Motus, Muscheln, Menschenfresser - Zwei Monate in Französisch Polynesien

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Suse
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Re: Motus, Muscheln, Menschenfresser - Zwei Monate in Französisch Polynesien

Beitrag von Suse »

Klara hat geschrieben: 20 Feb 2023 12:41
Ich dacht bis zum Schluß, jetzt kommt gleich ne Flasch hochprozentiges ins Bild, die den Song als polynesiche Bacardi-Werbung entlarvt :lol:
Danke + LG
Klara
Nee, das ist schon echter polynesischer Pop. Ich mag das Lied total, aber die Welle, die die da surfen, das ist nicht die echte. :lol:
Wenn du keine Kokosmilch hast, machste einfach normales Wasser.
- Grubi -

https://s12.directupload.net/images/210215/bx7vkcag.jpg
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Suse
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Re: Motus, Muscheln, Menschenfresser - Zwei Monate in Französisch Polynesien

Beitrag von Suse »

Am nächsten Vormittag werden wir um 10 Uhr abgeholt, pünktlich zum Auschecken. Die Verabschiedung von der Fare Suisse-Mannschaft ist herzlich, die Mädels, die hier arbeiten, sind alle polynesische Schönheiten wie aus dem Bilderbuch, dabei aber vollkommen ungekünstelt, natürlich und herzlich, wir können gar nicht sagen, welche wir am liebsten mögen.

Vor der Tür erwartet uns ein Großraumtaxi, Alloic Transport steht drauf, das ist also für uns. Daneben ein Hüne von einem Mann, rotblonde Haare, Hände wie Bratpfannen. Wenn das ein Franzose ist, haben sich die keltischen Gene aber gewaltig durchgesetzt. Er stellt sich uns als Loïc vor. Alloic, so kapieren wir schnell, ist mal also mal wieder eine dieser Wortkompositionen, diesmal aus Aller und Loïc, was dann soviel heißt wie "Fahren mit Loïc ". Alle Franzosen, die ich kenne, lieben sowas, Akronyme, Wortspiele, solche Sachen halt.

Er öffnet die Heckklappe und quetscht unser Gepäck neben ein riesiges Surfbrett. Oh, denke ich, da haben wir schon Surfer als Mitfahrer. Aber das Surfbrett gehört keinen Gästen, das ist seins, und auch die Erklärung, warum ihm der Job in der Personenbeförderung so gut gefällt. Er hat immer ein Auge beim Meer und wenn es irgendwo nach guten Bedingungen aussieht, fährt er hierher zurück, sobald er seine Gäste abgesetzt hat, und surft eine Runde. Das Geschäft sei während der Pandemie aber nicht gut gelaufen, er freut sich, daß er jetzt wieder mehr Kunden hat. Mit dem Mister unterhält er sich auf Englisch, mit mir auf Französisch und er ist sehr interessiert an uns als deutschen Gästen, die hat er wohl nicht so oft.

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Er fragt uns, was wir von der Insel schon gesehen haben und wir erzählen von der Fahrt durch Papeno'o mit den kaputten Stoßdämpfern und von unserer Inselrundfahrt, die wir sehr informativ fanden. Was uns der Guide denn alles gezeigt hätte, fragt er uns, und als wir berichten, ist er ein bißchen entrüstet. Abgesehen von dem Ingwer und dem Rambutan, ob wir da keine der inseltypischen Früchte zu essen bekommen hätten und ob er mit uns nicht mal an einem typischen Verkaufsstand angehalten hätte, wo die Einheimischen ihre Mape und ihre Vi kaufen. Nie gehört, sagen wir. Na, sagt er, das geht ja gar nicht.

Unterwegs erzählt er uns all die Dinge, die die Reiseführer nicht erzählen. Drogen, sagt Loïc, sind ein Riesenproblem auf den Inseln, Heroin und auch Schlimmeres, wie Crack und Meth. Na, das kommt uns bekannt vor, die Entwicklung haben wir schon auf den Seychellen beobachtet und sehen müssen, wie Leute, die wir früher als fitte Typen kannten, bei späteren Reisen als ausgemergelte Gestalten herumliefen. Auf Tahiti findet der Drogenhandel vor allem über vorgetäuschte Obsthändler statt, erklärt er uns, solche Stände nennt man Déco Vente, Verkaufsstände, die nur zur Tarnung aufgebaut werden und an denen die Ware eigentlich eine andere ist. Natürlich gibt es an solchen Ständen auch Obst, das Deko-Obst eben, aber das tauge nichts, denn die Mühe, jeden Tag frisches oder selbst gezogenes hinzulegen, machten sich die Drogenhändler natürlich nicht. Man muß also wissen, welcher Stand ein echter ist und Loïc hat da die Verkäuferin seines Vertrauens.

Und die ist ein echtes Original, eine zahnlose Alte mit Zigarre im Mundwinkel. Loïc, der, wie er uns später erzählt, mit einer Tahitianerin verheiratet ist, spricht fließend Tahitianisch und bestellt für uns eine Tüte Mape, eine Eßkastanienart, die hier gedämpft zubereitet wird. Sie werden warm gegessen, haben eine mehlige Konsistenz und schmecken nussig, sehr lecker. So sehen sie aus:

https://www.flickr.com/photos/yumievriwan/5580633078

Was wir außerdem essen müssen, ist eine Frucht, die er als Tahitianische Mango bezeichnet und Vi genannt wird. Die Früchte sind rund wie Äpfel, saftig wie Pfirsiche und faserig wie Mangos und schmecken sehr erfrischend.

Unterwegs teilen wir die Mape mit Loïc, sie sind köstlich. Nach einigen Kilometern erreichen wir den Kreisel von Taravaro. Hier überquert man den Isthmus, an dem das kleine Tahiti am großen hängt, und wenn man im Kreisel rechts rausfährt, ist man in einer anderen Welt. Tahiti Iti ist die kleine, fast unbekannte Schwester von Tahiti Nui und dennoch der Teil der Insel, in dem man sich vor fehlenden Fremsprachenkenntnissen am wenigsten fürchten muß, denn hierher kommen die meisten englischsprachigen Touristen, alles Surfer, die zumeist ihre festen Familien haben, bei denen sie während der Saison ab August immer wieder absteigen.

Weder der Mister noch ich selbst sind Surfer und daß ich diesen Teil der Insel noch lange vor dem großen Tahiti und allen anderen Teilen Französisch Polynesiens am besten kannte, hat eine kuriose Vorgeschichte, die schon 20 Jahre zurückliegt. Damals wohnten wir während eines Aufenthalts auf der Réunion bei einer kreolischen Familie, mein Onkel hatte dort, auf seiner Heimatinsel, für mehrere Monate ein Haus auf dem Grundstück der Familie gemietet. Die Eigentümer waren erst vor wenigen Jahren auf die Réunion zurückgekehrt, der Mann war ein ex Militär, der viele Jahre auf Tahiti stationiert war. Das gesamte Haus und auch mein Zimmer im Obergeschoß waren mit tahitianischen Erinnerungsstücken dekoriert und direkt neben meinem Bett hing eine große Landkarte, die morgens das erste war, was ich sah, wenn ich aufwachte. Kurzsichtig wie ich bin, war der einzige Teil der Karte, den ich ohne Brille erkennen konnte, der unten rechts mit Tahitit Iti, während der Rest sich weiter oben links befand und für mich nur verschwommen zu sehen war. Die Karte war natürlich eine französische und hier hieß die Halbinsel dann auch nicht Tahiti Iti, sondern Presqu'ile de Taiarapu, nach der größten Gemeinde hier. Unten an der Südküste Tahiti Itis, also quasi direkt vor meiner Nasenspitze, befand sich der Ort Teahupoo und ich konnte durchaus sehen, daß die Halbinsel keine vollständige Küstenstraße hatte, sondern diese genau hier, in Teahupoo endete.

http://maureen.canalblog.com/archives/2 ... 43501.html

Unsere Gastgeber, die ich danach fragte, lachten sich kaputt. Ob Tahiti schön sei? Kein bißchen, die Réunion sei ungleich schöner. Tahiti habe keine Strände, nur schwarzes Lavageröll, und sonst nur undurchdringliche Berge, das sei doch nichts, sie seien so froh, wieder zuhause zu sein. Ehrlich gesagt, befeuerte das meine Phantasie noch viel mehr. Und das eigentliche Geheimnis von Teahupoo kannte ich dabei noch nicht einmal.

