Motus, Muscheln, Menschenfresser - Zwei Monate in Französisch Polynesien

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Suse
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Re: Motus, Muscheln, Menschenfresser - Zwei Monate in Französisch Polynesien

Beitrag von Suse »

Nach dem Frühstücksbuffet geht es los. Wir sind zu sechst im Auto, ein französisches Paar, das lieber die Rückbank der Fahrerkabine wählt, und ein älteres Paar aus dem Elsaß, das hinten mit uns auf den Bänken der Ladefläche Platz nimmt.

Der Mister stellt schon beim Warten in der Lobby fest, daß der Elsässer eine verblüffende Ähnlichkeit mit Walter Röhrl hat. Als ich ihm das dann irgendwann sage, freut er sich. Er wußte zwar vorher nicht, wer Walter Röhrl ist, aber er ist tatsächlich ein paar Jahre lang Audi gefahren und hat nur Gutes über das Auto zu berichten.

Wie immer, wenn man mit Franzosen ins Gespräch kommt, fällt bald die beizeiten etwas chauvinistisch wirkende Fassade, da kommt dann schnell die Erkenntnis, daß es immer die anderen sind, die die Sprachkenntnisse beisteuern müssen, so ist das auch bei diesen beiden. Deutsch sprechen sie überhaupt nicht, nur Französisch und Pariserisch, wie er selbstironisch meint.

Bei ihr erleben wir zum ersten Mal gewisse Vorbehalte gegen die Kollaboration der beiden Staaten Frankreich und Französisch Polynesien. Sie ist ein klein bißchen gehandicapt durch eine Fußverletzung, für deren Behandlung sie im Krankenhaus mit einer Selbstbeteiligung zur Kasse gebeten wurde, und das macht sie wütend. All das hier, die schönen Straßen und überhaupt, das kommt aus französischen Steuergeldern, und sie muß hier zahlen, wenn sie krank ist, sie regt sich eine Weile auf. Ich muß an unseren Kannibalen von gestern denken, und seine Klagen über die Franzosen und ihren Einfluß auf sein Land. Auf jeden Fall haben wir jede Menge Gesprächsstoff, während wir in die Hochebene fahren.

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Auch die für nicht-englischsprachige Personen problematische Rückreise über die USA macht ihr Sorgen. Immer diese Formulare, alles nur auf Englisch. Daß vor einigen Tagen die Entscheidung gefallen ist, daß wir für die Rückreise über die USA keinen Test mehr benötigen, hatte sie noch nicht gehört und darüber ist sie dann sehr erfreut.

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Unser Guide, ein polynesischer Mitarbeiter der Lodge, fährt uns über die Serpentinenstraßen der Insel bis ins Tal von Taipivai. Etwas oberhalb des Tals machen wir einen Stop und werfen einen Blick in die Bucht.

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Da unten war es, daß Herman Melville, der Autor von Moby Dick, sich monatelang bei einem einheimischen Stamm versteckte. Er war, lange bevor er als Schriftsteller erfolgreich wurde, von einem Walfangschiff desertiert und in das Tal von Taipivai geflohen. Vor allem die Geschichten, die er später über diese Zeit veröffentlichte, trugen zu der Legendenbildung bei, Kannibalen verspeisten sich gegenseitig zum Mittag. Heute gehen Literaturhistoriker aber davon aus, daß er sich das angeblich Beobachtete ausdachte, um seine Erlebnisse abenteuerlicher wirken zu lassen.

Der Strand unten im Tal ist genau so silbriggrau wie in dem kleinen Dorf auf Hiva Oa. Und nicht nur das erinnert daran, auch hier wird fleißig Boule gespielt.

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Unten im Tal liegt ein kleines Dorf, auch hier, ganz ähnlich wie in Hapatoni auf Tahuata, sind Tische aufgebaut, auf denen Kunsthandwerk angeboten wird. Da heute Sonntag ist und vermutlich der Großteil der Künstler zuhause ist, hat die Oberaufsicht ein einzelner, ja, man kann es nicht anders sagen – Kannibale.

Er steht unserer Bekanntschaft von gestern in seinem wilden Erscheinungsbild in nichts nach. Alles da, die Gesichtstätowierungen, gepiercten Ohren, die massive Kette aus Wildschweinhauern. Er ist kleiner und drahtiger und hat das freundlichste Gesicht der Welt. Die angebotenen Waren sind schön, geschnitzte Samenkapseln als Schlüsselanhänger, Ketten aus Nüssen und vieles mehr, auch Tiki. Der Mister kauft einen hölzernen Tiki und ich zwei Schlüsselanhänger, einen für mich und einen als Geschenk. Alles ist für unsere Begriffe unglaublich günstig, 5 Euro kostet so ein opulent verzierter Schlüsselanhänger.

Alles wird sorgfältig unter dem Namen des Künstlers, in dessen Auftrag das hier verkauft wird, in ein Buch eingetragen. Wir taufen ihn den Buchhaltungskannibalen und fragen ihn, ob wir ein Foto machen dürfen. Mit Mister und Tiki. Er schaut erst ein bißchen schüchtern, taut dann aber schnell auf und macht eine Shaka-Geste.

Am Straßenrand große Gruppen freilaufender Pferde. Die Tiere sind nicht wild, sondern gehören irgendwem, bewegen sich aber frei über das Land, nach meinem Eindruck waren das immer die Stutengruppen mit den Fohlen.

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Geritten werden anscheinend vorwiegend die männlichen Pferde und die sah man häufig angepflockt an langen Seilen, wahrscheinlich, damit sie zur Verwendung schnell greifbar sind. Manche davon verheddern sich mit den Leinen im Gebüsch und bei weitem nicht alle hatten in Reichweite etwas zu saufen. Alte Reiterkrankheit, daß so etwas immer gleich auffällt, das wird vermutlich nie aufhören.

Auf so ein armes mit seinem Seil in ein Gebüsch verwickeltes Geschöpf treffen wir dann auch, als wir die Kultstätte von Teiipoka erreichen. Unseren Guide, der ja vermutlich regelmäßig mit Gästen hier vorbeikommt, scheint er zu kennen und begrüßt ihn mit einem Brummeln. Der hilft ihm dann auch gleich aus der Bredouille und das Pferd trollt sich zufrieden, soweit das Seil es zuläßt. Es grast zwischen den Marae und den am Hang verstreuten, mit Petroglyphen übersäten Felsbrocken.

Hier in Teiipoka gibt es nicht nur ein Marae, sondern auch sogenannte Paepae, Fundamente, auf denen früher Häuser standen, außerdem eine Sammlung von Tiki und die besagten Felsen, deren Inschriften bislang nicht richtig gedeutet werden konnten. Es sind somit eigentlich drei Kultstätten in einer, ein regelrechtes Kultstätten-Supercenter sozusagen.

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Wir klettern den Hang hinauf und unser Guide zeigt uns den wilden Kaffee, der hier am Hang wächst. Das Klettern ist übrigens schwieriger als gestern auf der Wanderung. Und diesmal haben wir selbst Flipflops an.

Weiter unten dann der gigantische Banyan

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zwischen dessen Wurzeln sich früher eine Grube für als Menschenopfer gedachte Gefangene befand.

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Das ist wirklich gruselig.

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Während wir den Baum noch bestaunen, passiert ein Reiter die Anlage und verschwindet im Wald, der Sattel mit Speer und Gewehr behängt, offenbar geht er auf Wildschweinjagd. Es hat ein bißchen was von Freilichtmuseum, ist aber tatsächlich der normale Alltag hier und nicht extra für uns inszeniert.

Hinter jeder Wegbiegung gibt es jetzt neue Ausblicke auf unser Ziel.

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Das Tal von Hatiheu mit seinen faszinierenden Felsformationen.

