Autumn in New York - 8 Tage im September 2022

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Suse
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Autumn in New York - 8 Tage im September 2022

Beitrag von Suse »

Es gibt ja viele Liedtexte, die einem sagen, was man im Leben mal erlebt haben sollte. Im Cabrio durch Paris fahren mit dem warmen Wind im Haar, oder mit zerrissenen Jeans durch San Francisco laufen. Oder einmal im Leben nach New York.

Das mit Paris hat meine Mutter schon einige Male erlebt. Allerdings glaube ich, nichts wünscht sie sich weniger, als ein paar zerrissene Jeans, egal ob in San Francisco oder wo auch immer. Aber das mit New York, das war noch offen. Und wann holt man das besser nach, wenn nicht zum 80. Geburtstag.

Der Plan klingt nur solange gut, bis einem eine Pandemie einen Strich durch die Rechnung macht. Also holt man es am besten im Jahr darauf nach, und das haben wir dann dieses Jahr im September auch getan.

Die Reise war, nachdem sich abzeichnete, daß die Pandemie langsam im Abklingen war, relativ kurzfristig geplant. Wir wollten einen Nonstop Flug und hatten ein bestimmtes Hotel im Sinn, das in der Familie bereits bekannt war, da Air Berlin dort früher seine Crews einquartierte.

Die Testpflicht für die Einreise in die USA war inzwischen abgeschafft, so daß alles in trockenen Tüchern zu sein schien. Als ich meine Mutter dann einen Tag vor dem Abflug in tiefenentspannter Stimmung zuhause abholte, fiel ich aus allen Wolken, als sie mich mit der Neuigkeit empfing, die Stadt New York habe den Katastrophenfall ausgerufen: Polio Epidemie.

Na großartig.

Meine Mutter gehört noch zu der Generation, bei der die Schluckimpfungskampagnen nicht flächendeckend waren und sie meinte, nie eine bekommen zu haben. Wir alle, auch wenn der Mister und ich ganz sicher beide geimpft waren, konnten uns noch gut an die Bilder erinnern, auf denen Polioinfizierte in Eisernen Lungen steckten. Jetzt war guter Rat teuer.

Aber was tut der kluge Reisende heutzutage:

http://www.lmdfdg.com/?q=New+York+waste ... rine+polio

Also Entwarnung. Polioviren im Abwasser, nicht im Leitungswasser, man kann unbedenklich duschen, da das Abwasser sowohl mit Chlor behandelt als auch UV-bestrahlt wird.

Als wir dann im Flugzeug sitzen, habe ich zwar noch kaum in den Reiseführer geguckt, kann aber gefühlt schon einen Vortrag über das New Yorker Abwassersystem halten. Grandios.

Womit ich mich zum Zeitpunkt des Abfluges auch relativ gut auskenne, sind die verschiedenen Visitor-Pässe. Zum Glück gibt es Internetseiten, die beim Vergleich helfen, welcher Pass welche Sehenswürdigkeiten beinhaltet und was für einen selbst das Richtige ist, sonst wird man von den Angeboten förmlich erschlagen. Ich glaube, da gibt es nichts, was es nicht gibt, wahrscheinlich kann man auch eine Nacht mit Junkies in einem Abbruchhaus in der Bronx nächtigen, wenn einem danach der Sinn stehen sollte.

Da zwei von uns dreien Ersttäter waren, kamen für uns aber erstmal nur die Big Five in Frage, Stadtundfahrt mit dem Hop on-Hop off-Doppeldeckerbus, Freiheitsstatue, Museum of Modern Art, One World Observatory und Empire State Building. Die Entscheidung fiel dann für uns auf den GoCity-Pass, der zu unserem Reisezeitpunkt 69 Dollar pro Person kostete. Die meisten unserer Besichtigungen haben wir über den Paß gemacht.

Das damit eingesparte Geld haben wir dann direkt für eines der Highlights der Reise, den Sonnenuntergang auf dem Empire State Building inklusive Besuchs der oberen Aussichtsplattform im 102. Stock auf den Kopf gehauen. Ab 17 Uhr lassen sie sich das hier extra versilbern, der Besuch hat uns pro Nase über 100 Dollar gekostet (für meine Mutter als Seniorin $ 98). Spoiler: Es war jeden Cent wert. (Notiz an mich selbst: Diesen Passus aus dem Reisebericht entfernen, bevor die Mutter ihn liest).

Darüber hinaus haben wir noch ein paar andere Sachen angeguckt, für die man keinen Eintritt zahlen muß, wie die Wall Street, den Central Park, Little Italy, Chinatown.

Jeder von uns hatte besondere Wünsche für die Reise, meine Mutter die Freiheitsstatue und Little Italy (wegen der niedlichen Restaurants mit den rotweiß karierten Tischdecken). Beides hat ihre kühnsten Träume übertroffen. Außerdem hat sie sich „irgendwas mit Musik“ gewünscht, einen Konzertbesuch oder sowas, und das hat mich richtig in Streß versetzt, weil ich gar nicht wußte, wie ich unser aller drei Interessen da unter einen Hut bringen soll, daß es auch allen gefällt. Vorweg gesagt: Es ist geglückt!

Ich wünschte mir das Guggenheim Museum (von außen, weil ich die Architektur von Frank Lloyd Wright so liebe und noch nie eines seiner Gebäude „in echt“ gesehen habe) und das Museum of Modern Art, weil ich die Sternennacht von van Gogh mal „in echt“ sehen wollte. Beides war genau so toll wie vorgestellt.

Der Mister wünschte sich den Flugzeugträger Intrepid und ebenfalls das Museum of Modern Art, wegen der Hopper-Gemälde. Beides hat nicht geklappt, weil die Intrepid schlicht nicht mehr in den Zeitplan zu quetschen war und die Hopper-Gemälde gerade ausgeliehen waren. Enttäuscht war er trotzdem nicht, weil die New York-Reise für ihn so viele grandiose Fotomotive bereithielt, daß die Kameras nur so geglüht haben.

Eigentlich müßte man aus einem Reisebericht daher auch zwei machen, da neben den Besichtigungen das einfache Streetlife in dieser verrückten Stadt so viel hergibt, daß man einen ganzen Bericht einfach nur dem widmen könnte, was man nur allein in den Straßen um unser Hotel herum so beobachten konnte. Ein paar neutrale Fotos werden wir zeigen können, aber das Gros der Aufnahmen leider nicht.

So, das ist, was man von diesem Reisebericht erwarten kann. Es beschränkt sich also auf Manhattan, andere Stadtteile haben wir nicht besucht, und irgendwelche Geheimtips haben wir auch nicht zu verraten. Das, was wir berichten, hat sicher auch nicht zwingend einen Anspruch auf Aktualität, wie die Eintritts- oder anderen Preise.

Vorab kann man schon sagen: Wir waren alle drei, selbst der Mister, als Nicht-Erstbesucher, zutiefst beeindruckt, wir hatten ein phantastisches Spätsommerwetter mit Sonnenschein von früh bis spät und den kitschigsten Sonnenuntergängen über dem Hudson River.

https://www.youtube.com/watch?v=50zL8TnMBN8
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- Grubi -

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Klara
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Re: Autumn in New York - 8 Tage im September 2022

Beitrag von Klara »

Deine Berichte sind einfach nur toll, danke, weckt alte Erinnerungen.
LG
Klara
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Suse
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Re: Autumn in New York - 8 Tage im September 2022

Beitrag von Suse »

Abgesehen vom Security-Warteschlangen-Chaos am BER haben wir einen ruhigen Flug mit angenehmen Zeiten. Unterwegs gibt es irgendeinen Pamps mit pikant gewürztem Hähnchen, es ist aber schmackhaft, und niemand ist übertrieben unzufrieden.

Film schaue ich keinen. Weil es Mutters Geburtstagsreise ist, bekommt sie den Fensterplatz und dank guter Sicht schauen wir des Öfteren mal raus und kommentieren unseren Flug über Nordkanada und die Ostküste hinunter.