Während ich also abends mit Teahupoo vor der Nase einschlief und morgens damit aufwachte, malte ich mir aus, wie das wohl dort sein würde, auf dieser Insel, die so ganz anders wirkte als das Klischeebild von Bora Bora. Das sah wild aus und ungezähmt und abenteuerlich und irgendwann, so beschloß ich, wollte ich da hin. Am liebsten irgendwo ans Ende der Straße.

Der Wunsch überdauerte die Jahre und so hatten wir jetzt auch kurzfristig auch in Erwägung gezogen, eines der Gästehäuser in der nur noch per Boot erreichbaren Wildnis zu buchen, von der aus man zu Fuß zu Wasserfällen im Wald hätte wandern können, bis uns dann eine andere Unterkunft so sehr ansprach, daß wir sie einfach nehmen mußten. Und nun sind wir sehr gespannt, ob sie hält, was sie verspricht.

Wir fahren eine steile Bergstraße hoch und erreichen auf einem Plateau unser Gästehaus.

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In den Hang gebaut sind mehrere kleine Bungalows, die sich um zwei Pools gruppieren


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in der Mitte das Restaurant und die Rezeption.

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Das ist die Vanira Lodge.

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Loïc kennt alle Gästehausbetreiber hier und quatscht mit der Rezeptionistin, während er unsere Koffer irgendwohin außerhalb unserer Sichtweite hinter eine Hecke schleppt. Als er sich verabschiedet, freuen wir uns jetzt schon auf die Rückfahrt, Loïc ist ein echter Hauptgewinn, eine Inselrundfahrt mit ihm wäre vermutlich das Hightlight, niemand scheint sich hier besser auszukennen als er.

Beim Einchecken können wir uns schon kaum sattsehen, alle Unterkünfte sind aus Naturmaterialien gefertigt, alles sehr öko, sehr viel grün.

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Vanira bedeutet Vanille auf Tahitianisch, die hier zwar nicht wächst, aber dafür alles andere, was man sich nur vorstellen kann. Die Lodge liegt hoch am Berg und der Ausblick ist grandios.

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In der Ferne das Riff, dahinter die Küstenlinie von Tahiti Nui, es ist wunderschön.

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Aber das Beste haben wir noch gar nicht gesehen, und das ist Haari.

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Haari ist unser kleiner Bungalow, eine richtige Hobbithöhle, mit begrüntem Dach, von dem die Farne und Rankpflanzen wuchern.

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Vor der Terrasse wachsen uns die Lychees direkt in den Mund

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eine Hühnerschar flüchtet gackernd vor uns ins Unterholz, die Sperbertauben gurren und auf den Fliesen auf der Terrasse sonnen sich die Eidechsen. Und das ist alles nur für uns. Wir lieben Haari von der ersten Sekunde.

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Wir richten uns häuslich ein und verstauen unseren Proviant. Neben den vielen Vi, die Loïc für uns gekauft hat, können wir die reifen Lychee direkt vom Baum pflücken. Dem Geschmack nach sind es auch Lychee und keine Rambutan, aber trotzdem, es ist wie im Paradies.

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Abends essen wir im Restaurant, das von Nahe überwuchert ist.

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Die Speisenauswahl ist nicht umfangreich, wie im Fare Suisse gibt es nur drei Gerichte, aber die haben es in sich. Ich wählen blaue Shrimps, hier vor Ort gezüchtet, und der Mister ein Sauté de Boeuf in Morchelsauce.

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Nicht nur das Essen ist nobel, auch die Atmosphäre ist anders als im Fare Suisse, weniger hemdsärmlig, die Mitarbeiter haben eine professionelle Ausbildung in der Hotellerie, das merkt man. Es ist angenehm, aber wir mögen das unprofessionell-herzliche der Mädels im Fare Suisse lieber, bei dem nicht immer alles glatt ging auch mal etwas vergessen wurde.

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Aber natürlich hat das hier Klasse und wir wußten es ja auch vorher. Aber der eigentliche Grund, weshalb wir die Vanira Lodge gewählt haben, ist die Natur. Und der Sonnenuntergang gibt dann auch alles, uns willkommen zu heißen.

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Anders als in Papeete gibt es hier Moskitos und anders als in Papeno'o gibt es hier nächtliche Naturlaute, vor allem der Mynah Birds, die uns beim Abendessen schon Gesellschaft geleistet haben.

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Man hört es Rascheln, Flöten, Piepsen. Wir liegen unter unserem Moskitonetz und lauschen in die Nacht.

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Ich kann lange nicht einschlafen und denke darüber nach, ob der Ort halten wird, was ich mir seit bald 20 Jahren ausmale. Der Mister ist so fasziniert von der Vanira Lodge und ihren Pflanzen, daß er schon angekündigt hat, den ganzen Tag fotografieren und filmen zu wollen, aber ich werde morgen losfahren, bis zum Ende der Straße, wo die Welt zuende ist. Und wo man das findet, das Teahupoo so besonders macht und das sie hier "flüssiges Napalm" nennen.

Denn das ist das eigentliche Geheimnis von Teahupoo, eine der gefährlichsten Wellen der Welt.

Das Video von Rangitea im letzten Beitrag war mal die Erkennungsmusik von Air Tahiti und das Video zeigt dementsprechend gefällige Bilder vom Surferidyll Tahitis. Aber die Welle, die sie dort surfen, ist nicht die echte.

Die echte sieht so aus:

https://www.youtube.com/watch?v=KWjqicp6Lt0
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Re: Motus, Muscheln, Menschenfresser - Zwei Monate in Französisch Polynesien

Beitrag von Klara »

Suse hat geschrieben: 20 Feb 2023 23:23 Bild
Als ich euern New York Bericht las, dachte ich noch, da merke ich, wie sehr Großstädte meine Lebensgeister wecken, aber das hier ist echt zum Hinträumen. Wunderbar, dass ihr euch das ausgesucht habt, herrlich, Genuß pur.
LG
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Re: Motus, Muscheln, Menschenfresser - Zwei Monate in Französisch Polynesien

Beitrag von Suse »

Weil es in der Vanira Lodge geruhsamer zugeht und die meisten Gäste länger bleiben, kommt man jetzt schon mal mit dem einen oder anderen ins Gespräch. Die meisten bleiben ein paar Tage und haben einen Mietwagen. Tahiti Iti ist die Kornkammer Tahitis und auch die Molkerei. Die landwirtschaftlich genutzten Flächen im Inland sollen mit ihren großen Weideflächen an die Normandie erinnern, sagen die Franzosen. Trotz des "Iti" ist die Halbinsel ja riesengroß und der größte Teil ist weder besiedelt noch erschlossen, das ist das Fenua aihere, das wilde Land. Die Menschen, die hier an der Küste leben, wollen es genau so behalten. Sie kämpfen gegen weitere Hotels und auch gegen die Komplettierung der Küstenstraße. Sie benutzen lieber das Boot.

Wir haben keinen Mietwagen, wir beschränken uns auf Teahupoo. Wir haben ohnehin nur vier Tage hier und die wollen wir der Welle, dem Ort und der schönen Vanira Lodge widmen. Dafür sind wir nun also auf Fahrräder angewiesen, die die Vanira Lodge zwar kostenlos zur Verfügung stellt, aber leider taugen die nicht viel.

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Auf dem Parkplatz gibt es eine Schutzhütte aus Blech, aber das nützt so nah am Meer ja sowieso nichts, die Räder sind alle rostig und gammlig und Werkzeug hat man auch auf mein Nachfragen nicht. Ich finde einen zu meiner Größe passenden Beachcruiser, so ein Fahrrad hatte ich früher selbst mal, bis es mir geklaut wurde, und habe es geliebt, auch wenn es keine Gangschaltung hatte. Hat auch dieses nicht, braucht man aber wohl auch nicht, da keine Berge zu überwinden sind.

