Gators, Goethe, and the Grove - Florida 2022
Verfasst: 29 Aug 2022 18:32
Im März dieses Jahres, als das ganze Reiseglück noch von diesem einen Moment abhing, in dem man das hoffentlich negative Testergebnis in den Händen hielt, trauten wir uns kaum, uns irgendwie auf die Reise vorzufreuen. Es machte uns abergläubisch, als würde es nicht wahr werden, so wie wenn man seine Wünsche beim Anblick einer Sternschnuppe laut ausspricht.
Also beschäftigten wir uns eher indirekt mit den Reisezielen, während wir in selbst auferlegter Quarantäne zuhause saßen, und bekämpften den aufkommenden Lagerkoller mit alten Fotos, Alben und Videos. Dabei stolperte ich irgendwann über ein längst vergessenes Foto, das das Schaufenster eines Antiquitätengeschäfts in Key West zeigte. Ich erinnere mich noch, daß ich mich damals fragte, mit welcher Auswandererfamilie dieses Geschirr wohl in Key West gelandet sein mochte, wo es überhaupt keinen weißen Spargel gibt.
Oder vielleicht doch? Die Frage wurde auf einmal wieder interessant. Die Antwort, die ich während der Reise bekam, bestätigte meine Vermutung, daß ich dieses Jahr keinen Spargel essen und übrigens auch keinen Flieder würde klauen können. Denn unsere Reise würde nicht drei Wochen, nicht sechs Wochen, sondern die gesamte Spargelsaison lang sein und hatte schon im Zuge der Vorbereitungen so viele Sorgen aufgeworfen, daß der Verzicht auf ein Luxusgemüse eigentlich das geringste Problem war.
Schon seit Jahren hatte mich der Wunsch nach einer längeren Auszeit umgetrieben; einmal richtig lange reisen können, ohne Zeitdruck. Ende 2019 war die Zeit reif, und nicht zuletzt angestoßen durch die stetige Ermutigung durch Forumsmitglied belize unterschrieb ich den Teilzeitvertrag für ein dreimonatiges Sabbatvierteljahr von April bis Juni 2022. Wie freuten wir uns und malten uns aus, was wir alles würden tun können. Florida sollte natürlich dabei sein, den Rest der Zeit wollten wir für schwer erreichbare Inseln im Pazifik aufwenden, Inseln mit komplizierter An- und Abreise, für die man viel Zeit ohne Druck braucht, um sie richtig kennenlernen zu können.
Aber auch Florida sollte etwas Besonderes werden, endlich einmal richtig viel Zeit haben, um Orte zu besuchen, die Aufwand erfordern, zum Beispiel Fort Jefferson mit Übernachtung. Eine komplizierte Angelegenheit, zu der man alles, inklusive sein eigenes Trinkwasser selbst mitbringen muß. Bei so vielen Wochen würden wir die ganzen notwendigen Vorbereitungen realisieren können. Und als Reiseauftakt eine gute Woche Bahamas.
Für kurze Zeit waren wir euphorisch und glücklich. Um genau zu sein: zwei Monate. Und dann reckte die Pandemie ihr häßliches Haupt über den Horizont und ließ alle Pläne zerplatzen. Ich bin mir selten in meinem Leben so betrogen vorgekommen. Neben den üblichen Sorgen, die wir mit dem Rest der Welt teilten, wie kranke Verwandte im Ausland, die wir nicht besuchen durften, eine Beerdigung, zu der niemand kommen durfte, neben all diesen traurigen Dingen hatten wir nun noch eine Reise, die uns keine Freude, sondern nur noch mehr Sorgen machte.
24 Monate Ansparphase mit reduziertem Gehalt bei gleichzeitigem Wunsch, ein Maximum an Geld für die Reise zu sparen, sich jeden Monat einschränken und jeden Pfennig umdrehen, und das alles mit der Aussicht, die drei Monate dann vielleicht in Bad Lauterbach zu verbringen?
Aber die Rettung nahte in Form von Französisch Polynesien. Das Land hatte nach der Wahlkampftour von Macron im Frühjahr 2021 eine massive Coronawelle durchlaufen, nach deren Abklingen man zur Normalität überging. Die Grenzen wurden unter hohen Auflagen geöffnet, die sie nach und nach lockerten. Im Sommer 2021 trauten wir uns dann, konkrete Pläne zu machen, wir recherchierten und wurden fündig, tatsächlich ergaben sich so viele Möglichkeiten, daß wir uns vorkamen, wie Kinder im Süßigkeitenladen. Hier ein bißchen Tuatomus, da ein bißchen Marquesas und zum Schluß als Highlight die Australes.