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Das Dorf liegt jetzt am Sonntag ruhig und verlassen da. Später werden wir hier essen, aber erst fahren wir weiter, so weit die Straße reicht. Das sind aber nur noch ein paar Kilometer bis sie endet. Hier gibt es nur noch eine verlassene Satellitenstation des Militärs. Von Ziegen erobert:

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Wir steigen aus und blicken über die Nordostküste von Nuku Hiva.

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Und hier liegt er dann und schläft. Der Drache. Ich finde es faszinierend, wie die Felsen bis ins Detail einem Drachen gleichen, inklusive Nasenlöchern und allem was dazugehört.

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Man erkennt ihn gut, oder?

Im Dorf von Hatiheu spielen ein paar Kinder im Wasser, ansonsten ist alles verlassen. An manchen Stellen hat der Sand die Farbe von Schokolade.

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Die einzige Gaststätte, Chez Yvonne, ist ebenfalls geschlossen, aber da unser Fahrer mit Yvonne verwandt ist, dürfen wir das Lokal für unser Picknick nutzen. Wir haben alles dabei und während ich dem Guide helfe, den Tisch zu decken, bereiten die beiden Französinnen den rohen Thunfischsalat vor, den Poisson Cru. Für den Mister gibt es genügend Fischfreies zu essen, unter anderem einen Nudelsalat mit Crevetten. Aus irgendeinem Grund bevorzugen alle den Poisson Cru, da hat er die Schüssel fast ganz für sich allein und ist glücklich.

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Danach haben wir Zeit zur freien Verfügung und alle schwärmen aus. Es gibt eine Kirche, zumindest gehe ich davon aus, denn da sie nicht abgeschlossen ist, ist es wohl eher kein protestantischer Tempel. Drinnen ist die Jungfrau Maria mit Leis behängt, es duftet betäubend.

Der Strand ist schwarzes Lavagestein.

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Ich setze mich in den Schatten neben einen kleinen Tiki und betrachte die Felszinnen, für die Hatiheu berühmt ist.

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Es ist ein bißchen unwirklich, wie die Felsnadeln von Ua Pou, fast ein bißchen wie aus einem Animationsfilm. Man kann sich kaum losreißen. Morgen werden wir abreisen und solche Gebirgslandschaften wie hier werden wir auf der letzten Etappe unserer Reise nicht mehr zu sehen bekommen.

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Dann geht es gemütlich im Sonnenschein zurück über die Insel und wir lassen den Nachmittag auf dem Balkon ausklingen. Der Mister bewundert seinen Tiki aus dem Tal von Taipivai

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bis es Zeit wird ins Restaurant aufzubrechen. Wir begegnen zum letzten Mal dem Ehepaar aus dem Fare Suisse, die morgen ebenfalls abreisen, und verabschieden uns. Dann gönnen wir uns noch einen letzten Cocktail und ein Entrecote mit Sauce bleue. Wir werden für eine ganze Weile nicht mehr so gut essen, das wissen wir jetzt schon ganz sicher, denn es liegt eine lange Zeit vor uns, in der ich unter primitivsten Umstände werde kochen müssen, und da ich ohnehin nicht kochen kann, sieht die Zukunft essenstechnisch nicht gerade rosig aus. Wir genießen jeden Bissen.

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Wir haben uns sehr wohl gefühlt, der Mister sogar so sehr, daß er nur wegen des Hotels wieder nach Nuku Hiva kommen würde. Ich schon allein wegen der Hochebene von Toovii, davon haben wir bislang viel zu wenig gesehen. Und nach Ua Pou müßte man auch mal, aber leider gibt es zum Zeitpunkt unserer Reise keine Flugverbindung mehr.

Wir wissen ja noch nicht, daß uns der morgige Tag noch einen echten Loïc-Moment bescheren wird und wir danach ganz sicher nach Nuku Hiva zurückkommen wollen.
Wenn du keine Kokosmilch hast, machste einfach normales Wasser.
- Grubi -

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Klara
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Re: Motus, Muscheln, Menschenfresser - Zwei Monate in Französisch Polynesien

Beitrag von Klara »

Suse hat geschrieben: 22 Mär 2023 17:08 Dann geht es gemütlich im Sonnenschein zurück über die Insel und wir lassen den Nachmittag auf dem Balkon ausklingen. Der Mister bewundert seinen Tiki aus dem Tal von Taipivai
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Der ist ja echt bildschön, würde sich in jeder Galerie gut machen. Aus was für Holz ist der?
Suse hat geschrieben: 22 Mär 2023 17:08 Wir wissen ja noch nicht, daß uns der morgige Tag noch einen echten Loïc-Moment bescheren wird und wir danach ganz sicher nach Nuku Hiva zurückkommen wollen.
Oh Mann, jetzt wird wieder die Spannung vor der Werbepause aufgebaut.
Danke+LG
Klara
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Suse
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Re: Motus, Muscheln, Menschenfresser - Zwei Monate in Französisch Polynesien

Beitrag von Suse »

Weil nur an wenigen Tagen der Woche Maschinen auf den Marquesas landen und abfliegen, ist an den Flugtagen natürlich die Hölle los. Alles was an Taxi- und sonstigen Transferunternehmen existiert, ist unterwegs, die Gäste zum Flughafen zu bringen und die Neuankömmlinge abzuholen.

Alle werden auf die Fahrzeuge verteilt und wir haben das Riesenglück, ein Fahrzeug für uns zu haben. Wir müssen unsere Fahrerin Fabienne mit niemandem teilen.

Das Auto ist ihr eigenes, das ist ihr Business, man kann sie für Inselrundfahrten buchen oder eben auch für Transfers. Fabienne ist eine der wuchtigen, selbstbewußten Marquesianerinnen, wie wir sie überall hier kennengelernt haben. Sie ist tiefenentspannt und zeigt das auch jedem, der ihr begegnet, durch ein fröhliches Winken mit der Shaka-Geste, wie es hier üblich ist.

https://www.liveabout.com/the-origin-of ... ka-3154912

Ob das Shaka-Zeichen tatsächlich seinen Ursprung in den abgetrennten Fingern eines brutalen Aufsehers hatte oder eine Variante des Victory-Zeichens ist, sicher ist, es ist hier auf den Marquesas ebenso gebräuchlich wie auf Hawai'i.

Fabienne fragt uns nach unserem Aufenthalt und wir erzählen ein bißchen. Daß wir vielleicht wiederkommen wollen, weil die Hochebene von Toovii so interessant aussieht und wir nur im Vorbeifahren ein paar kurze Blicke darauf werfen konnten. Na, sagt Fabienne, das können wir ändern, wir haben jede Menge Zeit, wir können überall anhalten, wo ihr wollt.

Und das wollen wir, immerzu und ständig.

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Die Straßenränder sind gesäumt von dicht mit Farnen bewachsenen Bäumen, Nestfarne, Schwertfarne.

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Weiter oben an den Hängen dann ganze Wälder von Cyatheen, Baumfarnen.

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Fabienne hält an wo es uns gefällt. Mitten auf der Straße, da passiert schon nichts, hier fahren alle langsam und um uns herum. Das Wetter hier oben ist wie üblich feucht und diesig, jetzt sind wir mitten in den Wolken. Es ist die selbe mystische Atmosphäre wie in Papeno'o. Nur daß wir diesmal alles bestaunen können, solange Fabienne uns läßt.

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Wir fotografieren wie verrückt und irgendwann fragt sie, für die das ja hier alltäglicher Anblick ist, was uns daran denn so fasziniert. Die Üppigkeit der immergrünen, feuchten Nebelwälder, sowas haben wir zuhause nicht. Wie ist es denn bei Euch, fragt sie, und ich sage, daß ich es bei uns auch schön finde, denn wo kein Winter, da auch kein Sommer und dieses Gefühl der erwachenden Natur im Frühling kann man nicht kennen, wenn man vorher nicht den Preis des Winters bezahlt hat. Wie, meint Fabienne, was ist denn im Winter? Naja, alles kahl, sage ich, keine Blätter an den Bäumen.