Das Lesen des Reiseführers füllt den Rest der Zeit, aber so auf die Schnelle läßt sich der Kopf dann auch nicht mehr mit Informationen vollstopfen, zu denen man eigentlich noch keinen wirklichen Bezug hat. Was da über die New Yorker an sich steht, ist mir schon irgendwie vertrauter. Obwohl der klassische New Yorker stets gestreßt sei, besonders im FiDi, dem Financial District, seien die meisten sehr freundlich zu den Touristen, obwohl sie sich häufig durch deren Verhalten im Tagesablauf behindert fühlten. Jaja, denke ich, kenne ich. Schlendernde Touristen, die völlig vergessen, daß andere hier leben und unter Zeitdruck stehen. Also nicht zu dritt nebeneinander herbummeln und die gesamte Breite des Fußwegs blockieren; wenn man etwas betrachten möchte, erst an die nächste Hauswand treten und nicht mitten auf dem Weg eine Vollbremsung hinlegen, keine Hauseingänge oder Rolltreppen blockieren. Großstadt können wir, denke ich. Aber Hochmut kommt vor dem Fall und ich werde auf dieser Reise tatsächlich doch einmal durch nicht metropolenkonformes Verhalten anecken.

Wir haben uns auf Anraten des Reisebüros für die Anreise über Newark entschieden. Schon beim Landeanflug haben wir gute Sicht auf die Skyline. Immigration geht harmlos vonstatten, wir werden lediglich nach der Aufenthaltsdauer gefragt, weiter nichts. Meine Mutter wird nach einem Blick in den Paß und vermutlich auf das Geburtsdatum überhaupt nicht angesprochen.

Wären wir nur zu zweit gewesen, hätten wir vielleicht den PATH-Zug zum World Trade Center benutzt, aber um es insbesondere für meine Mutter möglichst komfortabel zu haben, nehmen wir ein Taxi. Was uns diese oder auch weitere Taxifahrten kosten werden, haben wir im Vorfeld nicht herausbekommen können, da es in New York keinen einheitliches Preismodell zu geben scheint. Die Kosten ändern sich je nach Bezirk in dem man sich bewegt und auch mit der Geschwindigkeit, in der das Taxi fährt. Zumindest ich war zu begriffsstutzig, um das zu durchschauen.
Trotzdem wird es am Ende keine böse Überraschung geben, denn was man zu zahlen hat, erzählt einem im Voraus schon der Dispatcher, der die Cabs bereits im Flughafengebäude zuteilt. Wir brauchen einen Moment, um das System zu verstehen, einfach vors Gebäude treten und ein wartendes Taxi zu nehmen, so funktioniert das hier nicht.

Vor dem Dispatchertisch steht schon ein Haufen Leute. Meine Mutter, die kein Englisch spricht, ist natürlich nicht nur deswegen außen vor, sich hier anzustellen. Der Mister ist aufgrund des dringenden Bedürfnisses, den flugbedingten Nikotinentzug zu beseitigen entschuldigt und steht schon dampfend vor der Tür. Also bleibts an mir hängen und ich stelle mich leicht genervt an das Ende der Schlange.

Es geht dann aber alles relativ schnell; wenn man an der Reihe ist, wird die Anzahl der Passagiere, die Anzahl der Gepäckstücke und das Ziel abgefragt und man bekommt ein Taxi zugewiesen, das einen dann vor dem Gebäude einsammelt.

Noch während ich das dem in eine Dampfwolke gehüllten Mister mitteile, sehe ich unser Taxi schon kommen und muß nun schnell die Mutter hochscheuchen. Vielleicht wäre der PATH gar nicht so viel anstrengender gewesen. :wink:

Die Taxifahrt ist aber trotzdem schöner. Im Gegensatz zu Los Angeles, wo wir dieses Jahr nur noch ausschließlich Elektrotaxis gesehen haben, fahren hier noch Verbrennungsmotorgetriebene und unseres ist schon ein bißchen in die Jahre gekommen, das hat einen altmodischen Charme. Unser Fahrer macht ordentlich Tempo und wir fahren mit brüllendem Motor auf die Skyline zu.

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Als wir den Holland-Tunnel passieren, geht es nur noch langsam voran und wir verrenken uns die Hälse, als wir auf der anderen Seite in Manhattan wieder ans Tageslicht kommen. Der Weg bis zum Hotel ist dann nur noch kurz. $ 65 kostet uns die Fahrt, was wir als angemessen empfinden. Es gibt ein anständiges Trinkgeld dazu, der Fahrer ist schon älter und kann das sicher gebrauchen, dafür erhalten wir viele gute Segenswünsche. Da kann die Reise ja nur noch gut werden.

Danach kommt man kaum richtig zu sich, vor uns das Hotel, neben uns das Oculus und der One World Tower, man weiß gar nicht, wo man zuerst hinschauen soll, außerdem war da ja was mit großstadtkonformem Verhalten, also zügig aussteigen, die Koffer schnappen und die Fahrbahn frei gemacht. Bevor wir dazu kommen, sind aber schon zwei Herren in Livrée aufgetaucht, nein Madam, das überlassen Sie uns, und vielen Dank, daß sie das Millenium gewählt haben. Uns ist ein bißchen schwindelig, als wir unseren entschwundenen Koffern hinterherstolpern.

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Es gibt in New York eine Handvoll Hotels, die den Namenszusatz „Millennium“ tragen. Unseres ist das Millenium Downtown und am fehlenden „n“ im Namenschriftzug zu identifizieren. Es hat vier Sterne, 55 Stockwerke und eine unfassbar gute Lage.

https://www.millenniumhotels.com/en/new ... -new-york/

Daß wir in diesem Hotel wohnen wollen, stand von Anfang an fest. Zum einen, weil die fliegenden Familienangehörigen hier früher bei den Layovers untergebracht wurden und zum anderen der Mister bereits selbst vor Jahren mit seiner Mutter hier abgestiegen ist und das Hotel somit mehrfach als für gut befunden und darüber hinaus als müttertauglich getestet war.

Auch dieser Aufenthalt hat keine negativen Eindrücke hinterlassen und wir können das Hotel uneingeschränkt empfehlen. Pandemie- bzw. daraus resultierend personalmangelbedingt hat das Restaurant aktuell geschlossen, auch Frühstück gab es keines, aber ich glaube, das ist derzeit die Situation in vielen anderen Hotels auch.

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Das Millenium ist von außen ein schlichter Hochhausturm, der mit den anthrazitfarben verspiegelten Scheiben aber eine gewisse Eleganz hat. Innen ist es in angedeutetem Art Déco eingerichtet, die Zimmer sind aber eher neutraler internationaler Hotelstil und weder besonders hübsch noch häßlich. Ehrlich gesagt ist das aber auch nicht wirklich wichtig, man schaut sowieso nur immerzu aus dem Fenster. Es gab jeden Tag zwei Flaschen Mineralwasser gratis aufs Zimmer und das Bad hat eine Wanne. Nicht zu verachten bei aufkommendem Muskelkater.

Wir hatten zwei Superior-Zimmer, wer sich hierzu die Preise auf der Webseite anschaut, sollte genau auf die Reisedaten achten, da die Preise datumsabhängig sehr stark schwanken. Darüber hinaus wird hier eine Resort-Fee von zur Zeit unseres Aufenthaltes $ 55 pro Tag berechnet, die man auf den jeweiligen Preis noch draufschlagen muß. Insgesamt darf man die Preise für Manhattan und ein Hotel dieser Kategorie aber sicher noch als normal betrachten. Was aber wirklich unbezahlbar ist, ist die Lage.

Wir haben jeweils ein Zimmer im 19. und eines im 22. Stock. Weil es ja Mutters Geburtstagsreise ist, soll sie das im 22. Stock haben, aber wie Mütter so sind, verzichtet sie, und meint, ihr reicht der 19. auch. Der Unterschied ist dann auch nicht wirklich wahrnehmbar. Als wir eingecheckt haben, sind die Koffer schon auf die Zimmer gebracht worden, der Page begleitet uns und öffnet mit großer Geste die Vorhänge, das ist hier vermutlich so eine Art Ritual die Gäste zu beeindrucken, und auf uns wirkt es wie vorgesehen.

