es ist zufälligerweise Unabhängigkeitstag und die Straßen sind voller feierndern Menschen, selbst hier draußen in Paofai. Wir stehen im Stau, es ist heiß und drückend und wir sind müde. Unglaublich, der Kontrast. Erst heute Vormittag saßen wir noch allein auf einem Motu, und jetzt sind wir mitten in der Stadt.

Unsere Aufbewahrungskiste aus dem Tahiti pas Cher war nun inzwischen so lange hier, daß sie in der Abstellkammer ganz unten steht, begraben unter Koffer- und Taschenbergen anderer Reisender, die irgendwo in der Inselwelt unterwegs sind und ihre Sachen hier zwischengelagert haben. Es dauert ziemlich lange, bis wir sie herausgezerrt haben, und dann heißt es Koffer neu packen. Mit all den Souvenirs ist das gar nicht so einfach.

Unser letzter Abend. Der Sonnenuntergang hinter Moorea bekommt eine allerletzte Chance – und nutzt sie nicht. Es ist wieder bewölkt. Wetten, daß zwischendurch jeden Abend wolkenloser Himmel war, so wie wir in von Tahiti Iti und von Moorea selbst aus gesehen haben. Es soll nicht sein.
Zum Trost gibt es eine anständige Pizza mit Blauschimmelkäse in der Pizzeria am Boulevard der Königin Pomare und dann geht es ein letztes Mal zu Fuß durch Paofai den Berg hinauf zum Fare Suisse.

Tschüs Champignon!

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Tschüs kleine Rostlaube!

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Der Flug geht um Mitternacht, aber da unser Reiseveranstalter so schlau war, uns für den letzten Tag ein Tageszimmer zu buchen, dürfen wir uns bis zur Abfahrt dort aufhalten. Ich dusche ausgiebig, es ist unglaublich, wie sehr die Geruchsnerven nach dem langen Inselaufenthalt von den künstlichen Aromastoffen entwöhnt sind, das Duschgel ist mir fast schon zu intensiv. Aber endlich mal wieder richtig heiß duschen ist wirklich ein Luxus, genau eines der Dinge, die man nach so einem Aufenthalt erst wieder richtig zu schätzen weiß.

Um Mitternacht bringt uns eine der Fare Suisse-Mitarbeiterinnen zum Flughafen. Zum Abschied wird dem Mister noch die Sonderbehandlung der vier S zuteil. Während ich die Stichprobenfilzung des Handgepäcks in der Vergangenheit schon durch einen furchteinflößenden Customs-Mitarbeiter in den USA über mich entgehen lassen mußte, ist es hier eine bildschöne Polynesierin mit einem strahlenden Lächeln und ausgesuchter Höflichkeit. Ich glaube, der Mister hätte beim nächsten Polynesienbesuch jetzt immer gern die vier S.

Der Flug verläuft ruhig und unauffällig. Ich mache die Probe aufs Exempel und schaue mir den selben Krimi über den Mord in Teahupo'o wie auf dem Hinflug an. Und siehe da, diesmal verstehe ich fast jedes Wort. Erstaunlich, nachdem ich viele Jahre lang glaubte, im Französischen keine merklichen Fortschritte mehr zu machen, waren die letzten zwei Monate nochmal ein richtiger Booster.

LA International Airport. Wir haben Türkis gegen Smoggrau getauscht.

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In Los Angeles haben wir einen ukrainischen Taxifahrer, dem kleine Boxhandschuhe mit Autogrammen von den Klitschkos vom Rückspiegel baumeln. Gemeinsam mit dem Latino vom letzten Mal hat er aber die schlechte Laune, als er unser Zieladresse hört. Als ich ihm bei der Ankunft in der Travelodge 20 Dollar in die Hand drücke, reicht das nicht. Die Minimum Fare ist während der letzten zwei Monate von 18 auf 21 Dollar angehoben worden. Krass.

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In der Travelodge fühlen wir uns wohl wie beim ersten Mal. Der Fernseher läuft und wir gehen abwechselnd zur Circle K und zum Chick-fil-A über den Pacific Coast Highway und sammeln Kräfte vor der langen Heimreise. Wir finden es toll hier.

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Und die brauchen wir auch, denn morgen ist der 3. Juli und angesichts des bevorstehenden Feiertags ist am Flughafen die Hölle los. Jede Menge US-Amerikaner, die mit uns nach Europa fliegen wollen. Wir stehen eine Ewigkeit lang in der Schlange, es geht nicht voran. Vorbei das Leben in Flipflops, willkommen Maskenpflicht. Es geht zurück nach Deutschland.