Fabienne macht große Augen, das hat sie noch nie gehört, ich muß ihr genau beschreiben wie das aussieht, nackte Äste ohne Blätter. Das findet sie ja ganz furchtbar. Sie war schon in Europa, als sie jünger war und von Beruf Tanzlehrerin, sogar zu Auftritten bis nach Japan, aber nie im Winter, kahle Bäume, das hat sie noch nie gesehen.

Wir werden uns noch wundern, wie oft wir das Wort Winter in den nächsten Wochen hören werden.

Fabienne stammt aus Ua Pou und wir erzählen ihr, daß wir von der Insel fasziniert sind und sie gern besucht hätten, es ja aber keine Flugverbindung gibt. Oh doch, die gibt es, die Helikopter, die jeden Tag über Taiohae fliegen, das sind keine Rundflüge, sondern die Flugverbindung von hier nach Ua Pou. Aber günstiger ist es mit der Fähre.

Hätten wir das gewußt. Nun müssen wir ganz sicher nochmal her. Sie hält mit uns am höchsten Punkt der Serpentinenstraße, bevor es wieder hinab geht in die Terre Déserte. Da hinten, das ist Ua Pou. Wenn man genau guckt, kann man sogar die unwirklich aussehenden Säulen erkennen. Faszinierend.

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Dann geht es langsam wieder abwärts und wir verlassen die Hochebene von Toovii. Unten, in der Terre Déserte liegt knapp außerhalb des Bergschattens der Grand Canyon von Nuku Hiva, eine völlig andere Landschaft. Es gibt so viel mehr an dieser Insel zu entdecken, als wir uns vorher überhaupt ausmalen konnten.

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Am Flugzeug gibt es eine herzliche Verabschiedung von Fabienne. Sie hat echte Loïc-Qualitäten und unserem Aufenthalt den besten Abschluß gegeben, den man sich vorstellen kann!

Dann geht es hinein in das Flugzeug

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und wir verlassen die nur halb gezähmte Inselwelt der Marquesas. Möge es ewig so bleiben!

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Als wir in Papeete ankommen, kommt es uns vor, als wären wir monatelange weg gewesen und nicht nur eine gute Woche.

Am Flughafen laufen ein paar aufgeregte Menschen auf uns zu, großes Hallo, es sind die Leute, mit denen zusammen wir auf Rangiroa in der Blauen Lagune auf Palmendieb-Jagd gegangen sind. Man läuft sich hier einfach immer wieder über den Weg! Wir warten gemeinsam auf unsere Transfers. Dann erscheint Thérèse diesmal persönlich und wir fahren ins Fare Suisse.

Ein Tag voller Umräumereien und des Kofferumpackens liegt vor uns. Was wir jetzt brauchen, sind unsere ollsten Klamotten, die hinterher in die Tonne können. Dazu Pizza und Beni-Brot zum Frühstück. Und weil wir nicht richtig wissen, was wir von unserer letzten Station erwarten können, verpassen wir die Chance, im Champignon noch mal richtig zuzuschlagen.

Bevor wir am übernächsten Tag zum Flughafen gebracht werden, nehme ich eine endlose Dusche. Ich werde in den kommenden zwei Wochen so viel Wasser sparen, das gönne ich mir jetzt. Es wird die letzte heiße Dusche für lange Zeit. Am Flughafen nutzen wir nochmal die Gelegenheit, im lokalen McDonald's zu essen, Postkarten einzuwerfen und überhaupt nochmal den Trubel der Zivilisation zu genießen, denn jetzt geht es in die Inselgruppe, die von der der Marquesas maximal entfernt liegt.

Zur Erinnerung an die Dimensionen, die dieses Land hat:
mr.minolta hat geschrieben: 10 Feb 2023 00:57
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Da oben ganz rechts waren wir gerade und nach da ganz unten in der Mitte fliegen wir jetzt. Auf die Austral-Inseln, so weit südlich, daß sie schon knapp unterhalb des Wendekreises des Steinbocks liegen, also außerhalb der tropischen Zone.

Unser Ziel heißt Raivavae, eine Insel, deren Schönheit uns schon auf Fotos überwältigt hat, mit ihrem Atollring und der türkisblauen Lagune. Dort werden wir uns aussetzen lassen, auf einem einsamen Motu direkt am Riff.

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Zehn Tage Robinson-Leben auf unserer eigenen Insel, ohne Butler, ohne Zimmerservice.
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Pico
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Re: Motus, Muscheln, Menschenfresser - Zwei Monate in Französisch Polynesien

Beitrag von Pico »

Suse hat geschrieben: 22 Mär 2023 22:40

Unser Ziel heißt Raivavae, eine Insel, deren Schönheit uns schon auf Fotos überwältigt hat, mit ihrem Atollring und der türkisblauen Lagune. Dort werden wir uns aussetzen lassen, auf einem einsamen Motu direkt am Riff.

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Zehn Tage Robinson-Leben auf unserer eigenen Insel, ohne Butler, ohne Zimmerservice.
Man denkt, es kann bei eurer Reise eigentlich keine Steigerung mehr geben, aber dann war da ja noch diese Robinson-Insel...

Einfach umwerfend was ihr für teilweise grundsätzlich gegensätzliche Extreme erlebt habt; das können nur wenige von sich behaupten, und ich gönne es euch absolut.
Dafür bekommen wir ja auch einen so spannenden Bericht, ein wenig so als ob wir selbst dabei gewesen wären. ;-)

Bin gespannt auf eure einsame Gesellschaft mit Krebsen & Co!
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mr.minolta
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Re: Motus, Muscheln, Menschenfresser - Zwei Monate in Französisch Polynesien

Beitrag von mr.minolta »

Pico hat geschrieben: 23 Mär 2023 13:41Dafür bekommen wir ja auch einen so spannenden Bericht, ein wenig so als ob wir selbst dabei gewesen wären. ;-)

Bin gespannt auf eure einsame Gesellschaft mit Krebsen & Co!
Vielen Dank! :D

Die Krebse waren diesmal allerdings rar! Und irgendwie war ja auch zu erwarten, daß sich das, was wir in dieser Hinsicht auf Luahoko erlebt haben, nicht unbedingt wiederholen würde.
Es scheint, daß es neben der Republik der Seychellen auf der Welt kein zweites Land gibt, das für sich selbst derart ausdrücklich mit besonderem Umweltschutz wirbt und in der Realität so unfaßbar dreist das absolute Gegenteil davon praktiziert.
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mr.minolta
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Re: Motus, Muscheln, Menschenfresser - Zwei Monate in Französisch Polynesien

Beitrag von mr.minolta »

Die Spannung war groß!

Drei Jahre nach Luahoko wollten wir diese Erfahrung nur allzu gerne wiederholen und recherchierten eine halbe Ewigkeit über vergleichbare Objekte in Französisch Polynesien. Schließlich hatten wir Erfolg. Nochmals preiswerter als in Tonga wurde hier auf Raivavae etwas ganz Ähnliches angeboten und es schien sogar noch unbekannter und weniger frequentiert zu sein. Wenn man denn schon Tahiti an sich als das Ende der Welt betrachten möchte, so ist man auf Raivavae mit Sicherheit dort angekommen.