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Die nächsten 10 Minuten verbringen wir nur damit, mit offenem Mund aus dem Fenster zu schauen und eine Tonne Fotos zu machen.

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Weder die Mutter noch wir sind besonders geschafft von der Anreise, also gönnen wir uns nur eine kurze Ausruhphase. Es ist später Nachmittag und der kann noch genutzt werden. Unten vor dem Hotel stehen drei Bänke mit Blick auf das Oculus, das wird für die kommenden Tage unser Treffpunkt. Von da aus marschieren wir gemeinsam los, der Mister, der als einziger von uns die Orientierung hat, voran. Unser Ziel ist die Wall Street, ungefähr eine Viertelstunde zu Fuß vom Hotel entfernt.

Die erste große Querstraße, die hinter dem Hotel verläuft, birgt gleich die erste große Überraschung für mich: Das ist ja der Broadway!

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Der kleine Zusatz auf dem Schild, der auf den Canyon of Heroes hinweist, bezieht sich auf die in das Pflaster des Fußwegs eingelassenen Namensbänder, die den wichtigen Personen zuteil wurden, die zu Lebzeiten bereits mit einer der hier früher üblichen Konfettiparaden geehrt wurden. So eine Art Walk of Fame des FiDi sozusagen. Touristen erkennt man dann auch daran, daß sie mit gesenkten Köpfen über den Broadway latschen, wir bilden da keine Ausnahme.

https://newyorkaktuell.nyc/was-sind-der ... e-parades/

Broadway, das war für mich da oben, in Uptown, wo die Lichter glitzern und es tanzt und singt, aber nicht hier unten. Daß der Broadway sich bis zur Südspitze Manhattans zieht, war eindeutig eine meiner Wissenslücken. Das sorgt natürlich gleich für die erste Unterbrechung, das Straßenschild und überhaupt die Straße muß fotografiert werden, auch wenn das Auffälligste hier in diesem Abschnitt die immensen Müllberge sind, die sich alle paar Meter stapeln.

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Es scheint sortierter Recyclingmüll zu sein, Dosen und Plastik, und diverse Personen sind mit dem Abtransport beschäftigt. Ich warte extra ab, um niemandem das Gefühl zu geben, er sei als als Müllsammler mein zentrales Fotomotiv, aber das gelingt mir nicht, später werde ich auf einem Foto ganz am Rand noch einen Mittelfinger präsentiert bekommen. Wie mans macht…

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Die Wall Street selbst verblüfft mich erneut. Das hatte ich mir hier größer vorgestellt. Es ist zwar sicher inzwischen schon Feierabend und erklärt, weshalb hier keine Scharen von Brokern in maßgeschneiderten Anzügen und mit flatternder Krawatte geschäftig hin und her eilen, sondern ausschließlich Touristen die schmale Gasse bevölkern.

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Vor der Börse die Statue des Furchtlosen Mädchens, die 2017 zum Weltfrauentag (der Tag, an dem Berliner frei haben! :D ) errichtet wurde.

https://www.handelsblatt.com/arts_und_s ... 94728.html

Hier ist definitiv am meisten los und auffällig ist, daß seitens der Fotografen ein merkwürdiges Interesse besteht, dem Mädchen unter den bronzenen Rock zu fotografieren. Wir beobachten das mehrfach.

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Hauptsächlich wird aber die Begleitung, vor allem die eigenen Kinder neben der Statue positioniert, hoffentlich hat es prägenden Einfluß, vor allem auf die Mädchen, denn der Sinn dahinter ist ja immerhin female empowerment.

Allerdings finde ich die Statue ohne den ursprünglich dazugehörenden Charging Bull, der weiter südlich auf dem Bowling Green steht, ein bißchen sinnlos. Ohne den Bullen, dem sie ursprünglich gegenüberstand und ihre Furchtlosigkeit ausdrückte, wirkt sie wie eine erstaunte Göre, die einfach nur den Stock Market bewundert. Aber das ist natürlich nur meine persönliche Wahrnehmung.

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Danach haben wir Hunger und nun kommt der Moment, den ich gefürchtet habe: Wo essen wir und was essen wir da? Kleine, nette Lokale mit halbwegs budgetfreundlicher Speisekarte haben wir bislang nicht entdecken können. Unser Hotel hat pandemiebedingt aktuell keinen Restaurantbetrieb, einige andere Hotels in der näheren Umgebung schon. Die weißen Tischdecken und eleganten Windlichter warnen schon vor, daß die Preise auf den Speisekarten jenseits von Gut und Böse sind. Wir können noch nicht ahnen, daß wir bald unseren persönlichen Mentor haben werden, der uns in die Geheimnisse des FiDi einführen wird.

Wir sind für den Moment ein bißchen ratlos und wählen der Einfachheit halber den nächstgelegenen McDonald’s. Die Mutter ist nicht so richtig begeistert, fügt sich aber mangels aktueller Alternativen in ihr Schicksal. Die Chicken McNuggets und die Pommes sind dann auch gar nicht so übel, im Obergeschoß bläst die Klimaanlage auch nicht wirklich schlimm und insgesamt ist es ganz gemütlich und auch ganz cool dekoriert.

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Wir sitzen in einem McDonald’s auf dem Broadway, wie aufregend!

Langsam macht sich dann aber doch die Erschöpfung breit und wir kehren zum Hotel zurück. Unterwegs decken wir uns bei einem netten Chinesen in einem Straßenkiosk mit Getränken ein. Die Waren scheinen hier keinen festen Preis zu haben, er bietet uns von sich aus einen üppigen Mengenrabatt an. Daß die Preise gern mal spontan entschieden werden, wird uns später noch an den Hotdog-Wagen auffallen, die häufig auch keine Preisliste haben und der Hotdog an verschiedenen Tagen unterschiedlich kostet.

Auf den Bänken vor dem Millenium lassen wir den Abend ausklingen, es ist sommerlich warm und auf der Straße ist soviel los wie am Nachmittag. Wir besprechen, daß der morgige Tag mit einem Besuch des 9/11 Memorial beginnen soll. Für die Mutter und mich buche ich für den Nachmittag eine Stadtrundfahrt Downtown und Uptown mit dem Doppeldeckerbus. Das geht mit dem Handy über den Paß schnell und problemlos, aber die Uhrzeit ist ein grober Anfängerfehler, wie sich später herausstellen wird. Dann trollen wir uns in unsere jeweiligen Zimmer.

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Einschlafen können wir aber lange nicht, der Ausblick aus den Fenstern ist einfach zu fesselnd.

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knuffi
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Re: Autumn in New York - 8 Tage im September 2022

Beitrag von knuffi »

Danke für den tollen Bericht und die Bilder!!!
Nach New York wollen wir noch auf jeden Fall! Das steht schon lange auf der Wunschliste :D Ich fürchte nur, dass wir damit noch etwas warten müssen...
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Suse
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Re: Autumn in New York - 8 Tage im September 2022

Beitrag von Suse »

knuffi hat geschrieben: 10 Jan 2023 19:10 Danke für den tollen Bericht und die Bilder!!!
Nach New York wollen wir noch auf jeden Fall! Das steht schon lange auf der Wunschliste :D Ich fürchte nur, dass wir damit noch etwas warten müssen...

Müsst Ihr unbedingt machen. So eine tolle Stadt, da muß man mal gewesen sein. :D
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Suse
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Re: Autumn in New York - 8 Tage im September 2022

Beitrag von Suse »

Der Morgen beginnt, wie der Abend zuvor geendet hat, mit dem Essensproblem. Wo gehen wir Frühstücken? Wir treffen uns wieder auf den Bänken vor dem Hotel und beobachten, wie die letzten Wolken sich verziehen:

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Aus einem anderen New York-Reisebericht weiß ich, daß man im Oculus etwas zu Futtern bekommt, hier soll es einen Food Hub mit unterschiedlichen Angeboten geben. Also probieren wir das mal, der Eingang ist direkt gegenüber.

Was es hier ganz sicher gibt, gratis ist W-LAN :wink:

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Das Oculus halten wir zuerst für eine Gedenkstätte, die äußere Form läßt viel Interpretationsspielraum.