Die super steile Zufahrtsstraße runter zur Küste muß ich schieben und komme an mehreren von zwei großen Hunden bewachten Grundstücken vorbei. Es sind immer zwei und ich weiß auch warum, denn vor vielen Jahren bekam ich es beruflich mal mit einem Ex-Sträfling zu tun, der sozusagen vom Fach war und mir sagte, das einzige, das professionelle Einbrecherbanden respektierten, seien zwei große Hunde, da nichts schwerer zu kontrollieren sei. Alarmanlagen seien dagegen nutzlos. Das scheint man hier auch zu wissen, denn die Hunde sehen alle aus wie eine Mischung aus Dogo Argentino und Mastiff und sind wirklich zum Fürchten. Die Grundstücksgrenzen respektieren sie aber. Die streunenden Hunde, die man sieht, laufen meist mitten auf der Straße, die wissen schon warum.

Vertrauter Anblick: Das Spanish Moss an den Bäumen. Es ist sicher nicht die gleiche Art wie in Florida, sieht aber zumindest genauso aus.

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Bis zum Ende der Straße in Teahupoo sind es von hier aus ungefähr 2 Kilometer, es gibt einen schmalen Radweg parallel zur Straße, teilweise ist er überwuchert, aber die Autofahrer nehmen Rücksicht. Die Polynesier fahren alle E-Bikes und sausen an mir vorbei. Die meisten grüßen freundlich. Ich halte die Augen auf nach Schildern von Taxibooten, die uns an einem der kommenden Tage zur Welle bringen sollen, ein paar sehe ich auch, selbstgebastelt hängen sie in den Bäumen, die Grundstücke sind aber alle verschlossen und hinter der Mauer warten vermutlich zwei große Hunde. Ich mache mal ein Foto, wegen der Telefonnummern. Die Einfahrt zur Marina, von der aus die Boote ablegen sollen, sehe ich im Vorbeifahren nicht, dafür aber die Shrimps-Zuchtanlage, aus der vermutlich die superleckeren blauen Shrimps stammten, die ich gestern gegessen habe.

Und dann bin ich da. Die Straße endet in einem Wendehammer und hier ist eindeutig Schluß, denn auch Tahiti Iti hat sein eigenes System der Points kilométriques und hier ist PK0. Mitten auf dem Platz das Wahrzeichen des Ortes, die Welle aus bemaltem Zement. Weil ich allein bin und niemanden habe, der mich fotografieren könnte, verzichte ich mal drauf, mich auf das Surfbrett zu stellen. Es ist auch niemand hier, den ich fragen könnte.

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Überhaupt ist hier niemand, wenn man mal von ein paar Jugendlichen absieht, die vor dem öffentlichen Klohäuschen abhängen. Was sie tun, würde den Linemen in Lake City Freude machen, man kann es riechen. Das Klohäuschen ist mit Graffiti zum Thema Surfen besprüht, aber weder die noch die vorbeiziehenden Marihuanawolken, von denen ich sicher einiges eingeatmet habe, versetzen mich nicht in euphorische Stimmung über den Ort.

Nicht, daß es verdreckt wäre, das ist Tahiti sowieso generell nicht, die Sauberkeit ist für ein tropisches Land auffällig. Das läge daran, daß es inzwischen verboten sei, auf den Ladeflächen der Pickups Leute mitzunehmen, hat uns Loïc auf der Hinfahrt erzählt. Seither würde während der Fahrt nichts mehr in die Gegend geworfen. Wir sehen zwar noch ab und zu Leute, die sich an das Verbot nicht halten, aber Müll am Straßenrand gibt es tatsächlich keinen. Trotzdem ist das hier von einer außerordentlichen Trostlosigkeit.

Was hatte ich erwartet? Ein bißchen Leben, nichts Künstliches wie am Venice Beach natürlich, aber ein paar gut gelaunte Surfer mit Brettern unter dem Arm, Einheimische und Touristen, die sich mischen, bißchen Street Food und natürlich auch den einen oder anderen Stand mit lokalen Produkten. Sie legen doch hier so viel Wert auf ihre Authentizität und wollen keine Eindringlinge, die den Ort zu vermarkten drohen, was ich feiere, aber so ist es ja auch ein bißchen sehr nüchtern.

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Über den Fluß, der hier ins Meer mündet und dessen Süßwasser für die besondere Küstentopographie verantwortlich ist, die die Welle von Teahupoo erst ermöglicht, spannt sich eine Fußgängerbrücke, der Weg dahinter führt ins NIchts wie es aussieht, und verläuft irgendwo zwischen Wald und einem schmalen Streifen Lavastrand. Auf dem Brückengeländer werfen die großen Ereignisse ihre Schatten voraus, Teahupoo 2024, Werbung für die Olympiade, gegen die sie sich hier so heftig wehren. Immerhin konnte bislang verhindert werden, daß eine Massenunterkunft gebaut wurde, die später in ein Hotel oder ähnliches umgewidmet wird, denn genau das wollen sie hier ja nicht. Die Überlegungen gehen nun in Richtung eines temporären Gebäudes, das danach zurückgebaut wird, ohne Spuren zu hinterlassen. Die Frage, warum man die Surfelite der Welt, die sowieso regelmäßig hierher kommt, nicht einfach bei den Familien wohnen läßt, bei denen sie sonst auch wohnen, beantwortet sich damit, daß der olympische Gedanke ja besagt, daß alle die gleichen Voraussetzungen haben sollen; da soll nicht der eine besser essen und der andere bequemer schlafen, weil er bei der wohlhabenderen Familie untergekommen ist. Ehrlich gesagt, hatte ich noch nie darüber nachgedacht, weshalb man zu allen Spielen immer olympische Dörfer baut.

Heute macht auch die Welle nicht viel her, hier am Ufer sind die einzigen Zuschauer die Seeschwalben auf den Stromleitungen.

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Ein einzelnes Taxiboot ist trotzdem draußen. Darum werde ich mich noch kümmern müssen, aber ansonsten habe ich genug. Was auch immer ich mir in all den Jahren ausgemalt hatte, wie es hier sein würde, so jedenfalls nicht.

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Der Mister hingegen sprudelt über vor Begeisterung über seinen Tag in der Vanira Lodge. Er nimmt zwar mitfühlend zur Kenntnis, daß ich enttäuscht bin, aber die Unterkunft, reißt es dafür ja dreifach wieder raus.

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Damit hat er recht, die Vanira Lodge ist ein Botanischer Garten, mit der Süßwasserquelle hinter dem Restaurant, an der wir unsere Trinkwasserflaschen füllen, eher ein Garten Eden. Und er hat den ganzen Tag darauf verwendet, das in Film und Foto festzuhalten.

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Im Bambushain

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Brotfrucht

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Strelitzie

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Papaya

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Wollen das Lychees werden, wenn sie groß und rot sind?

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Und meine Lieblinge: "Fiddlehead"-Austrieb eines Nahe

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und ein epiphytischer Farn, es müßte Pyrrhosia Lingua sein

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Nach dem Abendessen bleiben wir noch lange im Restaurant sitzen, denn stabiles W-LAN gibt es nur hier. Ich forste die Seiten nach den Taxibootanbietern durch. Darunter fällt vor allem einer durch besonders gute Bewertungen auf, vor anderen wird regelrecht gewarnt. Der besonders Empfehlenswerte hat auch eine eigene Internetseite und da morgen Sonntag ist, buche ich mir eine Tour für Montag, an dem ich auch noch die freie Wahl der Uhrzeit habe.

Trotzdem ich überhaupt keine Fotografin bin, habe ich schon ein bißchen was vom Mister gelernt und so wähle ich die letzte Tour des Tages in der Hoffnung auf gutes Licht, wenn dann noch ein bißchen Wind ist und die Welle sich rührt, wird das bestimmt toll. Und dennoch... die Eindrücke des heutigen Tages lassen mir keine Ruhe. Da morgen der Tag ist, an dem das Restaurant der Vanira Lodge schlossen hat, müssen wir sowieso nochmal raus und Essen besorgen und dann fahre ich nochmal bis zum PK0. Und wenn ich es dann wieder so blöd finde wie heute, dann ist es eben so, aber eine Chance bekommt Teahupo'o noch.