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Wenn es nach Lufthansa ginge, allerdings erst morgen. Die Maschine ist offenbar derartig überbucht, daß man uns sage und schreibe 800 Dollar pro Person anbietet, wenn wir auf den Folgetag umbuchen. Das Angebot bezieht sich aber lediglich auf den Langstreckenflug, ob wir danach dann Anschlußflüge ab Frankfurt bekommen, kann uns niemand versprechen. Der Mister ist enttäuscht, daß ich da Angebot nicht annehmen will. Das unfaßbare Flugchaos im letzten Sommer, einige der Reiseberichte, die ich während dieser Zeit in Reiseforen von Usern gelesen habe, die mit ihren Nerven am Ende eine mehrtägige Heimreiseodyssee hinter sich haben, läßt mich davor zurückschrecken. Immerhin muß ich in ein paar Tagen wieder arbeiten und kann nicht noch tagelang in überbuchten Zügen durch Deutschland irren und anschließend meine Koffer suchen. Eine Unterkunft in Los Angeles haben wir jetzt, so kurz vor dem Feiertag auch nicht mehr. In die Travelodge können wir nicht zurück, die ist, wie fast alles andere in der Umgebung, ausgebucht.

Trotzdem wird die Rückreise noch zum Nervenkrieg, denn aufgrund hoher Verspätung verpassen wir um Haaresbreite unseren Anschlußflug nach Berlin. Weitere Flüge wären an diesem Tag nicht zu bekommen, daher werden wir am Gate schon von einem Shuttlebus erwartet, der uns in halsbrecherischem Tempo zu einer nur für uns geöffneten Paßkontrollstelle fährt. Das Flugzeug wartet nur auf uns und vier andere aus unserer Maschine, die auch nach Berlin wollen.

Als wir in Berlin landen, der spannende Moment, der im Sommer 2022 jeden Flugreisenden bewegt: Ist mein Koffer in der selben Stadt wie ich?
Wir haben Glück, sie sind da, aber nach drei Monaten und unzähligen Malen des Herumgeworfenwerdens mit einem glatten Achsbruch. Es wird ihre letzte Flugreise gewesen sein.

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Unsere ganz sicher nicht, auch wenn wir eine Reise in dieser Form sicher in den nächsten Jahren kein zweites Mal wiederholen werden.

Drei Monate Sabbatical. Eine once in a lifetime-Erfahrung, die besonders zu Pandemiezeiten ihre Tücken hatte. Mein Arbeitgeber, eine Bundesbehörde, bietet diesbezüglich verschiedene Modelle an, die von mir gewählte Variante war eine Ansparphase von 24 Monaten Vollzeittätigkeit bei 89 % Gehalt und im Anschluß drei Monate Freistellung bei Fortzahlung der 89 % Gehalt.

Also keine Notwendigkeit, irgendetwas zu kündigen oder die Wohnung unterzuvermieten, keine Eigenfinanzierung der Krankenversicherung, alles Dinge, die für uns auf keinen Fall in Frage gekommen wären. Trotzdem ist auch der Verzicht auf 11 % Gehalt bei gleichzeitigem Wunsch, so viel wie möglich für die Reise zu sparen, eine Herausforderung.

Trotzdem möchte ich keine Sekunde der Reise missen. Aber bis zur Rente werden wir das nicht wiederholen. Danach vielleicht schon, wer weiß, Reisewünsche, die eine solche Dauer ungefähr abdecken würden, hätte ich durchaus.

Nun fragen sich vielleicht manche, na, wieviel hat es denn nun gekostet und wie habt ihr das organisiert. Uns ist es schwer gefallen, adäquate Informationen zu finden, wenn man einfach als „Normalreisende“ unterwegs sein will.

Erfahrungsberichte von anderen Langzeitreisenden kann man nach meinem Eindruck in zwei Kategorien unterteilen: Die Luxusreisenden, die, vielleicht gerade frisch in die Rente eingetreten, sich jetzt richtig was gönnen und monatelang mit dem eigenen Segelboot herumziehen oder von einem Stelzenbungalow auf Bora Bora in den Strandbungalow mit eigenem Butler auf Tetiaroa umziehen. War für uns überhaupt nicht hilfreich, die Reisekosten einzuschätzen.