Die letzte Nacht im Fare Suisse auf Tahiti verbringen wir abermals in einem anderen Zimmer. Diesmal ist es "Tubuai", die Insel, auf der wir auf dem Weg nach Raivavae einen Zwischenstop einlegen würden. Und der gestaltet sich unerwartet langwierig. Etwa eineinhalb Stunden dauert es, die Maschine zu ent- und beladen und außer uns sind ausschließlich Einheimische unterwegs, deren Familien sie auf dem Flugplatz erwarten bzw. verabschieden wollen. Will man sich beschweren? Nein, es gibt Schlimmeres als 90 Minuten lang in der Südsee auf einer Brüstung zu sitzen, in die warme Sonne zu blinzeln, das bunte Treiben zu beobachten und dabei auch noch bestens von einer Kannibalen-Trommeltanzgruppe unterhalten zu werden, womit die Situation bei diesem Zwischenstop hinreichend beschrieben wäre. Ein toller Einstieg, noch bevor das Abenteuer so richtig losgehen sollte.


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Als wir mit reichlich Verspätung schließlich auf Raivavae landen, ist es früher Abend. Da die Insel nur einen sehr schmalen Küstenstreifen hat, wurde der Flugplatz auf's Wasser gebaut und liegt nun völlig separat neben der eigentlichen Landmasse in der Lagune. Irgendwie scheint das auch ein Sinnbild dafür zu sein, daß Tradition und Moderne hier auf Raivavae nicht so richtig zueinander finden wollen. Auch können wir zum Zeitpunkt der Landung noch nicht wissen, daß wir hier gleich als besondere Attraktion empfangen werden. Madame Odile, unsere Herbergsmutter und prominente Dame der Insel, hat sich ihr bestes Kleid angezogen und kommt persönlich zum Flugplatz, um uns abzuholen. Von ihr erfahren wir sogleich, daß wir in der ersten Woche unseres Aufenthalts die einzigen Touristen auf dem ganzen Atoll sein werden.

Wir können es nicht fassen, es ist wie im Märchen.


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Re: Motus, Muscheln, Menschenfresser - Zwei Monate in Französisch Polynesien

Beitrag von mr.minolta »

Madame Odile war für lange Zeit (die) Lehrerin auf Raivavae. Sie kennt jeden der 995 Einwohner der Insel und jeder kennt sie. Eine sehr sympathische, gebildete Frau, die das Familienheim mittlerweile zu einer kleinen Pension ausgebaut hat und sie ist nicht die einzige, die auf diesem Wege ein Zubrot verdienen will. Natürlich kennt sie die fünf Konkurrenten, die sich um die wenigen Urlauber schlagen. Zum Teil ist es die direkte Verwandtschaft, die ein Stück vom Kuchen abhaben will und noch Tage später ist ihr anzumerken, wie stolz sie darauf ist, daß wir ausgerechnet bei ihr abgestiegen sind. Wir werden regelrecht vorgeführt. Auf einer Inselrundfahrt, die sie mit uns macht, wird an jedem schlecht sortierten Laden angehalten, damit die Leute sehen können, daß sie Gäste hat. Noch gegen Ende unseres Aufenthalts werden wir von wildfremden Menschen auf der Straße angesprochen und gefragt, wie es uns denn auf ihrer schönen Insel und bei Madame Odile so gefallen hat. Es ist unfaßbar, hier scheint es niemanden zu geben, der nicht über unsere Ankunft informiert worden ist. Zwei deutsche Touris als die Sensation auf einem Felsen unterhalb des südlichen Wendekreises.

Raivavae hat kein Hotel, keine Bank, kein einziges Restaurant, natürlich auch kein Krankenhaus und nicht mal eine Apotheke. Wie schon auf den Marquesas, so ist für die Einheimischen auch hier ein Leben ohne Geld möglich. Du willst ein Haus bauen? Alles, was man dafür braucht, gibt es im Wald und am Berg und wer Hunger hat, hält die Angel in's Wasser oder streckt die Hand nach den Früchten aus, die überall wie Unkraut wachsen und gedeihen. Die Anschaffung eines Autos oder Handys scheint durch die Sozialleistungen des Staates ermöglicht zu werden und ansonsten freut man sich des Lebens. Höhepunkt des Alltags ist dann die Ankunft eines Fliegers, mit dem Verwandte oder Freunde anreisen, die man am Flughafen mit großem Tamtam begrüßt. Wiederum voll Stolz erzählt uns Odile, daß ihr Ältester der Chefmechaniker von Toyota in Papeete ist. Er besucht sie regelmäßig und repariert natürlich ihr Auto mal eben in aller Schnelle, wenn er schon mal da ist. Da sei sie privilegiert und alle anderen Inselbewohner hätten ein Problem, denn auf Raivavae gibt es, Ihr habt es erraten, natürlich auch keine Autowerkstatt...


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Wir kommen in einem kleinen Anbau unter, in dem die Familie eine Handvoll Gästezimmer eingerichtet hat. Das Ganze ist bescheiden einfach gehalten, wenn auch sehr sauber. Es gibt ein Bett, ein Schränkchen und einen Klapptisch auf der Terrasse. Stühle dürfen wir uns von den Terrassen der anderen Gästezimmer holen. Wir nutzen sie unter anderem als Nachttische und Ablage für Kleidung etc..


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Zur Mittagszeit bringt uns Odile ein frisches Baguette auf's Zimmer und merkt an, der WLAN-Zugang sei auf einem Tisch vor dem Speisesaal notiert. Nur genau hier habe man auch Empfang, sagt sie und wir denken nur, eine noch längere Kennung hätte man sich wohl kaum ausdenken können, aber zuvor sind wir noch davon ausgegangen, daß wir hier gar keinen Internet-Anschluß haben würden, also freuen wir uns zunächst. Da können wir noch nicht wissen, wie grottenlangsam die Verbindung sein wird...


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Frühstück und Abendessen gibt es im großen Speisesaal des Haupthauses, den wir natürlich für uns allein haben. Odile leistet uns dabei Gesellschaft und wir planen das jeweilige Programm für den nächsten Tag. Vorgesehen sind fünf Tage auf der Insel in der Pension, bevor wir dann für weitere neun Tage auf einem winzigen Motu am Außenriff der Lagune ausgesetzt werden. Dort hat ihr Ehemann eine Unterkunft für die Gäste gebaut, die mal das Gefühl haben wollen, die einzigen Menschen auf der Welt zu sein, während sie ausgestreckt am privaten Strand der privaten Insel auf die menschenleer türkise Lagune schauen, den Blick über die Gebirgszüge Raivavaes schweifen lassen und sich ansonsten nur der Frage widmen müssen, ob nun die gelben oder die braunen Kokosnüsse, die jeden Tag wie im Schlaraffenland dutzendweise von den Bäumen fallen, die wohlschmeckenderen sind.

Ja, genau das wollen wir!
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Re: Motus, Muscheln, Menschenfresser - Zwei Monate in Französisch Polynesien

Beitrag von mr.minolta »

Nachdem wir uns also häuslich eingerichtet haben, schauen wir uns ein bißchen die nähere Umgebung an. Die Familie hat drei Wachhunde, die uns sofort als dazugehörig registriert und in ihr Herz geschlossen haben. Gegenüber allen anderen Fremden, auch den unmittelbaren Grundstücksnachbarn, verteidigen sie das Revier allerdings sehr zuverlässig und furchteinflößend. Bei jedem Gang, den ich vom Zimmer aus über das Grundstück bis zum Ufer mache, begleiten sie mich schwanzwedelnd und aufgeregt. Wenn ein Mensch zum Wasser geht, so denken sie, muß wohl irgendetwas Wichtiges passieren. Da müssen wir dabei sein! Nach einem heftigen Gewitterregen über der Lagune will ich ein paar Fotos machen und unvorhergesehen werden die Hunde dabei zum Hauptmotiv.


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Die Lagune von Raivavae bei besserem Wetter. Ein Einheimischer bahnt sich auf der Suche nach Muscheln und Oktopus seinen Weg durch's Riff. Da ganz hinten am Außenriff liegen die kleinen Inseln, von denen eine in ein paar Tagen unsere neue Heimat sein wird.