Wem übrigens aufgefallen sein sollte, daß ich nach und nach dazu übergegangen bin, nicht mehr die eigentlich korrekte Schreibweise Teahupo'o zu verwenden - das ist Faulheit. Mir reicht schon ewig der Loïc mit seinen zwei Punkten. :lol:
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Re: Motus, Muscheln, Menschenfresser - Zwei Monate in Französisch Polynesien

Beitrag von Suse »

Am nächsten Morgen gibt es beim Frühstück ein Hühnerproblem. Es scheinen ein paar Gäste abgereist zu sein und als wir im Restaurant eintreffen, ist außer uns nur ein einziges Paar anwesend, die sich gemeinsam mit der polynesischen Mitarbeiterin nach Kräften bemühen, die Hühner vom Buffet fernzuhalten. Daß die Hühner hier niemandem gehören, hat man uns schon im Fare Suisse erzählt. Es sind tatsächlich wilde Hühner, die zwischen den Grundstücken umherstreifen. Niemand ißt sie, behauptet man zumindest uns gegenüber, und auch die Eier werden nicht eingesammelt. Man betrachtet sie eigentlich als Plage, was ich verstehen kann, denn wie dezimieren sie sich denn eigentlich außer durch Krankheiten, wo sie hier so ein üppiges Nahrungsangebot finden?

Meinen Beach Cruiser hat heute kein anderer Gast haben wollen, so daß ich nach dem Frühstück gleich zu Teahupoo 2.0 starten kann. Ich verspreche dem Mister, unterwegs die Augen offenzuhalten, wo wir uns heute, wo wir hier in der Lodge nichts zu essen bekommen, versorgen können. Gleich gegenüber auf der anderen Straßenseite parkt ein Pizzamobil, zu sehen ist aber niemand, vermutlich öffnet es erst abends.

Auf halber Strecke soll es eine Roulotte geben, die sehe ich auch, natürlich hinter verschlossenem Hoftor, umgeben von zwei Hunden, aber keine Menschenseele weit und breit. Roulottes öffnen üblicherweise erst bei Einbruch der Dunkelheit, so soll es laut Reiseführer auch hier sein, aber ich kann niemanden fragen. Da das hier ja eine richtige Roulotte für die Einheimischen ist und kein Touristendings mit Crepes und anderem Süßkram, muß man wohl ohnehin davon ausgehen, daß hier der Fisch mit allem anderen im gleichen Wok gebraten wird, von daher ist das vielleicht in unserer Situation sowieso keine gute Idee. Es wird sich schon noch was finden.

Was ich auch nicht finde, ist wiederum die Marina von Teahupoo. Dort, und zwar exakt an dem hölzernen Steg (ich vermute, die anderen sind aus Beton), soll morgen mein Taxiboot abfahren. Irgendwann komme ich an einer Einfahrt vorbei, die ich am Vortag gar nicht wahrgenommen habe. Navette Pension Bonjouir steht darauf. Die Pension Bonjouir war unsere Alternative, bevor wir uns für die Vanira Lodge entschieden, und liegt im Fenua aihere, also jenseits der Straße. Eine Navette, ein kleines Schiffchen, ist der französische Begriff für Shuttle-Fahrzeuge und kann auch einen Bus oder einen Pendelzug oder sowas meinen, hier sind es aber tatsächlich mal im eigentlichen Wortsinn kleine Boote, denn zur Pension Bonjouir kommt man ja nur mit dem Boot. Die Pension soll sehr schön sein, aber uns war es dann doch wichtiger, uns ohne auf einen Bootsshuttle hier frei bewegen zu können.

Hätten wir gewußt, wie schlecht die Fahrräder sind, hätten wir vielleicht anders gedacht, aber dann hätten wir die wunderschöne Vanira Lodge nicht kennengelernt. An den nicht feststellbaren Fahrradsattel, der sich bei jeder Körperdrehung mit dreht, habe ich mich schon gewöhnt und gelernt, beim Umgucken nur den Kopf zu bewegen und nicht den Rest.

Ich versuche hier jedenfalls mal mein Glück. Die Hunde auf dem Grundstück beachten mich nicht, sie dürften ja auch so erzogen sein, daß Fremde hier eintreten dürfen. Der Platz ist groß, wahrscheinlich stellen hier die Touristen dann ihre Mietwagen ab, wenn sie abends zu den Pensionen im Fenua aihere zurückkehren.

Unter einem Baum sitzen ein paar Leute, eine Frau und zwei Männer. Ich frage sie, ob das hier auch zugleich die Marina ist, und sie verneinen, das ist hier quasi nur der Zentrale Bootsbahnhof für die Zubringer zu den Pensionen. Die eigentliche Marina liegt hinter dem Bürgermeisteramt, daran bin ich schon vorbei, aber ich weiß, wo das ist und jetzt habe ich wenigstens einen Anhaltspunkt. Ich bedanke mich und will zurück auf die Straße, als einer der Wachhunde plötzlich aufspringt und losschießt. Ich erschrecke mich zuerst, aber dann wird schnell klar, daß ich nicht gemeint bin. Er packt sich direkt vor meiner Nase einen der arglos herumscharrenden Hähne. Der Hund ist ein erfahrener Jäger, der Hahn gibt keinen Laut von sich und ist sofort tot. Der Hund trägt seine Beute ins Gebüsch und die Frage, weshalb nicht schon ganz Tahiti von einer gigantischen Hühnerschar terrorisiert wird, hätte sich damit auch beantwortet.

Wer sich die Pension Bonjouir und umzu mal anschauen möchte, es gibt da ein Video, das ich sehr viel besser gemacht finde, als die kitschigen Eigenproduktionen der Pension:

https://www.facebook.com/fenuaresident. ... 0295799748

Das Markenzeichen ist die Badewanne auf dem Bootssteg. :D

Am PK0 angekommen ist alles wie gestern, nur das Wetter ist ein bißchen besser, es stehen ein paar mehr Autos auf dem Parkplatz und die Kiffer fehlen, es ist ja auch Sonntag. Das Fahrrad will ich nicht hierlassen, aber so wie es aussieht, ist die Brücke breit genug, man kann es mit auf die andere Seite schieben. Mal sehen, was da hinten noch kommt. Ich erwarte nicht viel.

Tatsächlich biegt der Weg hinter der Brücke nach links ins Gebüsch ab und mündet in einen Sandweg. Rechterhand das Meer, links vereinzelte Grundstücke, auf denen zumeist junge Leute an Tischen oder auf dem Rasen sitzen, sich sonnen, etwas trinken, reden und lachen. Ab und zu kommt aus einer der Pforten jemand heraus und hat ein Surfbrett unter dem Arm. Das hier müssen dann wohl die Pensionen sein, in denen die Surfer wohnen. Manche haben kleine Pavillons auf der anderen Seite des Pfades direkt an den Strand gebaut, vermutlich wird hier abends gegrillt und zusammengesessen und Surferlatein erzählt.

Die Vegetation wird dichter und für all diejenigen, die keinen Zugang zu einer der Pensionen haben, steht plötzlich mitten in der Vegetation ein Colaautomat. Er ist gut befüllt und sieht neu und gepflegt aus, kein verrostetes Teil, das man hier vergessen hat. Er ist überwuchert von Monstera und anderen Rankepflanzen, darunter ein Farn, der direkt meine Aufmerksamkeit weckt. Er sieht aus wie eine Davallie, ein Hasenpfotenfarn, einer meiner Lieblingsfarne, davon habe ich selbst zwei und schon andere Familienmitglieder mit der Leidenschaft angesteckt. Cola brauche ich zwar gerade keine, aber der Automat und seine Umgebung begeistern mich.

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Die läßt sich noch steigern, nur wenige Meter weiter hat jemand einen Rattansessel unter einen abgestorbenen Baum geschoben, aber so entspannt, wie das auch aussieht, ist es nicht das, was meine Aufmerksamkeit weckt.

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Der Baum ist überwuchert von den Farnen vom Colaautomaten. Das muß Davallia Fejeensis sein. Als unsere Reisepläne noch von Corona unbelastet eigentlich vorsahen, wieder nach Tonga und Samoa zu reisen, war mein Wunsch, unterwegs zumindest ein paar Tage in Fiji abzusteigen, um genau diesen Farn in der Natur sehen zu können, wo er herstammt. Und nun wächst er hier, wo ich überhaupt nicht damit gerechnet hätte. Ich pflanze mich in den Rattansessel, über mir der Farn, und bin glücklich.

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Es vertreibt mich zwar niemand, aber nach einer Weile räume ich das Feld und folge weiter dem Pfad. Der endet dann aber bald in einer kleinen Landspitze mit Lavageröll und Kieseln. Wenn man nach links schaut, sieht man die Stege der Pension Bonjouir und anderer Grundstücke, hier ist dann wirklich die Welt zuende und der Sandpfad verläuft sich im Strand.