Allerdings hatte das Ganze auch seine Schattenseiten, denn Französisch Polynesien ist wohl so eines der teuersten Reiseziele, die man sich aussuchen kann, und das hatte dann auch seine Auswirkungen auf die Florida-Pläne, denn hier war es eher so, als müßten wir die Süßigkeiten, die wir uns schon ausgesucht hatten, wieder zurück ins Regal stellen.
Als erstes flogen die Bahamas von der Liste. Nicht nur, weil wir die Florida-Zeit zugunsten der vielen Inseln in „EffPe“ kürzen mußten, auch pandemiebedingt gab es hier einige Unsicherheiten, die Anreise, damals nur mit British Airways über London nach Nassau, die Fährverbindungen ab Fort Lauderdale nach Grand Bahama waren eingestellt, da die Grenzen der USA seinerzeit ja noch fest verschlossen waren. Das war schon alles so vage und unsicher und hätte uns enorme Mehrkosten verursacht - die Bahamas wurden gestrichen.
Als nächstes mußte Key West dran glauben. Auch hier empfanden wir nicht nur Bedauern. Die Preise waren in dermaßen schwindelerregende Höhen geschossen, daß wir entschieden, die Regeln der freien Marktwirtschaft auch für uns anzuwenden, und Key West einfach mal eine Weile nicht nachzufragen. Ohnehin wären die Dry Tortugas nicht in die verbliebene Zeit zu stopfen gewesen, und auf eventuell nicht stornierbaren Tickets für die Yankee Freedom wollten wir auch nicht sitzen bleiben, falls die USA ihre Grenzen bis zu unserer Abreise nicht öffnen würden. Key West folgte dem Beispiel der Bahamas: Gestrichen! Übrig blieb am Ende nur der Flug und die erste Unterkunft in Miami, um die Voraussetzungen der "Pauschalreise" zu erfüllen.
Denn daß wir uns überhaupt trauten, die USA zu buchen lag nur daran, daß wir den gesamten Reiseverlauf, nachdem wir ihn zusammengestellt hatten, dem Reisebüro des Vertrauens übergaben, das auch tatsächlich alles, was wir uns wünschten, realisieren konnte. Wäre die Einreise in die USA am Ende doch nicht möglich gewesen, wäre hier der Veranstalter in der Verantwortung gewesen, uns eine Alternative beispielsweise in Form einer früheren Anreise in den Pazifik anzubieten. Und zusammen mit einer ebenso mühsam wie kostspielig zusammengestellten Reiserücktritts- und -abbruchversicherung mit Corona-Schutzpaket fühlten wir uns nun eigentlich in alle Richtungen gut abgesichert.
Aber selbst als im November dann die erlösende Nachricht kam, daß man im Weißen Haus nun „Science folgen“ und die Grenzen öffnen würde, ließ die Anspannung nicht nach. Trotz aller Entwicklungen stand das Reisekonstrukt ja weiterhin auf wackeligen Füßen, nicht zuletzt aufgrund der Risikofaktoren, die man selbst mitbringt.
Jeden Tag in der überfüllten Berliner U-Bahn, einkaufen gehen, berufstätig sein. Wir waren dreimal geimpft, aber wie man sah, nützte das nicht wirklich etwas, die Menschen infizierten sich ja trotzdem, also wurde weiter gestrichen, was das Zeug hält.
Dinge, die man sonst so vor Antritt einer Reise tut, die sonst teil der Vorbereitungen und Vorfreude sind, besonders, wenn es in die Tropen geht. Vorher mal aufs Münzmallorca oder in die Kabelkaribik, sich von Freunden und Verwandten mit einem Treffen verabschieden, die Reise mit einem Restaurantbesuch einläuten: Gestrichen, gestrichen und schon dreimal GESTRICHEN! Statt dessen 14 Tage selbst auferlegter Quarantäne in Gesellschaft unserer Sofakissen und alten Fotos.
Nun hätte ich den Reisebericht ja kaum angefangen, wäre nicht am Ende alles gut ausgegangen. Und ja, so war es dann, am 3. April 2022 hielten wir die negativen Tests in den Händen und feierten virtuell mit allen, die daran Anteil nahmen. Nach all den Streichungen ist wenig Neues übriggeblieben, sondern vor allem das uns Altvertraute, und der Bericht wird dem Reisebericht von 2018 ähneln. Die Fotos sind wieder zum weitaus überwiegenden Teil vom mr.minolta.