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Und bei diesem Anblick haben wir lange gerätselt. Warum hängen die ihre Bananen so sorgfältig über dem Wasser auf? Bleiben sie da länger frisch? Sind es Köder für den seltenen Bananenfresserbarsch? Ansonsten wäre es doch bekloppt, da jedesmal auf's Wasser rauszulaufen, wenn man mal eine pflücken will. Die Antwort ist so einfach wie unerwartet: Bananen ziehen auf Raivavae alle denkbaren (Haus)tiere magisch an, aber Schweine, Hunde und Hühner gehen nicht gern in's Wasser.


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Re: Motus, Muscheln, Menschenfresser - Zwei Monate in Französisch Polynesien

Beitrag von Suse »

Die ersten Tage auf Raivavae ist das Wetter durchwachsen. Ihr hättet früher kommen sollen, hören wir nicht nur einmal. Wir wollten den Aufenthalt auf unserem Motu eben gern als Höhepunkt der Reise ans Ende setzen, aber meteorologisch war das die falsche Entscheidung, denn jetzt herrscht hier Winter, pünktlich am 21. Juni beginnt er. Was die Dämmerungszeiten anbetrifft macht es keinen Unterschied, dazu sind wir noch immer noch zu nah am Äquator, es wird gegen 18 Uhr dunkel.

Im Schatten des Höhenzuges, der Raivavae in zwei Hälften teilt, wird es auch recht schnell frisch, weshalb wir uns gern in Begleitung der Hunde vorn am Wasser aufhalten. Auf der Ringstraße, die um die Insel führt, ist wenig los. Gelegentlich kommen Einheimische vorbei, die Tüten mit Kokosnüssen oder anderem Obst und Gemüse tragen. Selten ein Auto, darunter ein alter Golf. Ansonsten die allseits beliebten Elektrofahrräder. Alle Locals, die an unserer Pension vorbeikommen schwenken die Shaka - Hand 🤙 und grüßen. Alle sind sehr freundlich, aber sprechen tun wir mit wenigen, wir werden rundum versorgt von Odile.

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Odile teilt gern ihr Wissen mit uns. Die Sprache der Austral-Inseln ist, anders als die der Gesellschaftsinseln, auch ein bißchen härter und rauher. Nicht so wie das Marquesianisch, mehr so im Detail. Die Grammatik ist die selbe wie auf Tahiti, nur anstelle des gerollten "R", das ja auch das Französisch der Polynesier einfärbt, spricht man hier einen harten Verschlußlaut, ein "G". Somit heißt die Insel genau genommen auch Gaivavae und die Begrüßung, wenn wir den vorbeiradelnden Gaivavaianern antworten wollen, nicht Ia Orana, sondern Ia Ogana.

Im Speisesaal gibt es eine Auswahl an Büchern, darunter viele Schulbücher, vermutlich aus ihrer aktiven Zeit als Lehrerin. Einige davon nehme ich mit ins Zimmer als Bettlektüre. Da lese ich dann auch noch mal die Geschichte unseres ersten Tiki auf Tahiti, der sich vor knapp 100 Jahren für die Umsiedlung gerächt hat. Die dreiköpfige Tiki-Familie stammt von hier und da sich die Bewohner der Insel weigerten, beim Abtransport der Figuren zu helfen, fiel das Kind vom Boot in den Ozean. Wer wäre da nicht zornig?

Natürlich warten wir nicht nur auf die Weiterfahrt aufs Motu, sondern möchten auch Gaivavae selbst kennenlernen. Auch dafür ist Odile genau die richtige Ansprechpartnerin. Sie fährt uns im Toyota zu allem, was an der Insel sehenswert ist, und tatsächlich hat die ein paar Besonderheiten.

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Am Küstenstreifen vereinzelte Auslegerkanus, gelegentlich ein angepflocktes Pferd. Auffällig ist, daß die Ufer alle befestigt sind und Odile erzählt uns, daß ihr Mann regelmäßig Felsbrocken aus der Bergwand hinter der Pension holt, um weiter aufzuschütten. Der steigende Meeresspiegel mache allen zu schaffen, während der feuchten Jahreszeit, im hiesigen Sommer, sei die Straße regelmäßig überspült, und das, obwohl wir hier auf der trockeneren, regenabgewandten Seite sind.

Wenige Kilometer weiter dann die erste Sehenswürdigkeit, eigentlich sind es zwei, die zusammengehören. Zwei Felsen, einer direkt am Ufer, ein weiterer, eigentlich eine kegelförmige Insel, etwas weiter draußen in der Bucht, das sind Ruatara und Hotuatua, der Felsen des Mannes und der Felsen der Frau.

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Die Legende besagt, daß die Frauen eines Dorfes die Männer eines anderen Dorfes zu einem nächtlichen Wettkampf herausforderten, wer einen Felsen weiter hinaus in die Lagune tragen könne bevor der Hahn kräht. Der Mann, der sich der Frau weit überlegen fühlte, trug seinen Felsen bis an den Strand und legte sich dort siegessicher schlafen, nicht ahnend, daß die Frau ihm dicht auf den Fersen war und und ihren Felsen bis zum ersten Hahnenschrei hinaus ins Meer tragen würde. Als genau das geschehen war und die Frau ihren Konkurrenten schlafend am Strand vorfand, versteckte sie sich im Gebüsch und ahmte den Hahnenschrei nach, so daß der Mann glaubte, der Wettkampf sei verloren. So liegt der Felsen des Mannes, Ruatara, bis heute am Strand.

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Die Moral der Fabel dürfte selbsterklärend sein. :wink:

Auf der anderen Inselseite ist die Vegetation wesentlich üppiger und tropischer. Das ist die Nordseite, und wie auf der Südhalbkugel eben alles umgedreht ist, ist das hier die Seite, auf der das Klima günstiger ist. Im australischen Sommer, wenn die Winde aus Nordost kommen, hält der höchste Berg Raivavaes, der Mont Hiro, den Regen auf, und so wirkt diese Inselseite wie ein riesiger Gemüsegarten. Hier wachsen üppige Angiopteris evecta, die Nahe, die wir schon aus Tahiti kennen.

Von der Ringstraße zweigt eine einzige Querstraße ins Inselinnere ab, die Traversière. An ihrem Fuß ein Warnschild. Kein Autoverkehr erlaubt, auch Fahrradfahren nicht. Das liegt an dem unglaublichen Gefälle, es sei zu viel passiert, Bremsen die versagen, Radfahrer die die Geschwindigkeit unterschätzen, die sie erreichen. Aber zu Fuß ist die Inseldurchquerung erlaubt und Odile rät uns auch dazu, von unserer Inselseite aus erreiche man auf diesem Weg im Wald eines der schönsten Marae ganz Französisch Polynesiens.

Da sich die Wanderung auf den Mont Hiro, mit der wir anfangs geliebäugelt haben, nach allem, was ich über den Schwierigkeitsgrad der Wanderung inzwischen gelesen haben, wohl ohnehin nicht verwirklichen wird, zumindest nicht für mich, finde ich die Traversière nun umso interessanter. Vom höchsten Punkt aus habe man schon einen schönen Blick über die Lagune, sagt Odile, sie möge die Traversière sehr und ginge sie selbst öfter.

Auf eigene Faust nie gefunden hätten wir wohl die Attraktion Raivavaes, die lächelnde Prinzessin.