Zwei Französinnen schwimmen im Meer und rufen mir völlig unbekannterweise sofort zu, es sei herrlich, ich solle auch reinkommen, während hinter mir zwei pummlige polynesische Jungs in Neoprenanzügen versuchen, die letzte Frangipaniblüte eines Baums herunterzuholen. Sie sehen aus wie Michelinmännchen und beide schaffen es nicht, hoch genug zu springen, die Blüte ist völlig ungefährdet. Sie lachen sich kaputt und bezichtigen sich gegenseitig, die 100 Kilo-Marke hinter sich gelassen zu haben.

Der Strand ist gesäumt von Bäumen, unter die Baumstämme als Sitzgelegenheiten gelegt wurden, ich suche mir einen, der nicht unter einer Kokospalme liegt, und schaue mir das Treiben an. Am Strand spielen zwei Mädchen, eine trägt eine üppige Blütenkrone auf dem Kopf. Den Pfad entlang kommt eine Gruppe Leute, die Surfbretter trägt und paddelt zur Welle hinaus.

Und dann die Welle. Heute ist sie endlich aufgewacht, manchmal bildet sie einen richtige Tunnel und man kann Surfer darin erkennen. Ich schicke dem Mister eine SMS, daß es länger dauert, weil es hier so schön ist. Es ist genau, wie ich es mir vorgestellt habe, die entspannte Atmosphäre zwischen der üppigen Vegetation und dem Meer, die gutgelaunten Menschen, die fröhliche Stimmung, die von den Grundstücken der Surferpensionen herüberschwappt. Es ist alles da, ich mußte nur über die Brücke gehen.

Heute kann ich mich kaum von Teahupoo lösen, so schön finde ich es hier. Aber um 15 Uhr öffnet der lokale Lebensmittelladen und ich muß ja immer noch etwas zu Essen besorgen. Um kurz nach halb bin ich schon da und je näher die Öffnungszeit rückt, desto voller wird es. Anfänglich warten mit mir die örtlichen Spritis, die Tüten voller Pfandflaschen mit sich tragen. Dann erscheint eine adrette Französin in einem Geländewagen, sie holt später eine gewaltige Baguette-Bestellung ab. Daneben polynesische Frauen mit ihren E-Bikes, die sich vermutlich Kuchen für den Nachmittagskaffee holen, und jede Menge Kinder, die wahrscheinlich auf Eis aus sind. Mittendrin sitze ich und fühle mich gerade wie ein Teil der Bevölkerung. Die üblichen Begrüßungsfloskeln haben uns schon die Mädels im Fare Suisse eingetrichtert.

Im Laden gibt es belegte Sandwiches, ich sacke gleich mal einen ganzen Haufen davon ein, nicht ohne zuvor jedes einzelne verbotenerweise anzufassen und aufzuklappen, daß auch wirklich kein Fisch drauf ist. Ich weiß, das gehört sich nicht, aber Vertrauen habe ich in irgendwelche in Butterbrotspapier gewickelten und von Hand beschrifteten Lebensmittel nicht, denn wer sagt mir, daß sich da niemand vertan hat.

Dann radele ich zurück und bin noch ganz erfüllt von der tollen Atmosphäre an diesem Ort jenseit der Straße. Nicht alle Surfercommunities sind so, es ist ja ein Irrglaube, daß es sich dabei durchweg um tiefenentspannte Naturgenießer handelt, die jeden, der ihre Leidenschaft teilt, mit offenen Armen aufnehmen. Je anspruchsvoller die Küstenlinie, desto deutlicher die Hierarchien, es gibt Berichte, daß selbst bekannte Profi-Surfer zu Gewalttätigkeiten neigen, wenn sie sich nicht respektvoll behandelt fühlen.

Lesenswert dazu:

https://adventure.howstuffworks.com/out ... r-gang.htm

Auch in Teahupoo hängt so ein Schild in einem der Bäume. Zu spüren war hiervon aber nichts, es mag ab August, wenn die Welle zu Höchstform aufläuft, vielleicht anders sein.

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Die Fröhlichkeit der unterschiedlichen Menschen, die ich da heute erlebt habe, war ansteckend. Von der gestrigen Enttäuschung ist nichts mehr übrig, ich liebe Teahupoo, und wäre mir das in dem Moment eingefallen, hätte ich auf dem Heimweg vermutlich vor mich hingesungen. Denn es gibt ein polynesisches Volksllied, das jeder kennt, wetten?

https://www.youtube.com/watch?v=HpK0CRa6-xw

Na? :wink:

Als ich zurück in der Vanira Lodge bin und mich vermutlich ganz anders anhöre als gestern, will der Mister nun auch selbst mal los. Für meinen Beach Cruiser ist er viel zu groß, aber er findet ein passendes Mountainbike, das keinen Platten hat.

Einen Blick auf die Welle will er auch werfen um zu entscheiden, ob er morgen die Tour mitmachen will, oder nicht.

Ich brauche derweil dringend eine Dusche und dann einfach ein bißchen Abhängen im Palmenschatten vor unserem Haari.

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Der Mister ist nach zwei Stunden zurück und teilt meine Ansicht. Jenseits der Brücke sei es toll. Vom der kleinen Landspitze aus, an der ich auch gesessen habe, hatte er einen guten Blick auf Welle und hat gute Fotos machen können. Was ihm gar nicht gefallen hat, war das gelbe Boot, das auch ich schon gesehen habe. Der Skipper sei offenbar sehr risikofreudig und mehrmals direkt in die Welle hineingefahren. Ihm ist das zu unsicher und er ist auch nicht begeistert davon, daß ich die Tour machen will. Ich weiß aber inzwischen, daß ich einen anderen Anbieter habe, der einen exzellenten Ruf genießt und auch kein gelbes Boot fährt.

Keiner von uns hat am Abend Lust nochmal den steilen Weg zum Pizzawagen runter- und vor allem hinterher wieder raufzulaufen, wir essen die Sandwiches und das genügt uns dann auch. Morgen gibt es wieder Rinderragout mit Morchelsauce. Heute haben wir dafür Sonnenuntergang vorm Haari. Ein bißchen gemein ist das ja schon, fällt uns auf. Keinen der Abende auf Tahiti Nui hatten wir einen gescheiten Sonnenuntergang hinter Mo'orea, und seit wir hier sind, von wo aus wir Mo'orea nicht mehr sehen können, ist es jeden Abend wolkenlos und der Himmel glüht orangerot.

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Morgen ist schon unser letzter Tag hier und ich fahre zur Welle. Das wird aufregend.
Wenn du keine Kokosmilch hast, machste einfach normales Wasser.
- Grubi -

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Pico
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Re: Motus, Muscheln, Menschenfresser - Zwei Monate in Französisch Polynesien

Beitrag von Pico »

Muss echt toll gewesen sein, am anderen Ende der Welt... ich könnte sofort los!

Eure offene Hütte ist ja der Wahnsinn!

Dann bin ich schon mal gespannt auf die Welle. :bounce:
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Suse
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Re: Motus, Muscheln, Menschenfresser - Zwei Monate in Französisch Polynesien

Beitrag von Suse »

Montagmorgen, die Insel erwacht aus dem Wochenendschlaf. Auf dem Haari-Dach sitzt ein Gecko-Voyeur

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und linst in unser Badezimmer.

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Um die einsame Hütte draußen auf dem Riff tummeln sich die Schnorchler.

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Bis gestern waren hier meist nur zwei Personen zu sehen, wahrscheinlich die, denen das da gehört. Wie das wohl sein muß, so in direkter Nachbarschaft des Riffs zu leben? Wir werden es in ein paar Wochen noch selbst erfahren.

Da meine Tour erst am Nachmittag beginnt, nutze ich zum ersten und einzigen Mal einen der beiden Pools. Im größeren tummelt sich eine französische Familie mit zwei Kindern, die wild Ball spielen, da suche ich das Weite und habe den zweiten, kleineren Pool ganz für mich allein. Die Umwälzpumpe sorgt für eine stetige kreisförmige Strömung. Der Pool ist sowieso viel zu klein zum Schwimmen, also lasse ich mich im Kreis herumtreiben und gucke in die Berge über mir. Es ist soooo schön hier.