Also beschäftigten wir uns eher indirekt mit den Reisezielen, während wir in selbst auferlegter Quarantäne zuhause saßen, und bekämpften den aufkommenden Lagerkoller mit alten Fotos, Alben und Videos. Dabei stolperte ich irgendwann über ein längst vergessenes Foto, das das Schaufenster eines Antiquitätengeschäfts in Key West zeigte. Ich erinnere mich noch, daß ich mich damals fragte, mit welcher Auswandererfamilie dieses Geschirr wohl in Key West gelandet sein mochte, wo es überhaupt keinen weißen Spargel gibt.
Oder vielleicht doch? Die Frage wurde auf einmal wieder interessant. Die Antwort, die ich während der Reise bekam, bestätigte meine Vermutung, daß ich dieses Jahr keinen Spargel essen und übrigens auch keinen Flieder würde klauen können. Denn unsere Reise würde nicht drei Wochen, nicht sechs Wochen, sondern die gesamte Spargelsaison lang sein und hatte schon im Zuge der Vorbereitungen so viele Sorgen aufgeworfen, daß der Verzicht auf ein Luxusgemüse eigentlich das geringste Problem war.
Schon seit Jahren hatte mich der Wunsch nach einer längeren Auszeit umgetrieben; einmal richtig lange reisen können, ohne Zeitdruck. Ende 2019 war die Zeit reif, und nicht zuletzt angestoßen durch die stetige Ermutigung durch Forumsmitglied belize unterschrieb ich den Teilzeitvertrag für ein dreimonatiges Sabbatvierteljahr von April bis Juni 2022. Wie freuten wir uns und malten uns aus, was wir alles würden tun können. Florida sollte natürlich dabei sein, den Rest der Zeit wollten wir für schwer erreichbare Inseln im Pazifik aufwenden, Inseln mit komplizierter An- und Abreise, für die man viel Zeit ohne Druck braucht, um sie richtig kennenlernen zu können.
Aber auch Florida sollte etwas Besonderes werden, endlich einmal richtig viel Zeit haben, um Orte zu besuchen, die Aufwand erfordern, zum Beispiel Fort Jefferson mit Übernachtung. Eine komplizierte Angelegenheit, zu der man alles, inklusive sein eigenes Trinkwasser selbst mitbringen muß. Bei so vielen Wochen würden wir die ganzen notwendigen Vorbereitungen realisieren können. Und als Reiseauftakt eine gute Woche Bahamas.
Für kurze Zeit waren wir euphorisch und glücklich. Um genau zu sein: zwei Monate. Und dann reckte die Pandemie ihr häßliches Haupt über den Horizont und ließ alle Pläne zerplatzen. Ich bin mir selten in meinem Leben so betrogen vorgekommen. Neben den üblichen Sorgen, die wir mit dem Rest der Welt teilten, wie kranke Verwandte im Ausland, die wir nicht besuchen durften, eine Beerdigung, zu der niemand kommen durfte, neben all diesen traurigen Dingen hatten wir nun noch eine Reise, die uns keine Freude, sondern nur noch mehr Sorgen machte.
24 Monate Ansparphase mit reduziertem Gehalt bei gleichzeitigem Wunsch, ein Maximum an Geld für die Reise zu sparen, sich jeden Monat einschränken und jeden Pfennig umdrehen, und das alles mit der Aussicht, die drei Monate dann vielleicht in Bad Lauterbach zu verbringen?
Aber die Rettung nahte in Form von Französisch Polynesien. Das Land hatte nach der Wahlkampftour von Macron im Frühjahr 2021 eine massive Coronawelle durchlaufen, nach deren Abklingen man zur Normalität überging. Die Grenzen wurden unter hohen Auflagen geöffnet, die sie nach und nach lockerten. Im Sommer 2021 trauten wir uns dann, konkrete Pläne zu machen, wir recherchierten und wurden fündig, tatsächlich ergaben sich so viele Möglichkeiten, daß wir uns vorkamen, wie Kinder im Süßigkeitenladen. Hier ein bißchen Tuatomus, da ein bißchen Marquesas und zum Schluß als Highlight die Australes.