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Der kleine Tiki steht im Wald hinter einem verlassenen Haus, es sieht von der Straße nach Privatgrundstück aus, ist aber nur noch von Hühnern bewohnt, aber allein hätten wir uns wohl nicht getraut, das einfach zu betreten. Hinweisschilder fehlen völlig, und auch sonst wirkt die kleine Prinzessin etwas vernachlässigt. Sie ist vollständig von Flechten überwuchert, und dabei ist sie so niedlich. Sie hat ein freundliches Lächeln und irgendwie weckt sie sofort meinen Beschützerinstinkt. Irgendwie machen sie das auf Hiva Oa besser, da werden sogar die bösen Tiki mit einem Häuschen versehen. So etwas würde ich der Prinzessin auch wünschen. Sie wirkt so verlassen und schutzlos, wie sie hier ganz allein im Wald steht. Aber vermutlich mache ich mir da unnötig Gedanken. So ein Tiki sollte ein starkes Mana haben und kann sich sicher selbst um sein Schicksal kümmern.

Der Rest der Inselrundfahrt zeigt uns ein bißchen Zivilisation, den Hafen und den einzigen Geldautomaten. Da die Pensionen nur Bargeld nehmen, ist es ratsam, gleich von Anfang an genügend dabei zu haben. In unserem Zimmer hängt ein dezenter kleiner Hinweis, daß Transferfahrten zum ATM kostenpflichtig sind.

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Ein Besuch in einem kleinen Souvenirshop rundet die Tour ab. Ich kaufe zwei kleine geflochtene Armbänder mit Muscheln, als Mitbringsel. Ansonsten haben wir genügend Leis aus Muscheln und Pflanzensamen und Nüssen, die wir auf den jeweiligen Inseln zum Abschied bekommen haben, und dazu zwei wunderschöne Perlen aus Rangiroa. Wir sind gut versorgt, der Kauf ist eher, um den Künstlern ein bißchen was zukommen zu lassen, aber davon abgesehen, sind die Sachen auch wirklich hübsch.

In den nächsten Tagen leihen wir uns Fahrräder, die in erstaunlich gepflegtem Zustand sind, besser als alles, was wir in der ungleich teureren Vanira Lodge oder im Maitai bekommen haben. Das ist Odiles Mann, der sowas alles in Schuß hält.

Wir fahren einen Teil der Inselrundfahrt nochmals mit dem Rad ab. Die Räder sind auch hier gangschaltungslose Beach Cruiser, fahren sich aber sehr leicht. Wir halten immer wieder an und fotografieren die Felsen und versuchen "unser" Motu draußen im Riff auszumachen. Langsam wird es ernst.

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Im Gegensatz zu unserer Insel in Tonga soll unser zukünftiges Motu relativ komfortabel ausgestattet sein. Während ich dort auf offenem Feuer kochen mußte, gibt es hier einen Gasherd. Wir werden einen Pflock zum Öffnen der Kokosnüsse und eine Raspel haben, aber keinen Kühlschrank.

Nach allem, was ich an Lebensmittelgeschäften auf der Insel bislang gesehen habe, habe ich wenig Hoffnung, daß wir besonders abwechslungsreich essen werden, wenn wir erstmal auf dem Motu sind. Hier wird wenig Gemüse im Laden gehandelt, das bauen die Leute alle selbst im Garten an. Es wird auf Nudeln mit Ketchup und Nudeln mit Bolognesesauce hinauslaufen, fürchte ich.

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Und so kommt es dann auch. Unter großer Anteilnahme der vor dem Laden herumstehenden Einheimischen gehen wir mit Odile einkaufen.

Die Ladenbetreiberin ist eine ehemalige Lehrerkollegin von Odile und sehr hilfsbereit, aber sie kann auch nichts daran ändern, daß das Versorgungsboot lange nicht dort war und alles, was auch wir gern essen würden, von der Inselbevölkerung längst aufgekauft wurde. Kein Scheiblettenkäse, der ohne Kühlung haltbar ist. Wenig Gemüse. Ich kaufe tonnenweise Zwiebeln, damit kann man immer etwas Geschmack ins Essen bringen. Mehl lasse ich gleich weg, ich wüßte nichts damit anzufangen, wenn ich keine Eier habe, mit denen ich einen Teig anrühren könnte. Dafür jede Menge Reis, als Alternative zu den Nudeln, und zwei große Flaschen Sweet Chili-Soße. Die geht immer.

Beim nächsten Mal sind wir schlauer, da kaufen wir alles, was haltbar ist, vorher im Champignon in Papeete ein. Unsere Ausbeute ist tatsächlich mager. Die Hauptsache ist aber das Wasser. Wie eigentlich alle Motus hat auch unseres keine Süßwasserquelle, also müssen wir literweise Trinkwasser mitnehmen, und hier zahlt sich unsere Erfahrung aus. Wir wissen ziemlich genau einzuschätzen, wieviel wir brauchen und am Ende haben wir einen Sicherheitsrest von mindestens fünf Litern übrig, obwohl hier in der geschützten Lagune kaum die Gefahr besteht, daß wir nicht pünktlich abgeholt werden könnten.

Eigentlich ist der Plan ja auch, daß die Gäste sich ihren Speiseplan durch Fischen aufpeppen sollen. Da das bei uns ja wegfällt, bleibt uns als Alternative das Ernten von Bénitiers, Mördermuscheln. Das haben wir noch nicht gemacht und Odile, deren Abendessen auch sonst immer sehr abwechslungsreich sind, serviert uns daraufhin ein Ragout aus Bénitiers. Ich finde es schon lecker, aber das liegt vor allem an der Béchamel-Sauce mit der sie überbacken sind. Der Mister ist vollkommen vom Hocker gehauen, mal sehen, wie viele Mördermuscheln wir in der kommenden Woche so essen werden.

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Odile zeigt sich sehr interessiert daran, daß wir so etwas schon gemacht haben. Außer uns ist nur ein einziges Mal eine Gruppe Besucher aus Kanada länger als eine Woche draußen geblieben, die meisten Gäste machen nur eine Nacht und dann genügt es ihnen auch schon. Alle zwei Tage wolle sie nach uns gucken kommen, aber das muß für sie umständlich sein ohne Ende und so nett Odile und ihr Mann auch sind, legen auch wir wenig Wert darauf, daß sie alle zwei Tage zu uns herausgefahren kommen. Als ich ihr erzähle, daß wir in Tonga ein Notfallhandy von der Pension bekommen haben, sieht man förmlich eine kleine Osram-Glühbirne über ihrem Kopf aufleuchten. :idea: Welcher ihrer Familienangehörigen dann zwei Tage später für uns sein Smartphone herausrücken mußte, wissen wir bis heute nicht. :wink:
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Suse
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Re: Motus, Muscheln, Menschenfresser - Zwei Monate in Französisch Polynesien

Beitrag von Suse »

Unser letzter Tag in der Pension bricht an. Nach dem Frühstück packen wir ein bißchen zusammen, unsere gekauften Lebensmittel werden von Odile und ihrem Mann schon in den Toyota geladen, der uns morgen zum Boot bringen wird, mit dem wir übersetzen.

Währenddessen klart es sich auf, es sieht so aus, als hätten wir Glück und bekämen eine Schönwetterperiode, wenn wir auf der Insel sind. Es ist auch hier, auf Raivavae selbst, die letzte Gelegenheit, noch ein paar Unternehmungen zu wagen. Um durch das schwere Fotoequipment nicht belastet zu sein, gehen wir nacheinander und ich verspreche, mittags wieder zurück zu sein, damit auch der Mister noch los kann.

Der Eingang zur Traversière ist auf unserer Inselseite ziemlich nah an der Pension. Auch hier das Warnschild, genau wie auf der Nordseite: Keine Kraftfahrzeuge, kein Fahrradfahren.

Zuerst ist es eine unauffällige Straße, an der die letzten Häuser des Dorfes stehen. Überall Hühner und freilaufende Schweine, Obst- und Gemüsepflanzungen, von den Bäumen hängt das Spanish Moss. Als ich den Ort hinter mir gelassen habe, wird der Weg langsam steiler, aber das ist noch gut machbar. Ich halte die Augen auf, um den Eingang in den Wald zum Pua Pua Tiare Marae nicht zu verpassen, das Odile als eines der schönsten, wenn nicht das schönste ganz Französisch Polynesiens bezeichnet hat.