Nachmittags marschiere ich los. Die Marina finde ich nach dem Hinweis der Bonjouir-Leute von gestern auf Anhieb, ein bißchen versteckt, man denkt, man betritt ein Grundstück, dann wird es aber die Zufahrt zur Marina. Den antiken Holzsteg, von dem mein Boot abfahren soll, gibt es offenbar nicht mehr, das ist nur noch ein verrottetes Gerippe, aber ich kann das Boot schon weiter hinten an der Betonplattform ausmachen.

Ich fahre mit Teahupo'o Surf Tours and Surf Adventures, das von einem Ehepaar betrieben wird, Maruia und Haunui.

https://tahitianadventure.com/

Haunui genießt den Ruf, nicht nur die besten Insiderkenntnisse zu haben, sondern auch der besonnenste und erfahrenste Skipper zu sein, der bei Wettkämpfen auch die Journalisten und Begleitpersonen zur Welle fährt. Ich zeige meine Online-Anmeldung und er fragt mich sofort, wie ich, als Deutsche, denn auf ihn gekommen sei. Internet, sage ich, ihr hattet die besten Empfehlungen. Da freut er sich sichtlich.

Von hier aus zur Welle sind es nur ungefähr 10 Minuten, das Wetter ist gut, es ist sonnig, über der Insel selbst hängen die üblichen Regenwolken, die sich, wie überall in den Tropen, spätestens ab Mittags über den Bergen festklammern Das muß ja auch so sein, sonst wäre es ja nicht so grün. Aber draußen auf dem Wasser wollen wir bitte Sonne haben. Plus ein bißchen Wind, denn da soll ja auch eine Welle sein.

Die eigentliche Saison beginnt im August, dann drehen die Winde so, daß die Welle auf Monsterhöhe anschwillt. Aber auch im Frühjahr, wie jetzt, hat man manchmal gute Chancen auf etwas Swell.

Daß wir uns überhaupt so dicht an der Welle positionieren können, ist den besonderen Verhältnissen vor Ort zu verdanken. Der Fluß, der Teahupoo in zwei Hälften teilt, verhindert an der Stelle, an der sich das Süßwasser mit dem Meerwasser mischt, das Korallenwachstum, so daß im Riff eine breite Lücke entsteht, an der sich kein anbrandendes Wasser brechen kann. Vom Ufer aus gesehen nach rechts setzt das Riff sich fort, das ist der Teil, den wir von der Vanira Lodge aus sehen. Auch hier gibt es eine Welle, aber die ist nicht außergewöhnlich. Das ist nur die linke, was an der Strömungsrichtung des Ozeans liegt. Und eben weil sich direkt vor ihr das Korallenriff dicht unter der Wasseroberfläche fortsetzt, ist sie so unfallträchtig, denn wer hier an der falschen Stelle stürzt, riskiert, sich schwer zu verletzen. Die Hautverletzungen, die die Surfer davontragen, brachten der Welle den Beinamen "Flüssiges Napalm" ein und sie gilt als eine der gefährlichsten, wenn nicht die gefährlichste der Welt.

Besser als viele Worte zeigt es aber dies animierte Erklärbär-Video, wie man sich den ort vorzustellen hat, den ich in den letzten zwei Tagen zu beschreiben versucht habe:

https://www.youtube.com/watch?v=5V4jnDnsOY4

Wir sind eine bunte Truppe an Bord, zwei Franzosen, zwei Skandinavier, meine Wenigkeit und ein in Australien als Surffotograf arbeitender Russe, der sich während der Fahrt schon mal fertig macht, um ins Wasser zu gehen, wenn wir dort sind. Die Amerikaner nennen den Ort häufig "Chapo", nicht nur Franzosen haben Probleme mit der Aussprache fremder Worte. Haunui, der auch gut Englisch spricht, sagt, das könne sich heute lohnen mit dem Fotografieren.

Sein Zeug kann man unter den Sitzen verstauen, um es vor der unvermeidlichen Gischt zu schützen. Ich hantiere mit Handy und Fotoapparat und stelle schon mal die Serienbildfunktion ein, das hat mich bislang noch immer gerettet, wenn sich das Objekt bewegt.

Es funktioniert auch diesmal. Da ist tatächlich eine Welle und Haunui sagt, wir müßten Geduld haben, sie würde sich aufbauen und noch besser werden. Das scheinen auch die Surfer zu wissen, denn es werden minütlich mehr, die herausgepaddelt kommen.

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Wie hier üblich, darf erst ab einer Höhe von 12 Fuß (also dreieinhalb Metern ungefähr, um eine runde metrische Zahl zu haben) mit dem Jetski in die Welle gezogen werden, das ist ein guter Anhaltspunkt, so hoch ist sie also heute nicht, denn Jetski sind keine da, die Surfer müssen selbst hineinkommen.

Unser Fotograf springt ins Wasser und taucht unter der Welle durch, wir können abwechselnd davor oder dahinter seinen Kopf und die Kamera auf und ab hüpfen sehen.

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Ich selbst rechne nicht damit, daß mir irgendwelche besonderen Fotos von Surfern in der Tube oder etwas Ähnliches gelingen und freue mich an den Farben und der Form der Welle. Die verschiedenen Blautöne und der Regenbogen in der weißen Gischt, und das alles so nah.

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Die Surfer mit ihrer Akrobatik sind nur das Tüpfelchen auf dem i.

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Alle auf dem Boot starren gebannt auf die Welle, aber nachdem ich das Foto mit dem Regenbogen gemacht habe, fasziniert mich das, was sich hinter unseren Rücken abspielt, mindestens genauso. Das Warten auf gutes Fotolicht am Abend hat sich definitiv gelohnt.
Das Zusammenwirken der Farben, der Ozean und das Land mit seiner Düsternis, jetzt verstehe ich plötzlich genau, was das ist, das Mana. Die Kraft, die dieses Land ausstrahlt, spürt man auch als Fremder.

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Und das Mana meint es gut mit uns, zuletzt schwillt die Welle so an, daß sie eine richtige Röhre bildet und dann gelingt mir das Foto, auf das ich gar nicht zu hoffen gewagt hätte.

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Das ist vor allem Haunui zu verdanken, der seinen guten Bewertungen wirklich voll gerecht wird, er weiß ganz genau, wann er das Boot wo positionieren muß, daß es nicht von der Welle getroffen wird, man aber den besten Blick hinein hat. Als der Surfer direkt vor uns aus der Tube kommt, fliegt er, das Brett unter den Füßen, durch seinen eigenen Schwung getragen über unseren Bug und landet auf der anderen Seite. Alle an Bord schreien auf, aber Haunui lacht nur. Das, sagt er, ist Matahi Drollet, die lebende Legende von Teahupoo.

Besser geht es nicht mehr. Haunui fischt den Fotografen aus dem Wasser, der begeistert ist und meint, da seien gute Aufnahmen dabei. Seine Webseite kenne ich leider nicht, aber falls jemand weitere Aufnahmen sehen möchte, Matahi Drollet selbst hat einen youtube-Kanal, auf dem er, wie ich finde, ziemlich hochwertige Videos zeigt. Außerdem hat er einen Dackel. Der Mann hat nicht mal 2000 Abonnenten, mir ein Rätsel.

https://www.youtube.com/watch?v=3G4gcOzqMno

Er wird Frankreich 2024 bei den Olympischen Spielen im Surfen vertreten, gleichzeitig sind er und seine Familie Aktivisten gegen bauliche Veränderungen im Zusammenhang mit den Spielen und ihre Forderung lautet, die Spiele müßten sich Teahupoo anpassen, nicht umgekehrt. Wir haben an anderen Orten auf der Welt gesehen, was passiert, wenn die Menschen nur den schnellen Dollar vor Augen haben. Das ist hier definitiv nicht so, die Bindung an das Land ist eng. Das ist wohl das Mana.

Dann geht es zurück und von der Marina aus sind es nur ein paar Minuten zu Fuß zur Vanira Lodge. Ich erzähle und der Mister ist ein bißchen neidisch. Trotzdem hat er nicht vollkommen Unrecht gehabt mit seinen Befürchtungen, denn nur kurze Zeit später wird das gelbe Boot einen Unfall haben, weil der Fahrer frontal in die an jenem Tag mindestens 3,50 Meter hohe Welle hineingefahren ist. Es sind dann auch die Jetskifahrer gewesen, die die an Bord befindlichen Gäste gerettet haben und die an einem Tag wie heute ja gar nicht vor Ort gewesen wären.