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Eine Friedenstaube mit einem gebrochenen Flügel?

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Von innen ein futuristisches Einkaufszentrum? In Wirklichkeit ist die eigentliche Funktion des Oculus ein Bahnhof. Hätten wir den PATH-Zug aus New Jersey benutzt, wären wir hier angekommen.

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Das Oculus wirkt trotz oder vielleicht gerade wegen seines science fiction-artigen Innenlebens vertraut. Erst später werde ich es wiedererkennen, eine der Schlüsselszenen in John Wick 2 ist hier gedreht worden. Im Moment fällt mir das aber nicht auf.

Im Untergeschoß entdecken wir ein französisches Bistro. Die Lebensmittel kommen abgepackt aus der Kühlung, der Milchkaffee ist ok, aber insgesamt finden wir es überteuert und auch nicht so dolle lecker. Da muß sich noch was Besseres finden, aber fürs erste sind wir versorgt. Auf ein „richtiges“ amerikanisches Frühstückslokal mit kiloschweren Pancakes und Speck und Rührei steht keiner von uns so richtig, insbesondere ich nicht, die ich sonst nie frühstücke und mich dadurch eher kreislaufmäßig belastet und schlapp fühle. Frühstücken paßt überhaupt nicht zu meinem Biorhythmus, von daher sind die kleinen Portionen hier eigentlich richtig. Aber die der Portionsgröße diametral entgegengesetzten Preise gehen gar nicht.

Wir bummeln zum Hinterausgang hinaus und stehen dann direkt am 9/11 Memorial. Dort, wo einst der linke Turm stand, ist nun Ground Zero mit der Gedenkstätte.

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Um Brunnen, in die das Wasser permanent wasserfallartig hinabrauscht, sind auf der umlaufenden Brüstung die Namen der Opfer der Anschläge eingraviert.

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In vielen stecken Rosen und auch kleine Papierflaggen. Der Anschlag hat sich ja vor kurzem auch erst wieder gejährt.

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Die Brüstung ist relativ breit und der Brunnen tief im Inneren der Anlage.

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Klein wie ich bin, muß ich mich weit nach vorn lehnen, um einen Blick hinein werfen zu können. Daß das als respektlos aufgefaßt werden könnte, kommt mir gar nicht in den Sinn, ich werde aber umgehend von einer vorbeilaufenden Security Lady dafür angezählt. Nicht anlehnen! ruft sie, und zwar laut und deutlich, daß es ordentlich peinlich ist.

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Im Weiterlaufen bekommen noch andere ihr Fett weg: No Elbows!

Nachvollziehen kann ich das schon, für die Angehörigen der Opfer, die ja sonst keinen Ort haben, an den sie gehen können, ist das hier ja keine „Sehenswürdigkeit“, sondern ein Ort der Andacht, und da lümmelt man sich nicht dagegen.

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Der Ort ist bedrückend, nicht nur heute, auch später im Hotel, das ja schon zum Zeitpunkt der Anschläge hier stand, wird uns immer wieder in den Sinn kommen, wie es gewesen sein muß, hier, so in unmittelbarer Nähe zu sein, als die Anschläge passierten. Das Museum möchte niemand von uns besuchen.

Wir überqueren die West Street, auf deren gegenüberliegender Seite die Landgewinnung beginnt, mit der Manhattans Grundfläche vergrößert wurde. Hier gibt es ein paar idyllische Grünanlagen und dahinter der Yachthafen.

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Wir sitzen eine Weile am Ufer und schauen zu den Jersey Shores hinüber, wo wir gestern noch waren,

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und zur Freiheitsstatue, wo wir morgen sein werden.

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Pico
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Re: Autumn in New York - 8 Tage im September 2022

Beitrag von Pico »

Sehr schick!!

Der Blick aus dem Hotelfenster ist ja echt unbezahlbar!

Die Rosen in den Namen am 9/11 Memorial bedeuten dass die Person Gerburtstag hat...
So sagte man uns.
Ja, das war schon echt beklemmend.
Im Museum seid ihr also nicht gewesen? Ich fand das sehr sehr emotional. Sehr respektvoll und würdig gestaltet, und für viele Angehörige sicherlich ein wichtiger Ort, um das Geschehene vielleicht ansatzweise zu begreifen.
Ein Ort der Trauer, der Nähe, der Erinnerung, des Stolzes.
Ich fand das damals sehr sehr beeindruckend.

Mich hat New York auch sehr beindruckt und fasziniert, ich würde gerne mal wieder hin und freue mich auf eure Fortsetzung.
Aber als eher Land-Ei könnte ich da auf keinen Fall leben.
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Suse
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Re: Autumn in New York - 8 Tage im September 2022

Beitrag von Suse »

Pico hat geschrieben: 11 Jan 2023 18:35
Die Rosen in den Namen am 9/11 Memorial bedeuten dass die Person Gerburtstag hat...
So sagte man uns.
Ja, das war schon echt beklemmend.
Im Museum seid ihr also nicht gewesen? Ich fand das sehr sehr emotional. Sehr respektvoll und würdig gestaltet, und für viele Angehörige sicherlich ein wichtiger Ort, um das Geschehene vielleicht ansatzweise zu begreifen.
Ein Ort der Trauer, der Nähe, der Erinnerung, des Stolzes.
Ich fand das damals sehr sehr beeindruckend.

Mich hat New York auch sehr beindruckt und fasziniert, ich würde gerne mal wieder hin und freue mich auf eure Fortsetzung.
Aber als eher Land-Ei könnte ich da auf keinen Fall leben.
Das wußten wir nicht, jedenfalls ich nicht. Wir haben gedacht, daß die Rosen oder Fähnchen von Angehörigen stammen, aber daß die Blumen mit dem Geburtstag zusammen hängen könnten, darauf sind wir gar nicht gekommen.

Nein, das Museum war uns dann allen too much. Wir haben ja quasi am Ort des Geschehens gewohnt, irgendwie war das überall Thema, in den Kirchen, den Straßen, alles hat irgendwie mit den Anschlägen zu tun, steht damit in Zusammenhang. Das war sowieso schon immerzu so bedrückend, trotzdem wir so fröhlich stimmendes Wetter hatten. Vielleicht beim nächsten Mal, mal sehen. Leben könnte ich dort auch auf gar keinen Fall, aber hin müssen wir irgendwann schon nochmal, es gibt so vieles, was man auf einer ersten Reise nicht schafft.
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Suse
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Re: Autumn in New York - 8 Tage im September 2022

Beitrag von Suse »

Mittags gibt’s einen Hot Dog. Hot Dog essen gehört in New York dazu, das sieht sogar die sonst nicht so Fast Food-affine Mutter ein.

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Sie verzichtet aufs Sauerkraut, damit schmeckt er ihr dann auch ganz gut. Der Mister und ich wählen die Komplettvariante mit Zwiebeln und Kraut.

Danach trennen sich unsere Wege. Der Mister geht auf Fototour rund um das Oculus, wir nochmal aufs Klo vor der langen Bustour. Wir fahren mit Top View, das sind die roten Busse, so wie auch alles andere hier rot ist, von den Kopfhörern für den Audioguide bis zu den Hemden der Mitarbeiter.

Die Haltestelle ist ein Stück den Broadway hinauf, genau gegenüber des zur City Hall gehörenden Parks. 14 Uhr soll es los gehen, aber daraus wird nichts, die ersten zwei ankommenden Busse sind voll. Die Warteschlange ist zwar nicht lang, aber es steigt kaum jemand aus. Unsere Haltestelle scheint an keinem besonders attraktiven Ort zu liegen.

Ob das an den allgegenwärtigen Müllbergen liegt? :wink:

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Erst im dritten Bus kommen wir mit, da ist schon eine gute halbe Stunde vergangen.

Wir ergattern aber schöne Plätze auf der rechten Busseite auf dem Oberdeck. Den Audioguide stöpsele ich mir nur in ein Ohr, damit man sich noch unterhalten kann. Wie oft bei solchen Veranstaltungen funktioniert die Technik nur unzureichend, der Text knarzt und knackt und die Lautstärkeregelung bedarf einer sehr nachdrücklichen Behandlung, bevor sie reagiert.