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Das ist dann tatsächlich nicht nur Nationalstolz, das Marae ist wirklich ungewöhnlich, die Steinstelen, die die Plattform, auf der früher die rituellen Tänze und Handlungen abgehalten wurden, einrahmen, sind ungewöhnlich zahlreich erhalten. Eigentlich sieht es aus wie ein Mini-Stonehenge.

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Wenn man an einem solchen Ort ganz allein im Wald ist, muß man nicht unbedingt ein spiritueller Mensch sein, um davon beeindruckt zu sein.

Nach dem Marae macht die Straße dann richtig ernst und jetzt wird mir auch klar, weshalb man hier nicht Fahrrad fahren darf. Es sollen schon Menschen bei dem Versuch ums Leben gekommen sein. Gefühlt hat das hier 50 % Gefälle, in Wirklichkeit vermutlich die Hälfte, aber je höher ich dem Scheitelpunkt der Straße komme, desto mehr habe ich das Gefühl, mit dem Körper parallel zur Straße zu laufen. Hätte man Flipflops an, würde man wahrscheinlich einfach herausrutschen. Der Belag ist einfach Beton, den man mit Querrillen versehen hat, entweder um die Wassermassen zu bremsen, die hier bei einem Tropenregen vermutlich herunterrauschen, aber es gibt auch ganz guten Halt. Meine Schuhe mit Profilsohlen können da regelrecht einhaken und so komme ich keuchend und schnaufend vorwärts. Ich muß alle paar Meter verschnaufen, es ist noch um einiges steiler als der Weg aufs Adlernest auf La Digue.

Aber irgendwann bin ich oben und kann erkennen, daß es ein Stück weiter die Straße entlang dann wieder abwärts geht. Links von mir der Höhenrücken, der in den Kamm mündet, der irgendwann der Mont Hiro wird. Rechts von mir fällt das Land steil ab zur Küstenstraße. Hier am Hang stehen viele abgestorbene Bäume, was dem ganzen eine gewisse Oberharz-Atmosphäre gibt. Aber das ist überhaupt nicht nachteilig. Es hat so etwas Vertrautes.

Und der Ausblick ist großartig. Da unten liegt die Lagune, ein Anblick, der einen ganz schnell wieder daran erinnert, wo man ist.

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Hinunter geht es dann langsam, um nicht ins Trudeln zu kommen, aber ich schaffe es pünktlich zurück in die Pension, damit der Mister zu seinem Abenteuer aufbrechen kann.
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mr.minolta
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Re: Motus, Muscheln, Menschenfresser - Zwei Monate in Französisch Polynesien

Beitrag von mr.minolta »

Nachdem Suse nun das untere Terrain erkunden konnte, mache ich mich an diesem letzten Nachmittag auf den Weg zum Mont Hiro. Nach dem Aufenthalt auf dem Motu werden wir nämlich keine Gelegenheit mehr zum Bergsteigen haben und auch heute ist die Zeit bis zur Dämmerung eher knapp bemessen. Die letzten Tage ließ der Sonnenschein etwas zu wünschen übrig und Sinn der Sache ist ja ein brillianter Blick über Insel und Lagune, also jetzt oder nie!

Leichtes Gepäck ist angesagt, die schwere Kameraausrüstung lasse ich zuhause. Mit Camcorder und Handy bewaffnet geht es los. Dazu Wasser im kleinen Rucksack. Odile wirbt damit, den besten und in diesem Bereich der Küste wohl auch einzigen Zugang zum Berg gleich auf ihrem Grundstück hinter'm Haus zu haben. Für uns als ihre Gäste ist das natürlich sehr bequem. Sie weist mir den Weg durch Gemüsebeete und Bananenstauden und schon steh ich nach ein paar Schritten mitten im Regenwald. Der Weg sei markiert, sagt sie, und tatsächlich gibt es in großen Abständen rote Plastikbandfetzen, die an Baumstämmen und Zweigen befestigt wurden. Erklärt sich der Weg zunächst noch von selbst, wird er mit der Zeit immer unkenntlicher und die Markierungen lassen irgendwann auch zu wünschen übrig. War ja klar, denke ich, ist doch überall auf der Welt dasselbe. Und die 30 Minuten bis zum Gipfel, die mir Odile als Hausnummer mitgab, sollten sich auch als vollkommen unrealistisch erweisen.


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Ich habe im Laufe der Zeit so einige Wanderungen in tropischen Wäldern gemacht, aber die Bedingungen sind jedesmal anders und was mich hier in schieres Erstaunen versetzt, ist das für einen als mittelschwer beschriebenen Wanderweg geradezu brutale Gefälle, das mich nach ca. 15 schnell gegangenen Minuten erwartet. Da haben sie doch tatsächlich dicke Plastikkabel um die Bäume gespannt, an denen man sich den Hang hochziehen soll bzw. muß. Jeder Versuch, das auf andere Weise zu bewältigen, ist sofort zum Scheitern verurteilt und selbst auf allen Vieren ist es unmöglich, weil der Untergrund entweder stark verdichtet und glattgeschliffen oder gleich so matschig ist, daß gar nichts mehr geht. Das Problem mit dem Kabel hingegen ist, daß man fast sein ganzes Körpergewicht daran hochziehen muß. Die Beine dienen dabei nur der Abstützung nach unten, richtige Schritte kann man kaum machen, man rutscht sofort weg. Ich tu mich immer schwer mit den unsinnigen Prozentangaben für's Gefälle und hab das eben mal nachgelesen. Der Winkel betrug an einigen Stellen 40 bis 50 Grad und das sind dann etwa 120 Prozent.


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Schon die erste Kabel-Etappe ist eine Herausforderung und nach der zweiten muß ich erst mal Pause machen, aber wo? Nirgends eine Möglichkeit, sich zu setzen und sei es bloß ein Baumstumpf oder Felsen. Man hängt erschöpft im Hang und die vorhandenen ebenen Stellflächen sind kaum größer als die eigenen Füße. Ich schätze die Kabelorgie auf etwa 50 Streckenmeter, habe fast die Hälfte davon geschafft und mir wird klar, daß das mit dem Gipfel heute nichts mehr werden wird. Aber egal, es geht weiter, Meter um Meter und schließlich bin ich wieder auf so etwas wie einem richtigen Weg.


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Die Umgebung ist eindrucksvoll. Dichter Baumbestand wechselt mit morschem Unterholz, ab und zu eine Palme und es ist totenstill hier oben. Der Wald dämpft sämtliche Geräusche vom Meer und die windigen Freiflächen im oberen Bereich habe ich noch nicht erreicht. Als ich aus dem Wald heraustrete, betrete ich ein mehrere Quadratkilometer großes Farnfeld, durch das ein schmaler Pfad führt, den man begehen kann. Es ist eher eine Rinne, gerade so breit, daß man nur einen Fuß nach dem anderen setzen kann und es ist matschig. Etwas Halt bieten lediglich die dürren Farn-Strippen links und rechts, die bis auf Kopfhöhe reichen und für blutige Striemen an den Armen sorgen. Unter diesen Bedingungen komme ich kaum voran und immer wenn ich glaube, das Ende des Feldes erreicht zu haben, tut sich sogleich das nächste auf... Ich steh jetzt mittendrin in dem, was von unten und aus der Entfernung wie eine bemooste Hochebene aussieht und in Wirklichkeit ein Wald aus Farnen ist. Durch eine lichte Baumreihe hindurch kann man bereits die Lagune sehen.