Allerdings hatte das Ganze auch seine Schattenseiten, denn Französisch Polynesien ist wohl so eines der teuersten Reiseziele, die man sich aussuchen kann, und das hatte dann auch seine Auswirkungen auf die Florida-Pläne, denn hier war es eher so, als müßten wir die Süßigkeiten, die wir uns schon ausgesucht hatten, wieder zurück ins Regal stellen.
Als erstes flogen die Bahamas von der Liste. Nicht nur, weil wir die Florida-Zeit zugunsten der vielen Inseln in „EffPe“ kürzen mußten, auch pandemiebedingt gab es hier einige Unsicherheiten, die Anreise, damals nur mit British Airways über London nach Nassau, die Fährverbindungen ab Fort Lauderdale nach Grand Bahama waren eingestellt, da die Grenzen der USA seinerzeit ja noch fest verschlossen waren. Das war schon alles so vage und unsicher und hätte uns enorme Mehrkosten verursacht - die Bahamas wurden gestrichen.
Als nächstes mußte Key West dran glauben. Auch hier empfanden wir nicht nur Bedauern. Die Preise waren in dermaßen schwindelerregende Höhen geschossen, daß wir entschieden, die Regeln der freien Marktwirtschaft auch für uns anzuwenden, und Key West einfach mal eine Weile nicht nachzufragen. Ohnehin wären die Dry Tortugas nicht in die verbliebene Zeit zu stopfen gewesen, und auf eventuell nicht stornierbaren Tickets für die Yankee Freedom wollten wir auch nicht sitzen bleiben, falls die USA ihre Grenzen bis zu unserer Abreise nicht öffnen würden. Key West folgte dem Beispiel der Bahamas: Gestrichen! Übrig blieb am Ende nur der Flug und die erste Unterkunft in Miami, um die Voraussetzungen der "Pauschalreise" zu erfüllen.
Denn daß wir uns überhaupt trauten, die USA zu buchen lag nur daran, daß wir den gesamten Reiseverlauf, nachdem wir ihn zusammengestellt hatten, dem Reisebüro des Vertrauens übergaben, das auch tatsächlich alles, was wir uns wünschten, realisieren konnte. Wäre die Einreise in die USA am Ende doch nicht möglich gewesen, wäre hier der Veranstalter in der Verantwortung gewesen, uns eine Alternative beispielsweise in Form einer früheren Anreise in den Pazifik anzubieten. Und zusammen mit einer ebenso mühsam wie kostspielig zusammengestellten Reiserücktritts- und -abbruchversicherung mit Corona-Schutzpaket fühlten wir uns nun eigentlich in alle Richtungen gut abgesichert.
Aber selbst als im November dann die erlösende Nachricht kam, daß man im Weißen Haus nun „Science folgen“ und die Grenzen öffnen würde, ließ die Anspannung nicht nach. Trotz aller Entwicklungen stand das Reisekonstrukt ja weiterhin auf wackeligen Füßen, nicht zuletzt aufgrund der Risikofaktoren, die man selbst mitbringt.
Jeden Tag in der überfüllten Berliner U-Bahn, einkaufen gehen, berufstätig sein. Wir waren dreimal geimpft, aber wie man sah, nützte das nicht wirklich etwas, die Menschen infizierten sich ja trotzdem, also wurde weiter gestrichen, was das Zeug hält.
Dinge, die man sonst so vor Antritt einer Reise tut, die sonst teil der Vorbereitungen und Vorfreude sind, besonders, wenn es in die Tropen geht. Vorher mal aufs Münzmallorca oder in die Kabelkaribik, sich von Freunden und Verwandten mit einem Treffen verabschieden, die Reise mit einem Restaurantbesuch einläuten: Gestrichen, gestrichen und schon dreimal GESTRICHEN! Statt dessen 14 Tage selbst auferlegter Quarantäne in Gesellschaft unserer Sofakissen und alten Fotos.
Nun hätte ich den Reisebericht ja kaum angefangen, wäre nicht am Ende alles gut ausgegangen. Und ja, so war es dann, am 3. April 2022 hielten wir die negativen Tests in den Händen und feierten virtuell mit allen, die daran Anteil nahmen. Nach all den Streichungen ist wenig Neues übriggeblieben, sondern vor allem das uns Altvertraute, und der Bericht wird dem Reisebericht von 2018 ähneln. Die Fotos sind wieder zum weitaus überwiegenden Teil vom mr.minolta.