Wir packen die Koffer und essen unser letztes Sauté de Boeuf mit Morchelsauce. Es ist immer noch unfaßbar gut, aber ich hätte dann jetzt auch langsam Lust auf was Neues. Mal sehen, was wir morgen Abend bekommen. Dann sind wir schon auf Mo'orea.

Unser Aufenthalt in Teahupo'o neigt sich dem Ende, wir genießen den letzten Abend im Haari und ich denke, wie sich mein Eindruck in den letzten drei Tagen von Enttäuschung, über Begeisterung bis hin zu purer Faszination gewandelt hat. Ein Drama in drei Akten mit dem Titel "Teahupo'o oder der schönste Colaautomat der Welt".

Werden wir wiederkommen? Wenn es nach mir geht, irgendwann schon. Würde ich dann etwas anders machen? Vielleicht eine andere Pension ausprobieren oder einen Mietwagen nehmen? Man wird sehen. Aber eigentlich war es alles gut so, wie es war. Die rostigen Fahrräder und die Touren in den Ort, das gehörte irgendwie alles dazu.

Aber falls jemand von Euch jetzt animiert sein sollte, Tahiti Iti zu besuchen, macht eines auf keinen Fall: Nehmt.Nicht.Das.Gelbe.Boot!!


https://www.youtube.com/watch?v=TsQ5AgnUQKA
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Suse
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Re: Motus, Muscheln, Menschenfresser - Zwei Monate in Französisch Polynesien

Beitrag von Suse »

Pico hat geschrieben: 24 Feb 2023 11:56 Muss echt toll gewesen sein, am anderen Ende der Welt... ich könnte sofort los!

Eure offene Hütte ist ja der Wahnsinn!

Dann bin ich schon mal gespannt auf die Welle. :bounce:
Ich hoffe, sie gefällt Dir. :D
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Suse
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Re: Motus, Muscheln, Menschenfresser - Zwei Monate in Französisch Polynesien

Beitrag von Suse »

Ein letztes Frühstück in der Vanira Lodge und Abschied von unserer kleinen farnbewachsenen Kokosnuß. Haari, also korrekt natürlich Ha'ari, ist das tahitianische Wort für Kokosnuß.

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Und Abschied von der Einsamkeit Tahiti Itis, heute noch katapultiert uns die Fähre dorthin, wo das Leben tobt, nach Mo'orea, wo nicht nur die Touristen, sondern auch die Tahitianer Urlaub machen und der Trubel kein Vergleich zu hier sein wird. Wir sind gespannt, auch auf unsere Unterkunft, die eine der günstigsten während der gesamten Reise ist.

Loïc holt uns pünktlich ab. Er will genau wissen, wie es war und freut sich, daß ich Matahi Drollet habe surfen sehen, natürlich kennt er den. Er erinnert sich auch genau, daß er auf dem Hinweg der Meinung war, wir hätten nicht genug von Tahiti gesehen und nimmt zum Fährhafen nicht einfach den gleichen Weg zurück, sondern fährt uns noch einmal um die ganze Insel. Auf Tahiti Nui werden wir nun nur noch zu Zwischenübernachtungen sein und keine Zeit auf der Insel selbst mehr haben, wir dürfen uns aussuchen, was wir noch gern sehen würden. Wir denken sofort an die beiden Zwillingswasserfälle, die wir im Vorbeifahren auf der Tour mit Fabrice gesehen haben, der meinte, das sei Privatgrund und da dürfe man nicht hin.

Loïc lacht nur, ach was, die Leute, denen das da gehört, die kennt er, das sei kein Problem, da hinzulaufen. Bis wir dort angekommen sind, hat es angefangen zu nieseln und es zeigt sich, daß auch der sonst immer so tiefenentspannte Loïc etwas hat, das ihn aufregt, und das ist Matsch. Schon beim Aussteigen schärft er uns ein, nicht in den Schlamm zu treten, den will er nicht im Bus haben, wenn wir Schlamm an den Schuhen haben, müssen wir die nachher ausziehen. Er ist ganz aufgeregt und macht mit seinen Endlosbeinen riesige Schritte über die Pfützen. Der Mister ist ja nur wenig kleiner, aber ich habe jetzt zu tun, um die schlammigen Stellen zu umrunden.

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Wir klettern einfach über die Absperrung und laufen über die Wiese zu einem Baum direkt vor den Fällen, wo wir uns unterstellen können. Der Fall ist nicht besonders hoch, aber sehr idyllisch gelegen. Daß das hier nicht touristisch oder anderweitig genutzt wird, liegt an Erbstreitigkeiten. Das Haus der Eigentümer steht oberhalb der Fälle auf einem Plateau, man kann es von hier aus nicht sehen, das liegt aber nur an der Perspektive, es ist ganz in der Nähe. Einige der Nachkommen wollten wohl gern verkaufen, da sie es begrüßen würden, wenn der Staat sich darum kümmere, für andere komme das überhaupt nicht in Frage, sie fühlen sich an das Land um die Wasserfälle gebunden. Loïc wird uns später im Vorbeifahren ein Grundstück mitten in Papeete zeigen, auf dem eine Großfamilie in ärmlichsten Verhältnissen haust. Das Grundstück, sagt er, sei so viel wert, daß jeder der Familienangehörigen sich davon weiter oben in den Bergen ein fürstliches Haus mit großem Obst- und Gemüsegarten drum herum bauen könne, aber sie weigerten sich. Die Bindung an den Grund und Boden ist zu stark.

Als es stärker zu regnen anfängt, laufen wir zurück zum Bus. Loïc im Zickzack vorneweg, im Laufen mit dem Finger auf die schlammigen Stellen deutend: Hier aufpassen, da ist Matsch, ach nein, laßt mal lieber hier lang, da nicht reintreten. Es ist schon ein bißchen witzig. Vorm Einsteigen Schuhkontrolle, alles gut gegangen.

Der Mister wünscht sich nochmal einen kurzen Stop an der Matavai-Bucht, weil er beim letzten Mal nur fotografiert hat und noch ein paar Minuten filmen möchte. Unterwegs unterhalten wir uns, Loïc ist schon Großvater und meint, daß die Tuamotus, die Atollinseln Französisch Polynesiens, auf die wir auch noch kommen werden, aufgrund des Klimawandels in 50 Jahren versunken sein werden. Man spüre die Auswirkungen hier ganz deutlich, die Küstenerosion sei stark. Er glaubt, daß seine Enkel die Inseln schon nicht mehr erleben werden.

Im Vorbeifahren sehen wir viele Grundstücke mit blau-weiß-gestreiften Flaggen. Das sind die Polynesier, die die Unabhängigkeit anstreben. Daß es hier in der Küstenregion so viele davon gibt, hat einen historischen Hintergrund und stammt aus der Zeit, als die Engländer die Inseln entdeckten. Viele englische Seeleute blieben hier zurück, heirateten Polynesierinnen, und da sie ja Seeleute waren, verdienten sie ihren Lebensunterhalt mit Fischfang, so daß ihre Grundstücke immer nah am Meer lagen. Daraus ergibt sich bis heute, daß der Teil der Bevölkerung, der keine enge Bindung an Frankreich empfindet weil eher anglophil, sich hier an der Küste konzentriert. Die blauweiße Fahne ist die Fahne eines unabhängigen Polynesiens. Jetzt, wo wir das wissen, wird die Fahne uns überall ins Auge stechen, auch auf der nächsten Insel.

An der Fähre verabschieden wir uns und hier breche ich dann auch eine Regel, die in Französisch Polynesien für viele Besucher vollkommen neu ist: Man gibt kein Trinkgeld. Es wird nicht erwartet und nicht einmal besonders geschätzt. Das ist ein Einfluß der französischen Mentalität, die hohe Ansprüche an wertschätzendes Gehalt und Arbeitsbedingungen verlangt. Man will anständig verdienen und nicht auf Almosen angewiesen sein. Loïc fanden wir aber so dermaßen herausragend in der Art, wie er unseren Aufenthalt hier bereichert hat, obwohl er ja eigentlich "nur" unser Transferfahrer war, der auch schweigend und desinteressiert mit uns von A nach B hätte fahren können, daß ich 20 Euro in den Vouchern verstecke, um meinen Dank auszudrücken. Wir werden ihn auf dieser Reise nicht wiedersehen, aber sollten wir wiederkommen, was sehr wahrscheinlich schon bald der Fall sein wird, dann hoffen wir darauf.