Oder zum anderen die Backpacker, die – bevorzugt in Asien – zum günstigstmöglichen Budget unterwegs sind und sich darin gefallen, sich gegenseitig zu unterbieten, wer denn nun wo am billigsten untergekommen ist. War für uns genausowenig hilfreich.

Wir hatten eine Mischung aus einfacheren Unterkünften und einigen hochpreisigeren, wobei die teureren die 300 Euro pro Nacht nicht überschritten haben. Ich glaube, die teuerste Unterkunft war die Vanira Lodge mit knapp 280 Euro für den Haari inklusive Frühstück.

Einige Unterkünfte haben unter 100 Euro pro Nacht gekostet, wie das Motu Iti zum Beispiel. Da Französisch Polynesien während der Pandemie zeitweise das einzige Land war, das seine Grenzen für Touristen geöffnet hatte, hat es hier einen Tourismusboom gegeben und die Preise haben seit 2021, dem Jahr, in dem wir gebucht haben, erheblich angezogen. Von daher sind unsere Preisangaben nicht mehr ganz repräsentativ, aber helfen vielleicht einzuschätzen, daß Französisch Polynesien nicht ausschließlich für die ganz Gutbetuchten ist.

Mir persönlich haben einige der günstigeren Unterkünfte sogar am besten gefallen. Das Motu Iti fand ich persönlich als Gesamtpaket unschlagbar.

Auch der Französischen Sprache muß man nicht zwingend mächtig sein. Auf Tahiti und den Tuamotus sprechen die Menschen, die im Tourismus arbeiten, nach unserem Eindruck inzwischen alle Englisch. Wie bei vielen französischen Muttersprachlern, wozu man die Polynesier hier ja zählen muß, ist es manchmal besser, manchmal schlechter verständlich.

Je weiter man sich von Tahiti selbst entfernt, desto schwieriger wird es allerdings. Ich glaube, auf den Marquesas und Raivavae sprachen deutlich weniger Menschen Englisch, aber da muß man ja nicht zwingend hin, es gibt auch auf den Gesellschaftsinseln genug zu sehen. Also los, traut Euch, es ist ein ganz wunderbares Land, das sich kennenzulernen lohnt.

Insgesamt waren wir drei Monate unterwegs, ein Monat Florida und zwei Monate Französisch Polynesien. Die Reise haben wir von Anfang an selbst organisiert, d.h. alle Unterkünfte selbst recherchiert und zum Teil auch vorab selbst angefragt. Gebucht haben wir den von uns zusammengestellten Reiseverlauf dann aber über einen Veranstalter, Pacific Travel House, bei denen wir auch schon in der Vergangenheit immer phantastisch betreut wurden.

Wir hatten für die Reise inklusive Isolationszeit vorher und Jet-Lag-Ausschlafzeit danach knapp vier Monate Zeit und ein Budget von 30.000 Euro. Wir sind mit beidem gut ausgekommen.
Im Hier und Jetzt sind wir immer noch nicht ganz angekommen, was auch damit zu tun hat, daß wir im September letzten Jahres dann gleich wieder nach New York gereist sind.

Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich das Gefühl, mich für den Moment „sattgereist“ zu haben. Wir beide merken, daß wir die Reise immer noch verarbeiten. Manche Eindrücke kommen in Flashbacks zurück, besonders die Zeit auf Motu Rani. Manche Orte, an denen wir waren, erscheinen während eines tristen Berliner Winters geradezu unwirklich. Auch während des Schreibens des Reiseberichtes kamen mir manche Erlebnisse geradezu unglaublich vor.

Wir hoffen, Ihr hattet Spaß beim Lesen und freuen uns über die zahlreichen netten Kommentare und die Anteilnahme.

Für uns ist ganz sicher, daß wir, wenn die Reisegötter uns lassen, wieder nach Französisch Polynesien reisen wollen.

Wenn alles läuft wie geplant und keine Streiks oder anderen unvorhergesehenen Dinge eintreten, sitzen wir heute in einer Woche schon im Gatorland in Orlando. Wenn es nicht langweilt, werden wir wieder berichten.
Wenn du keine Kokosmilch hast, machste einfach normales Wasser.
- Grubi -

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Re: Motus, Muscheln, Menschenfresser - Zwei Monate in Französisch Polynesien

Beitrag von Pico »

Ganz ganz großes Kino - Danke euch beiden für diesen umwerfenden Bericht!!!