Wir streifen Chinatown, dann geht es unter der Brooklyn Bridge hindurch um die Südspitze, am Battery Park vorbei über die West Street hinauf wieder nach Norden. Wir sind keine „Hopper“, sondern wollen uns einfach einmal um Manhattan fahren lassen, wir haben noch genügend individuelle Ausflüge vor. Vorwärts geht es nur stockend, das ist aber nicht nur von Nachteil, denn in den „Stehphasen“ kann man schön in die Fenster der New Yorker Nobelwohnungen hineinblicken, deshalb haben wir auch Plätze auf der rechten Busseite bevorzugt. Orchideen sind beliebt, außerdem hübsche Lampen auf den Fensterbänken.

Wir erfahren, wo Hugh Jackmann wohnt. Die Nobelbutzen wechseln sich mit leerstehenden Häusern mit Pappkarton anstelle von Fensterscheiben ab, sehr merkwürdig, daß es hier sowas überhaupt gibt. Wir lernen, daß Begriffe wie Soho und Tribeca, die ich immer für Eigennamen gehalten habe, eigentlich nur Akronyme sind, die Bezirke umschreiben.

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Weiter nördlich sehen wir die futuristischen Pflanzeninseln von Little Island, und auch an der Intrepid, die später bei uns irgendwie in Vergessenheit geraten wird, fahren wir vorbei. Dann biegt der Bus in die 42nd Street und als ich mich schon freue, daß nun das richtige wilde New Yorker Leben beginnt, ist es auch schon wieder zuende.

Direkt vor der Port Authority ist nämlich Endstation. Vermutlich war die Information irgendwo im Kleingedruckten verborgen, aber mir war entgangen, daß man für die Tour nach Uptown um den Central Park herum den Bus wechseln muß. Wie man dem Verhalten der meisten anderen Mitreisenden entnehmen kann, ihnen auch. :lol:

Der Bus, mit dem es weitergeht, parkt gleich um die Ecke in der 8th Avenue. Die paar Meter zu Laufen ist nicht weiter schlimm und unternehmerisch macht es ja auch Sinn, nicht einen einzelnen Bus durchfahren zu lassen, sondern die Tour zu splitten. Der Nachteil für uns ist nur: Als wir in der 8th Street ankommen, ist der letzte Bus nach Uptown bereits abgefahren. 16 Uhr, wird uns erzählt, startet hier die letzte Runde, und die haben wir knapp verpaßt.

Wir sind kurz enttäuscht, aber richtig schlimm ist es nicht, den Central Park und was uns drumherum noch interessiert, werden wir die nächsten Tage noch allein genauer anschauen, von daher nehmen wir einfach den nächsten Bus zurück nach Downtown. Die Fahrt dauert dann nochmals gute eineinhalb Stunden, so daß wir rückblickend denken, daß uns die große Runde vielleicht auch zuviel geworden wäre. So viel Input an einem Tag macht müde und die richtig wilden Sachen kommen ja jetzt erst noch.

Wer jedoch wirklich mehrmals während der Fahrt aussteigen möchte, und das auch noch auf der großen Runde, sollte nicht den gleichen Fehler machen wie wir, sondern sich einen ganzen Tag dafür Zeit nehmen. Schon aufgrund des hohen Verkehrsaufkommens geht es nur langsam voran. Außerdem ist, wie wir es erlebt haben, keinesfalls sicher, daß man bei Weiterfahrt gleich in den nächsten Bus einsteigen kann. Wir haben Haltestellen an begehrteren Plätzen wie dem Battery Park gesehen, an denen die Leute Schlange standen, um die Tour fortsetzen zu können. Um 14 Uhr zu starten, so wie wir, ist einfach zu spät.

Zwischendurch meldet sich der Mister. Ihm geht es gut, er langweilt sich kein bißchen ohne uns, tolle Sachen hat er gesehen. Und Freundschaften geschlossen.

Den Streckenverlauf zurück nach Süden zu verstehen, gelingt uns, als Ortsunkundigen, erst rückblickend. Wir durchqueren mehrere Seitenstraßen, in denen die Leute gedrängt vor den Eingängen der Off-Broadway-Theater warten.

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Dann zurück auf den Times Square, wo wir aus der Entfernung sogar den Naked Cowboy ausmachen können. Leider nur von hinten mit Blick auf seine weiße Schiesser Feinripp mit Namenschriftzug, was dem Eindruck des „naked“ doch ein wenig Abbruch tut. :wink:

Auf den Straßen ist es so wuselig, daß man überhaupt nicht weiß, wohin man zuerst schauen soll. Man hat permanent das Gefühl, etwas zu verpassen. Durch das ruckelige Stop and go des Busses werden viele der Fotos nichts, nur während der Rotphasen der Ampeln gelingt dann ab und zu eines.

Das ist keiner der üblichen dampfenden Gullys, der brennt lichterloh.

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Der Times Square nimmt Abschied von Lisbeth.

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Dann geht es die 7th Avenue hinunter, einmal um den Pudding rund um die Penn Station und über die 6th Avenue vorbei am Empire State Buildung auf die 5th zum Flatiron Building.

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Das kenne ich natürlich von Bildern, nur leider ist es aktuell eingerüstet, was die spezielle Geometrie des Gebäudes ein bißchen kaschiert. Als ich die Mutter auf die Form und den sich daraus ergebenden Namen hinweisen will, sagt sie nur, das sei doch sonnenklar. Flatiron = Plätteisen, sei doch leicht zu verstehen. Ganz schön schlau, meine Mama.

Danach geht es zurück auf den Broadway, wir streifen wieder den Rand von Chinatown, was man hier aber nur an den roten Glücksknotenanhängern an den Laternen erkennen kann. Dann ist es nicht mehr weit und wir stehen wieder vor der City Hall.

Der Mister erwartet uns vor dem Millenium und zeigt uns seine umfangreiche Tagesausbeute an Fotos. Außerdem hat er sich zwei der Hochglanzmagazine über das World Trade Center und die Anschläge des 11. September, die hier rund um den One World Tower verkauft werden, zugelegt. Ungefähr drei oder vier Stammverkäufer teilen sich den Platz hier vor dem Millenium, einer davon, der die Anschläge selbst miterlebt hat, verkauft ein Heft, in dem er selbst abgebildet ist. Er trägt es an der entsprechenden Stelle aufgeschlagen vor sich her: That's me, that's me! Er ist auf dem Foto unter der dicken Schicht aus gelbem Zementstaub auch gut erkennbar.

Der Mister hat seine Hefte aber von einem anderen Verkäufer, der sich die Bank vor dem Hotel mit ihm teilt. Sie sind am plaudern als wir ankommen. Sympathischer Typ, Metin, stellt er sich vor.

Wir können natürlich nicht wissen, ob Metin zu allen seinen Kunden so freundlich ist, aber wir werden in den kommenden Tagen noch erheblich von seinem Insiderwissen profitieren. Er kennt die besten Tourguides, hat den Bau des Oculus mit all seinen Problemen miterlebt, er erklärt uns das Subwaysystem, versorgt den Mister tagsüber auf seinem Fotoposten mit Sandwiches und Saft und gibt uns die besten Tips in welchen Seitenstraßen des Broadway man Restaurants findet.

Bezüglich des Frühstücks rät er uns von einem erneuten Besuch des Food Hubs im Oculus ab. Da drüben sei es gut, meint er, und zeigt auf ein würfelförmiges Gebäude ein Stück die Church Street hinunter. Eataly, steht daran, nettes Wortspiel.

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Das werden wir dann morgen mal ausprobieren.

Heute sind wir zu erschossen, um uns noch groß durch die Müll-Labyrinthe in die Tiefen des FiDi zu begeben.

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Es wird der Einfachheit halber der Burger King direkt neben dem Eataly. Die Mutter ist nach der gestrigen positiven McDo-Experience jetzt relativ aufgeschlossen, den Rest gibt die Tatsache, daß wir Metins Hochglanzmagazin entnehmen, daß dieser Burger King eine fundamentale Bedeutung bekam, als die Anschläge am 11. September geschahen. In diesem Gebäude wurde das Headquarter des New York Police Department untergebracht.