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Noch 15 Minuten lauf ich weiter, bis ich fix und fertig bin. Ich finde einen schräg abfallenden Platz neben der Rinne, auf den ich mich setzen und das restliche Wasser trinken kann. Hier entscheide ich, die Wanderung zu beenden. Wie ich später errechnen kann, bin ich bis zu diesem Punkt etwa 300 der 437 Höhenmeter gelaufen und das reicht für einen tollen Blick auf die Lagune und den westlichen Teil der Insel. Es hat sich definitiv gelohnt, die Aussicht ist bereits von hier aus ganz phantastisch.


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Gut zu erkennen ist hier auch der in der Lagune plazierte Flugplatz.


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Es scheint, daß es neben der Republik der Seychellen auf der Welt kein zweites Land gibt, das für sich selbst derart ausdrücklich mit besonderem Umweltschutz wirbt und in der Realität so unfaßbar dreist das absolute Gegenteil davon praktiziert.
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mr.minolta
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Re: Motus, Muscheln, Menschenfresser - Zwei Monate in Französisch Polynesien

Beitrag von mr.minolta »

Der Abstieg vom Mont Hiro gestaltet sich wider Erwarten einfacher als der Aufstieg.

Als ich an der Kabel-Passage ankomme, mache ich mir nochmals Sorgen, wie das denn nun bergab laufen würde, aber es klappt ganz gut und bereits nach einer halben Stunde bin ich wieder unten an der Straße und das Abendessen von Odile schmeckt heute ganz besonders gut! ;)

Am nächsten Morgen ist die Aufregung groß. Das Wetter sieht gut aus und es spricht nichts dagegen, uns nach Plan überzusetzen. Odile fährt den Toyota vor unser Zimmer und wir beladen das Auto mit den erworbenen Lebensmitteln und Wasservorräten. Alles übrige haben wir in einen einzigen Koffer gepackt, dazu die Foto- und Videoausrüstung. Jetzt lernen wir auch erstmals Odiles Ehemann richtig kennen, der sich in den Tagen zuvor lediglich in seinem Bagger sitzend blicken ließ. Er wird das Boot durch die Lagune steuern.

Nach einer kurzen Fahrt über die Straße nach Osten erreichen wir eine kleine Anlegestelle und packen alles Hab und Gut auf's Boot. Es ist 12 Uhr mittags, als wir ablegen und die Lagune strahlt in leuchtenden Farben, während wir uns Motu Rani nähern. Das kleine Inselchen erfüllt dabei schon vor dem ersten Betreten alle Klischees einer tropischen Fototapete.


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Das Boot kann hier zum Aussteigen und Abladen fast bis an den Strand gefahren werden, bevor es ein paar Meter weiter draußen geankert wird. Nur ein paar Schritte und schon stehen wir in unserem eigenen Palmengarten. Mit Liegestühlen, Beistelltischchen, Grillplätzen, einer Kokosnuß-Servicestelle und und und... Odiles Mann hat hier nicht nur eine Hütte, sondern gleich ein ganzes Dorf für die seltenen Gäste gebaut!


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Re: Motus, Muscheln, Menschenfresser - Zwei Monate in Französisch Polynesien

Beitrag von mr.minolta »

Verglichen mit den Bedingungen auf Tonga vor drei Jahren sind die Lebensumstände hier auf Motu Rani geradezu als luxuriös zu bezeichnen. Es gibt ein Wohnhaus,


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ein ääh, sorry, das war das falsche Bild... Hier das Wohnhaus! ;)


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ein Küchenhaus,


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und das Badehaus!


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Wir erhalten eine ausführliche Einweisung in die Gegebenheiten vor Ort und besonders spannend ist dabei die Konstruktion zur Wasserversorgung hinter der Wohn- und Schlafhütte. Regenwasser fließt über die Dachrinnen in große Tanks, in denen es gesammelt und bei Bedarf in eine hochstehende Tonne gepumpt werden kann. Durch das Gefälle gelangt es dann ganz einfach in's Badehaus und kann dort für Dusche und WC genutzt werden. Ja, wir haben ein richtiges Klo mit Spülkasten und das Beste an der Sache ist, daß es die folgenden neun Tage auch reibungslos funktionieren wird! :bounce:


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Suse
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Re: Motus, Muscheln, Menschenfresser - Zwei Monate in Französisch Polynesien

Beitrag von Suse »

Wenn man so eine Robinson-Experience schon zum wiederholten Male macht, stellt sich natürlich immer der Vergleich. Was ist genauso wie auf der anderen Insel, was ist anders?

Gleich ist auf jeden Fall das Gefühl, das uns überkommt, als Odile und Terani abfahren. Obwohl Raivavae nur eine Viertelstunde Bootsfahrt enfernt liegt und wir die Insel von hier aus gut sehen können, ist es die gleiche Mischung aus Aufregung und Vorfreude. Die Insel gehört jetzt uns, für ganze neun Tage.

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Es ist unglaublich spannend, das neue Refugium zu entdecken. Außer Wohn-, Küchen- und Badehaus haben wir mehrere Strandliegen und ein paar größere und kleinere Kajaks zur Verfügung.

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Und außerdem die Überlebens-Grundausstattung: Mückenspiralen, eine Machete und einen Pflock zum Öffnen der Kokosnüsse.

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Deren gibt es viele, Kokospalmen sind zahlreich und dementsprechend ergiebig ist die Ernte.

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Sie sind aber strategisch so gepflanzt, daß man am Strand nicht Gefahr läuft, eine auf den Kopf zu bekommen.

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Von unserer Insel in Tonga an viele Seevögel und auch Strandbewohner wie Einsiedlerkrebse und Palmendiebe gewöhnt, finden wir es hier auffällig leer. Es gibt durchaus Seevögel, die über die Lagune fliegen, aber hier scheinen sich keine niederzulassen. Aber auch Einsiedlerkrebse entdecken wir zunächst keine.

Als Beleuchtung haben wir eine dimmbare batteriebetriebene Lampe bekommen, die auch die gesamte Aufenthaltsdauer brav ihren Dienst tut und voll aufgedreht enorm hell ist. Da immer nur einer von uns die Lampe bei sich haben kann und wir ansonsten mit Taschenlampen hantieren müssen, ist auch hier der Tag früh zuende. Am späten Nachmittag muß mit der Zubereitung des Abendessens begonnen werden, damit man vor Einbruch der Dunkelheit damit fertig ist. Die Dämmerung hier ist kurz.

In den ersten Tagen schmecken uns die mitgebrachten Lebensmittel auch noch. Es gibt Nudeln mit Zwiebeln und gebratener Dosenwurst und Ketchup. Danach wasche ich am Ufer ab; das Geschirr mit Salzwasser und Sand zu schrubben, hat sich als die wassersparendste und zugleich effizienteste Methode erwiesen. Ein Pärchen Falterfische umschwimmt mich dabei und schnappt sich die Reste.

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Später sitzen wir in der Dunkelheit vor dem Haus und lauschen dem Klang der Brandung, die wahrscheinlich nicht einmal hundert Meter von uns entfernt ans Riff schlägt. Morgen wollen wir den Weg suchen, der auf die Rückseite der Insel führt. Noch ist die Insel ein unbeschriebenes Blatt, es gibt so viel zu entdecken und wir müssen auf niemanden Rücksicht nehmen, alle Strände, alle Seiten der Insel sind ganz allein für uns, niemand außer uns ist hier.

Das denke ich gerade, als aus der Dunkelheit etwas Warmes und Weiches nach meinem Bein greift.
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Bong!!!
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Re: Motus, Muscheln, Menschenfresser - Zwei Monate in Französisch Polynesien

Beitrag von Bong!!! »

Danke Suse & Mr.Minolta für einen so ausführlichen Reisebericht und schöne Bilder! Besonders die vielen kleinen Details.

Die Marquesas sind atemberaubend und die blaue Lagune von Rangiroa ist einfach nicht von dieser Welt (-:
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