Es fühlt sich fast ein bisschen so an als wäre man irgendwie etwas dabei gewesen - so detailiert, lebhaft und offensichtlich aus vollstem Herzen ihr mit Worten und Bildern erzählt habt.
Umso wehmütiger wurde mir dann als ihr Motu Rani verlassen habt. Zurück in unsere vollen und hektischen Welt.

Toll dass ihr diese Reise gemacht und mit so viel Mühe und Herzblut uns daran teilnehmen lassen habt - Ein dickes Dankeschön dafür!

:bounce: :bounce: :bounce: :bounce: :bounce: :bounce:
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Re: Motus, Muscheln, Menschenfresser - Zwei Monate in Französisch Polynesien

Beitrag von mr.minolta »

Klara hat geschrieben: 22 Mär 2023 17:52
Suse hat geschrieben: 22 Mär 2023 17:08 Dann geht es gemütlich im Sonnenschein zurück über die Insel und wir lassen den Nachmittag auf dem Balkon ausklingen. Der Mister bewundert seinen Tiki aus dem Tal von Taipivai
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Der ist ja echt bildschön, würde sich in jeder Galerie gut machen. Aus was für Holz ist der?
Ich hatte das fast übersehen! :wink:

Die Tikis sind meist aus Rosenholz, selten auch aus Mahagoni oder Palisander. Dabei ist Rosenholz kein biologisch definierter Begriff, sondern eher ein Handelsetikett. Hab eben mal bei Wikipedia nachgeschaut, da werden ca. 50 Arten bzw. Sorten von Rosenholz gelistet. Bei den Souvenir-Tikis aus Polynesien handelt es sich um einen Baum aus der Familie der Malvengewächse, der speziell für die handwerkliche Verarbeitung angebaut wird.

Als ein solcher wurde mir dieser Tiki angeboten und die Plantagen der Bäume haben wir auch gesehen.
Es scheint, daß es neben der Republik der Seychellen auf der Welt kein zweites Land gibt, das für sich selbst derart ausdrücklich mit besonderem Umweltschutz wirbt und in der Realität so unfaßbar dreist das absolute Gegenteil davon praktiziert.
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mr.minolta
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Re: Motus, Muscheln, Menschenfresser - Zwei Monate in Französisch Polynesien

Beitrag von mr.minolta »

Pico hat geschrieben: 28 Mär 2023 19:45Es fühlt sich fast ein bisschen so an als wäre man irgendwie etwas dabei gewesen -
Vielen Dank für das tolle Lob! :D

Wir haben uns auch sehr gefreut, daß es Euch (beiden :wink: ) so gefallen hat. Und manchmal wünschte ich mir, ich würde auf imaginäre Seychellen reisen, auf denen es noch ähnlich schön wäre wie früher mal. Das soll heißen, daß mir mal wieder sehr bewußt geworden ist, wie verträglich und teilweise kaum spürbar die Veränderungen in anderen tropischen Ländern sein können. Meine erste Reise nach Tahiti ist jetzt fast 20 Jahre her und wenn ich heute dort ankomme, denke ich:

Hey, alles prima!

Und im Falle von Raivavae kann man sich ja kaum vorstellen, daß es früher mal noch urtümlicher gewesen sein muß. Wahrscheinlich hatten sie vor 20-30 Jahren noch keine Autos, ähnlich wie auf La Digue. In der Blauen Lagune von Rangiroa war ich das erste Mal 2008, da gab es auf zwei der zehn Inselchen eine Picknickhütte. Heute, also 15 Jahre später, sind es drei Inselchen mit Picknickhütten. Alles gut, finde ich. Wären das aber die Seychellen, dann hätte man dort jetzt 20 Picknickhütten und drei Hotels. Mit Kreuzfahrtanleger... :wink:

Mit diesem Reisebericht haben wir unsere Erlebnisse ja selbst nochmal aufarbeiten können, wir wollten aber auch ein bißchen Werbung machen. Für ein alternatives tropisches Reiseziel, das in vielerlei Hinsicht bekannte Dimensionen sprengt.

In ein paar Tagen geht es dann für uns wieder nach Florida. Monsterjagd im Sumpf!

Davon kann ich auch nie genug kriegen... :smokin:
Es scheint, daß es neben der Republik der Seychellen auf der Welt kein zweites Land gibt, das für sich selbst derart ausdrücklich mit besonderem Umweltschutz wirbt und in der Realität so unfaßbar dreist das absolute Gegenteil davon praktiziert.
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