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Die Burger sind dann auch wieder gut, die Mutter sagt allerdings, daß King-Nuggets im Ranking hinter Mc-Nuggets zurückbleiben. Reisen bildet!

Der Abend klingt erneut auf den Bänken vor dem Millenium aus. Ich briefe Mutter und Mister, wann wir morgen am Battery Park sein müssen, denn morgen geht’s zur Freiheitsstatue und wir haben ja schon unseren Time-Slot gebucht.
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Re: Autumn in New York - 8 Tage im September 2022

Beitrag von Klara »

Mein New York Besuch war Anfang der 80-iger, aber witzig, wie sich manches ähnelt.
Der Göttergatte sollte amerikanischen Kollegen sein Projekt vorstellen, ich hatte also "Tagesfreizeit".
Suse hat geschrieben: 04 Jan 2023 17:04 Ich wünschte mir das Guggenheim Museum (von außen, weil ich die Architektur von Frank Lloyd Wright so liebe und noch nie eines seiner Gebäude „in echt“ gesehen habe) und das Museum of Modern Art, weil ich die Sternennacht von van Gogh mal „in echt“ sehen wollte. Beides war genau so toll wie vorgestellt.
Guggenheim Museumsbesuch stand oben an, von außen beeindruckend und auch innen eine besondere Atmosphäre fand ich. Ins MoMA lockten mich die Design Objekte des täglichen Bedarfs, kann ich mich doch wie ein kleines Kind freuen, wenn ich in einer Ausstellung was sehe, was mich auch zuhause erfreut, so nach dem Motto, das gefällt nicht nur mir, das ist auch anerkanntermaßen gut.

Macht wieder richtig Spaß weiterzulesen.
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Re: Autumn in New York - 8 Tage im September 2022

Beitrag von Suse »

Klara hat geschrieben: 12 Jan 2023 17:20
Guggenheim Museumsbesuch stand oben an, von außen beeindruckend und auch innen eine besondere Atmosphäre fand ich. Ins MoMA lockten mich die Design Objekte des täglichen Bedarfs, kann ich mich doch wie ein kleines Kind freuen, wenn ich in einer Ausstellung was sehe, was mich auch zuhause erfreut, so nach dem Motto, das gefällt nicht nur mir, das ist auch anerkanntermaßen gut.
Im Guggenheim drinnen waren wir gar nicht, mir war das Gebäude an sich erstmal wichtig. Aber im MoMA wars super, das kommt noch.

Ja, ich freu mich dann auch immer, wenn ich merke, daß nicht nur ich irgendwas gut finde, man denkt ja sonst, man wäre irgendwie merkwürdig, wenn niemand den eigenen Geschmack teilt. Aber im MoMA ist zum Beispiel ein ganzer Saal dem Bauhaus gewidmet und da dachte ich dann auch so, ach, es finden halt doch nicht alle häßlich, ganz im Gegenteil. :D
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Re: Autumn in New York - 8 Tage im September 2022

Beitrag von Suse »

Neuer Tag, neues Glück. Wir probieren das Eataly. Nachdem wir den Eingang über der H&M-Filiale gefunden haben, geht’s mit der Rolltreppe in den ersten Stock und vor uns tut sich ein italienisches Wunderland auf.

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Ein italienischer Supermarkt mit verschiedenen kleinen Snackbars, einer Eisdiele, am westlichen Ende zwei Restaurants mit Blick über den Hudson, und ganz am Ende einem Café mit Frühstücksangebot. Hier gibt es nichts Abgepacktes, frische Croissants mit Parma-Schinken, süße Teilchen und Obst. Der Kaffee kommt nicht im Pappbecher, sondern in richtigen Tassen, und hinter der Bar steht den ganzen Vormittag ein junger Mann und tut nichts anderes, als Orangen frisch auszupressen. Es ist quasi eine europäische Enklave mitten in Manhattan. :wink:

Von hier aus hat man zwar nur einen Blick in die Seitenstraße auf eingerüstete Wohnhäuser, aber auch das kann ganz interessant sein.

Der flexible New Yorker nutzt die Gunst der Stunde und bastelt sich einen Balkon, wo sonst keiner ist:

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Wir bestellen Croissants, die Mutter bekommt einen koffeinfreien Cappuccino, ich einen gigantischen Milchkaffee und der Mister einen O-Saft.

https://www.youtube.com/watch?v=qY2Vx8-yOsQ

Wir sind sogar so happy hier, daß wir nicht nur zum Frühstücken, sondern manchmal auch noch nachmittags auf einen Kaffee hier einkehren. Wir lieben das Eataly.

Günstigerweise liegt das Eataly heute auch schon in der richtigen Richtung, wir müssen ja heute pünktlich am Battery Park sein und unsere 10:00 Uhr-Fähre nach Liberty Island bekommen. Die Karten habe ich im Vorfeld über den Paß gebucht. Leider, so war auf der Seite nachzulesen, ist ein Besuch der Freiheitsstatue von innen zur Zeit und bis auf weiteres nicht möglich, Grund sind die Pandemiebestimmungen. Wir denken uns dann selbst, daß das vielleicht wirklich ganz sinnvoll ist. Der Mister, der schon drin war, meint, es sei auch wirklich sehr eng dort, und bei den Menschenmassen, die jeden Tag dort durchgeschleust werden, wäre es am Ende vielleicht wirklich ein Hotspot geworden.

Trotzdem sind wir ein bißchen enttäuscht, wir hätten gern mal aus der Krone rausgeguckt. Aber Hauptsache ist, wir sehen die Statue selbst endlich mal in natura.

Der Weg zum Battery Park ist nicht weit. Trotzdem müssen wir schon nach kurzer Strecke die erste Pause machen. Ein wirklich schöner Sessel ist mit ein paar anderen Möbeln sperrmüllmäßig an den Straßenrand gestellt worden und der Mister kann nicht widerstehen und muß probesitzen. Während ich das fotografiere, kommt ein sehr nach New Yorker Local aussehender Mann vorbeigehetzt, findet aber dennoch die Zeit uns zu sagen, wie schön er das findet, daß wir so viel Spaß haben. Weiter so, genießen Sie Ihre Aufenthalt in New York, ruft er noch im Vorbeigehen.

Berger Plaza. Schade, daß man das Vogelgezwitscher nicht hören kann:

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Genauso nett sind ein paar hundert Meter weiter ein paar Polizisten, die hinter der Berger Plaza gerade aus ihrem Auto gestiegen sind und sich auf dem Fußweg für den Arbeitstag schick machen. Einer kniet vor dem anderen und feudelt ihm nochmal fix über die schwarzen Lackschuhe. Wir trauen uns und fragen, ob wir davon ein Foto machen dürfen. Wir dürfen nicht nur, sie posieren extra für uns, mit Schuhbürste und in die Luft gehaltenem Bein. Es nur zu erzählen, kann die Situationskomik natürlich nur unzureichend wiedergeben.

Das ist aber auch nett, oder? Wenn er groß ist, will er mal ein Polizeiauto werden.

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Sein Vorbild:

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Aufkleber unten links. Das wird sehr ernst genommen.

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Im Battery Park angekommen eine endlose Schlange vor dem Durchlaß zur Fähre. Wir sind eigentlich zu früh, aber das interessiert niemanden. Diese Time-Slot-Geschichte dient vermutlich nur dazu, die Besucher ein klein wenig zu kanalisieren. Die Fähren fahren sowieso im Pendelverkehr und angesichts der Menschenmenge kann man überhaupt nicht beeinflussen, auf welche man letztlich kommt.

Die Rucksäcke werden gescannt, danach erneutes Schlangestehen. An Bord setzen wir uns auf eine der Bänke, was sich als Fehler erweist, denn die meisten anderen hier scheinen zu wissen, daß die Fähre zunächst an Liberty Island vorbei an den Anleger fährt und somit an steuerbord die besten Plätze sind. Irgendwie quetschen wir uns aber noch dazwischen.

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Als die Fähre dann die Freiheitsstatue passiert, recken alle wie auf Kommando ihre Handys in die Luft. Es sieht ein bißchen witzig aus, als wäre man bei einer okkulten Sekte, die einen Götzen anbetet und ihm kleine rechteckige Kästchen als Opfergabe darbietet.

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Wir haben unverschämtes Glück mit dem Wetter. Der Himmel über der Hudson Bay ist wolkenlos und von einem tiefen Blau, die Staute mit ihrer graugrünen Patina hebt sich davor ab wie gemalt. Wir umrunden den Sockel langsam und fotografieren in alle Richtungen und von allen Seiten und ab und zu auch uns gegenseitig.

Viele Besucher tragen Strahlenkränze aus grünem Filz, vor allem Mädchengruppen, sie sehen aus, wie bei einem englischen Junggesellinnenabschied, aber das ist ein Souvenir, das man hier kaufen kann. Meine Mutter kann nicht widerstehen und kauft sich auch eins, das sie dann auch den Rest des Tages trägt und mit dem sie sehr würdevoll aussieht. Jetzt haben wir unsere very own Lady Liberty.

Im Snackrestaurant gibt’s überteuertes Zeug, aber wir haben Hunger und holen uns ein Sandwich und ein paar Getränke. Es gibt vier Kassen, davon aber nur eine, an der man mit Bargeld bezahlen kann, und da ich als bargeldaffine Europäerin genügend dabei habe, überholen wir die Mengen der Kartenzahler, die neidischen Blicke im Rücken, hehe.

Der Nachmittag steht dann für Ellis Island zur Verfügung. Die Fähre braucht nur wenige Minuten zur Nachbarinsel.

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Wir verzichten auf eine Audiotour und schauen uns die Exponate lieber auf eigene Faust an. Die Ausstellung ist natürlich viel umfangreicher als im Bremerhavener Auswandererhaus und eine gute Ergänzung dazu.

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Die meisten Aufnahmen sind alles andere als schön. Hohlwangige Menschen mit tiefliegenden Augen aus aller Herren Länder, zusätzlich ausgezehrt von der langen Anreise und voller Angst, vielleicht abgewiesen zu werden. Auch Amerika war nicht für alle das Paradies. Warnhinweise für Berliner Mädchen:

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Von Ellis Island aus läßt sich Skyline mit dem dahinter liegende Brooklyn gut in Gänze erfassen.

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Auch von der Fähre aus hat man noch einen guten Blick auf Manhattan. Interessant finde ich vor allem die eingegrenzte Farbpalette, die die Stadt insgesamt hat. Die verschiedenen Sandsteintöne und dazu die Glasfassaden, die ja alle immer den jeweiligen Himmel widerspiegeln. Die Stadt ist nicht wirklich bunt, was ihr etwas Würdevolles gibt:

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Als wir wieder auf dem Festland sind, zerstreuen sich die Menschen sofort in alle Richtungen. Der Battery Park leert sich in Minutenschnelle. Wir haben es nicht so eilig, es ist schön hier und wir bleiben noch eine Weile auf einer Bank sitzen. Ein Straßenmusiker spielt chinesische Melodien auf einer Laute, weil die Musik so fremdartig ist, fällt es uns nicht gleich auf, aber irgendwann merken wir, daß er immer das gleiche Stück wiederholt. Mir gefällt es trotzdem sehr und er bekommt zwei Dollar in seine Mütze.

Zurück vor dem Millenium plumpsen wir wieder auf unsere Stammplätze gegenüber des Oculus und schauen dem Treiben noch eine Weile zu. Die touristischen Selfieschützen mischen sich mit den Angestellten, die in den Feierabend streben. Heute werden wir uns auf die Suche nach etwas anderem als Fast Food machen.

Die Seitenstraßen, die vom Broadway abzweigen, sind hier unten am Abend ruhig und manchmal wie ausgestorben, hier reiht sich nicht ein Lokal an das andere.

Diese Bank hatte ihre Schaufenster mit einer großformatigen Aufnahme des Broadways um 1900 verschönert. Vor dem Bild haben wir immer wieder gestanden und neue Details entdeckt:

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Mit den sich täglich türmenden Müllbergen haben die Fußwege etwas Labyrinthartiges.

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Aber dank Metins Tip, nicht aufzugeben, sondern tiefer in die Straßen hineinzugehen, finden wir, was wir suchen.

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Ein nettes, kleines Thai-Lokal. Nur zwei Tische draußen, die immer, wenn wir hier herkommen, besetzt sind, aber drinnen gibt es noch freie Tische.
Ich liebe thailändisches Essen, die Mutter lernt es jetzt zu lieben, und für den Mister bietet die Speisekarte eine ausreichende Auswahl an amerikanischem Fingerfood, heute werden es Chicken Wings. Die Mutter bekommt Bratnudeln und ich eine groooße Schüssel Tom Kha Gai mit Hähnchen, ein Traum!

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Am Abend sitzen wir auf unseren Stammplätzen und schauen in den Nachthimmel, es ist angenehm warm. Morgen soll es wieder schön werden und wir wollen mal schauen, wo New York ein bißchen wie Florida aussieht.
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Re: Autumn in New York - 8 Tage im September 2022

Beitrag von Suse »

Same procedure as evey day von jetzt an: Eataly. Wir frühstücken gemütlich und ohne Eile, da, wo wir heute hinwollen, braucht man kein Zeitfenster. Wir lassen uns treiben und genießen den Sonnenschein. Wobei man hier ja nie genau weiß, ob es echtes Sonnenlicht oder nur die Reflektion der Glasfassaden ist. Sonnenbrand bekommt man davon allerdings genauso. :wink:

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Wir besorgen uns ein paar üppig belegte Panini und ein paar Getränke für ein Picknick, denn heute geht es dorthin, wo wir vorgestern nicht mehr hin durften: Den Central Park.

Mit der Picknicktüte in der Hand stehen wir dann eine Weile dumm vorm Hotel herum, seltsamerweise kommt aber überhaupt kein freies Taxi vorbei. Die Nummer, wie ein paar coole New Yorker den Arm rauszuhalten (keiner von uns kann auf zwei Fingern pfeifen), will irgendwie nicht klappen. Schließlich trotten wir zur Rezeption um zu fragen, ob man uns ein Taxi rufen kann. Aber, sagt die Rezeptionistin, das übernimmt doch der Concierge für Sie!

Tatsächlich halten die Taxen rechts neben dem Hotel in der Fulton Street, da, wo wir bei Ankunft auch ausgestiegen sind. Der Concierge fragt nach unserem Ziel, tritt hinaus auf die Straße, hebt nur einmal kurz die Hand und wie durch Zauberhand erscheint ein Taxi. Hexenwerk! :shock:

Wir beschreiben, wo wir hinmöchten, nämlich am liebsten genau vor dem Guggenheim Museum abgesetzt werden.

Wieder geht es über die westliche Seite Manhattans nach Norden. Wir fahren eine ganze Weile die selbe Strecke, die wir vorgestern schon mit dem Bus gefahren sind, nur daß wir diesmal viel tiefer sitzen und nicht mehr bei Hugh Jackmann ins Fenster gucken können. Dafür bekommen wir mehr von den anderen Verkehrsteilnehmern mit.

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Da die 5th Avenue eine Einbahnstraße ist, die leider nur in südlicher Richtung befahren werden darf, muß er erst einmal mit uns ums Karree fahren und wir können einen ausgiebigen Blick auf die noble Upper East Side werfen, aber dann sind wir da und stehen vor dem Museum.

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Hinein möchten wir gar nicht, überhaupt sind wir nur auf meinen Wunsch hier. Solomon R. Guggenheim, der Großindustrielle, war ein spendabler Kunstmäzen, und Guggenheim-Museen gibt es mehrere auf der Welt und sicher sind die Sammlungen, die darin gezeigt werden, sehenswert und kostbar. Aber hier ist es das Gebäude selbst, das mich interessiert. 1939 erbaut und entworfen von Frank Lloyd Wright, der grauen Eminenz der amerikanischen Architektur, form follows function, das Leitmotiv des Bauhauses, quasi alle moderne Architektur, wie wir sie heute kennen, ist durch dieses Genie beeinflußt.

Aus Wisconsin stammend, erbaute er die meisten seiner Häuser im mittleren Westen der USA, aber zahlreiche Auftragsarbeiten auch in anderen Bundesstaaten, und dies ist eines davon und das erste überhaupt, das ich nicht nur auf einem Foto, sondern mit eigenen Augen sehe.
Organische Architektur, man erkennt es schon von außen, der runde Baukörper, in dessen Inneren sich ein spiralförmiges Treppenhaus befindet. Es gibt andere Gebäude von FLW, die ich weitaus schöner finde und denen ich auf dieser Reise überraschenderweise noch näher kommen werde, als ich erwartet habe, aber auch dieses ist für mich eine Augenweide. Der Mister und die Mutter sitzen geduldig auf einer Bank und warten auf mich, bis ich mich sattgesehen habe. Bevor wir gehen können, muß ich noch einmal hinüber auf die andere Straßenseite und die Handgriffe des Haupteingangs anfassen. Immerhin hat an dieser Tür schon Will Smith gerüttelt.

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Wie das Gebäude von innen aussieht, wissen die meisten von uns, ohne sich dessen vielleicht bewußt zu sein. Hier wurden zahlreiche Filmszenen gedreht, aber vor allem eine, die wahrscheinlich jeder kennt: die Verfolgungsjagd am Anfang von Men in Black.

https://www.youtube.com/watch?v=H73PtYtsl00

Mein erstes FLW-Gebäude! Ich freue mich sehr.

Der größte zusammenhängende Komplex von Frank Lloyd Wright-Gebäuden befindet sich übrigens in Florida, aber das war es nicht, was ich meinte, als ich schrieb, wir wollten schauen, wo New York wie Florida aussieht. Da gibt es noch einen anderen Ort, an den uns der Mister jetzt führt.

Den Central Park haben wir kaum betreten, als uns schon die ersten professionellen Dog-Walker entgegenkommen, ein Anblick, den ich irgendwie sehr mit der Stadt verbinde. Jeder ein Dutzend Hunde an Leinen, die an einem Gürtel um die Taille befestigt sind. Zum Glück sind es alles kleine Fußhupen, sonst hätten die sicher nichts zu lachen, wenn die Hunde auf die Idee kämen, in verschiedene Richtungen loszustürmen.

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Der Central Park ist ja riesig und natürlich kann man nicht alles, was sich hier anzuschauen lohnt, an einem Tag schaffen. Aber zum Glück liegt wenigstens das Guggenheim Museum schon ziemlich genau in dem Bereich, in den wir wollen, so daß wir nicht allzuweit zu laufen haben. Wir schlendern den East Drive hinunter, am Obelisken vorbei, über den wir erst kürzlich eine interessante Doku gesehen haben. Eigentlich ist es einer von zweien, die früher nebeneinander in Assuan standen. Aber jede große Metropole, die auf sich hielt, wollte früher ihren eigenen Obelisken, und so steht ihre Schwester heute in London am Embankment.

Cleopatra's Needle:

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Dann noch ein bißchen Herumsucherei nach der richtigen Abbiege und wir finden, was wir gesucht haben, den Turtle Pond.

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Es ist genau so, wie der Mister es uns angekündigt hat: Alles voller Schildkröten!

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Der Turtle Pond heißt nicht umsonst so, alle möglichen Arten leben hier, auch Schnappschildkröten, vor allem aber Floridianische Schmuckschildkröten. Und weil so schönes warmes Wetter ist, sitzen sie auch alle draußen auf den Granitblöcken am Ufer und sonnen sich.

Wir bleiben hier eine Weile, futtern unsere Panini und beobachten die Leute. Die meisten anderen Touristen waren wohl nicht auf die Schildkröten vorbereitet und kreischen begeistert herum, die Schröten sind aber echte coole New Yorker und rühren sich kein Stück vom Fleck. Die Angsthasen vom Lake De Soto würden sicher nicht tauschen wollen, schon allein wegen der kalten Winter nicht.

Danach wandern wir am Belvedere Castle vorbei, schauen über die Great Lawn, wandern durch die Rambles zum nächsten See, überqueren The Lake an der Oak Bridge

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und verlassen den Park am Diana Ross Playground vorbei auf den Central Park West. Abgelaufen haben wir dabei nur einen Bruchteil des Parks, da wäre noch so vieles, das man würde sehen wollen. Die Statue vom tapferen Balto, die Strawberry Fields, hier gibt es irgendwie nichts, das nicht mit Bedeutung und großen Namen aufgeladen ist.

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Oft ist es ja so, daß man viele Jahre ein bestimmtes Bild eines Ortes im Kopf hatte, bis man dann zum ersten Mal wirklich dort hingelangt, und danach ist die Phantasievorstellung verschwunden und durch das reale Erleben ersetzt. Nur hier funktioniert das für mich nicht. Wenn ich mich jetzt zurückerinnere, wie wir vom Belvedere Castle über den Turtle Pond auf die Great Lawn geschaut haben, ist die Erinnerung dennoch nicht so intensiv wie das Bild, das ich die längste Zeit meines Lebens vor mir sah, wenn ich an den Central Park dachte.

Ich war 14, als Hair in die Kinos kam, zu jung, um wirkliche Erinnerungen an die Hippie-Ära zu haben, aber keinesfalls zu jung, um fasziniert zu sein, und so wurden die Filmszenen, die hier gedreht wurden so prägend, daß der Central Park für mich vermutlich auf ewig der Ort sein wird, an dem das Zeitalter des Wassermanns beginnt.

https://www.youtube.com/watch?v=BTZArvbmG_o

Zurück geht es vom Central Park West mit dem Taxi. Ganz Manhattan scheint ja so eine Art Kreisverkehr zu sein, hinauf nach Norden geht es über die Westseite, will man zurück nach Süden, muß man den Franklin Delano Roosevelt Drive an der Ostseite nehmen.

Drüben in Brooklyn ist alles braun in braun, dazwischen der East River. An der Brooklyn Bridge geht’s wieder rechts raus und wir sind „zuhause“. Weil wir von unserem üppigen italienischen Picknick noch relativ satt sind, gibt’s heute nur ein leichtes thailändisches Curry, und dann früh aufs Zimmer. Skyline gucken und früh schlafen.

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Der Tag morgen ist ziemlich voll gepackt und ich bin ein bißchen aufgeregt, ob das denn alles so klappen wird, was ich vorbereitet habe.
Zuletzt geändert von Suse am 15 Jan 2023 13:48, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Autumn in New York - 8 Tage im September 2022

Beitrag von Klara »

Suse hat geschrieben: 10 Jan 2023 12:49 Bild
Das ist für mich so ein richtiges "Genießerbild". Man zieht den Vorhang nicht zu, obwohl man im Dunkeln besser schläft, wird wach, schaut und denkt, Mensch geht's uns gut. Ich hatte ja früher oft sehr einfache Unterkünfte, man ist ja doch selten auf dem Zimmer, aber im Laufe der Jahre lernte ich solche Zimmer zu schätzen, echt nachts mit offenem Mund dasitzt und sich gar nicht satt sehen kann.
Danke+LG
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Re: Autumn in New York - 8 Tage im September 2022

Beitrag von Klara »

Suse hat geschrieben: 11 Jan 2023 20:02 Eataly, steht daran, nettes Wortspiel.
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Das werden wir dann morgen mal ausprobieren.
In einem Eataly habe ich mich mal überfressen. Eigentlich hatte ich gar keinen Hunger, fand den Laden aber so klasse, suchte mir eine schokoladiges Getränk mit Sahnehäubchen aus und ein weißes Kuchenstück, das fluffig cremig aussah, sich aber im Gaumen als süß und fettig präsentierte. Ich kämpfte mit meiner Beute und mir war dann fast schlecht :lol:
Suse hat geschrieben: 11 Jan 2023 20:02 Bild
Gefällt mir gut, dass ihr die Müllberge auch immer zeigt.
LG Klara
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