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Die Terevau liegt schon im Hafen. Wir machen noch ein paar Fotos und dann geht es an Bord. Es gibt verschiedene Fähren, die zwischen Tahiti und seiner Schwesterinsel pendeln, die Aremiti, eine Autofähre, und die Terevau, die nur Passagiere befördert. Die Terevau macht auf dem Papier maximal 40 Knoten, inoffiziell muß es aber wohl mehr sein, denn in der Vergangenheit versuchten die Kapitäne sich wohl darin zu übertreffen, wer die Maximalgeschwindigkeit erreichen kann. Inzwischen ist das verboten, die Wellen, die dabei erzeugt wurden, hatten nicht nur Auswirkungen auf andere Schiffe und Boote, sondern auch auf die Küsten. Nicht alles, was die Küstenerosion vorantreibt, ist immer Klimawandel. :wink:

Auch unsere Fähre dreht gewaltig auf, die Beschleunigung ist unglaublich. Ich bin vor vielen Jahren einmal mit dem Hovercraft nach England gefahren, das hat sich so ähnlich angefühlt. Hinter uns bleibt Tahiti zurück. Tahiti Iti kann man von hier aus schon nicht mehr sehen.

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und vor uns liegt Mo'orea.

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Schon die Fähre war voll, aber jetzt am Hafen ist so viel Trubel, daß wir Probleme haben, unseren Transfer zu finden. Ein aufgeregt herumguckender Mann mit einem Klemmbrett in der Hand ist es dann, er hat auch schon nach uns gesucht und war schon ganz besorgt.

Der lokale Transferbetreiber Albert Transports macht den Rundkurs über die Insel, wir sitzen in einem richtigen Reisebus, wir ahnten es ja, hier ist es voll. Man drückt uns ein paar Prospekte in die Hand, Ausflugstouren, die wir bei ihnen buchen können. Ein zweiter Mann an Bord macht den Animateur, klar, das ist Werbung hier für die, die Kunden gleich abgreifen, wenn sie die Insel betreten haben. Die Touren sind ganz nett, aber wir werden uns selbst einen Leihwagen nehmen und auf eigene Faust die Insel erkunden. Der Mister war schon einmal hier, ganz kurz nur und es ist lange her, aber er findet sich zurecht und er ist es auch, der unsere Unterkunft hier aus den Tiefen des Internets ausgegraben hat.

Mo'o bedeutet Leguan und rea gelb, was auf eine traurige polynesische Sage zurückgeht, in der auf der geheimnisvollen Insel Maiao (die es wirklich gibt und die bis heute kein Tourist betreten darf) einem menschlichen Paar anstatt eines Babys ein gelber Leguan geboren wurde. Von seinen verängstigten Eltern verlassen, ertrinkt der Leguan auf der Suche nach ihnen bei dem Versuch, den Ozean zu durchschwimmen, und wird in Mo'orea an den Strand gespült.

Mit der Form hat das also nichts zu tun, die ähnelt eher einer Fledermaus. Das liegt an den beiden tief eingeschnittenen Buchten rechts und links des Mont Rotui, links die Baie d'Oponohu und rechts die Cook Bay. Und genau an der Spitze des Küstenstreifens zwischen den beiden Buchten, also quasi mitten auf dem Kopf der Fledermaus, wohnen wir.

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Die Kilometersteine auf Mo'orea haben übrigens alle diese Form von kleinen Mooreas, sehr niedlich.

Unsere Pension ist das Motu Iti.

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Ein Motu ist eine Insel und was Iti bedeutet, wissen wir ja schon. Und wie sich herausstellen wird, ist das Motu Iti wirklich eine kleine Insel für sich. Ausgesucht haben wir es, weil wir beide - gottseidank - nicht in Überwasserbungalows in einer Fünfsterneblase abseits der Inselbevölkerung wohnen möchten, aber trotzdem gern ein Haus am Strand hätten. Und das kann man hier haben, zu einem Preis, der für Französisch Polynesien geradezu unglaublich günstig ist. Und über mangelnden Kontakt zur Bevölkerung werden wir uns auch nicht beklagen können.

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An der Rezeption sitzt ein älterer Herr mit eindeutig chinesischen Vorfahren, sein freier Oberkörper zeigt schon an, Kleidervorschriften gibt es hier nicht. Auch sonst geht es lässig zu, der Eingangsbereich wirkt zusammengewürfelt, aber gemütlich, es gibt eine Sitzecke mit Bücherschrank, eine kleine Bar, die mit etwas vergilbten Postern dekoriert ist.

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Wir checken ein und eine Mitarbeiterin führt uns durch einen üppig blühenden Garten zu unserem Bungalow. Der hat zwar keinen Namen, ist aber kompakt und niedlich.

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Als erstes schaltet sie den Fernseher ein und erklärt die Fernbedienung. Es läuft eine Telenovela und sie verdreht die Augen. Viel zu viele Polynesier guckten diese südamerikanischen Serien, französische auch, die seien so simpel und dumm, das Volk verblöde davon. Sie hat ein sehr ansteckendes Lachen.

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Das Zimmer ist natürlich kein Ha'ari, aber nett und praktisch, mit großem Kühlschrank und Einbauschränken. Alles ist aus lokalen Materialien gefertigt, es ist schlicht, aber dennoch hübsch und liebevoll eingerichtet. Das Badezimmer hat 70er Jahre-Charme, ist aber blitzsauber. Das beste aber ist die Terrasse mit auf den ersten Blick sehr schlicht aussehenden Stühlen, die aber unfaßbar bequem sind. Wer die entworfen hat, hat alles richtig gemacht, man kann stundenlang darin sitzen, ohne daß es unbequem wird.

Und stundenlang hier sitzen werden wir. Unser Bungalow ist der letzte in der Reihe, auf der einen Seite schirmen ihn ein großer Frangipanibaum und ein Tiaré-Busch zum Nachbarn hin ab, auf der anderen Seite ein Hibiskus. Alle drei blühten üppig und dufteten wie verrückt.

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Und vor uns die Lagune von Mo'orea, dazwischen ein handtuchbreites Stück Sand, mit Lavasteinen befestigt, von denen aus man direkt ins Meer steigen kann. Die ganze Anlage wirkt unglaublich gut durchdacht. Es gefällt uns sehr.

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Sieht jemand das Segelschiff, daß da hinten aus der Cook Bay herausguckt? Das gab der ganzen Szenerie so etwas von einem Piratenversteck.

Vom Bungalow aus hat man auch den Blick auf den Steg mit Pavillon, von dem aus die Familie abends manchmal fürs Abendessen angelt. Dahinter befindet sich das Restaurant und zwischen Rezeption und Restaurant das Wohnhaus der Familie. Über die gesamte Länge der Rezeption zieht sich im Obergeschoß ein Schlafsaal für Backpacker. Nach Zelten ist das hier vermutlich mit Abstand die günstigste Art in Französisch Polynesien unterzukommen.

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Durch die großen Schiebetüren, die eigentlich immer offen stehen, nimmt man automatisch am Familienleben der Betreiberfamilie teil. Die Enkel im Kleinkindalter krabbeln auf allen vieren in dem überdachten Gang zwischen Rezeption und Restaurant herum, überall liegt Spielzeug, der Fernseher dröhnt und Madame steht hinter ihrem Bügelbrett, während de Patron, wie immer in Shorts mit freiem Oberkörper, an der Rezeption Dienst tut. Alle sind unglaublich herzlich, es ist eigentlich noch besser, als wir es uns vorgestellt haben.

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Im Restaurant gibt es diesmal nicht drei Gerichte, sondern ungefähr dreißig. Endlich bekommt der Mister wieder ein richtiges Steak, und, wer hätt es gedacht, dazu Roquefortsauce, die sie hier "Sauce bleue", blaue Soße, nennen.

Hinano gibt es natürlich auch

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Abends sitzen wir dann auf der Terrasse und sind immer noch etwas verwundert, wie sich das Bild seit heute Morgen gewandelt hat. Der Unterschied zwischen dem Blick vom Ha'ari und hier könnte nicht größer sein. Verblüfft sind wir auch, wieviel wir hier für unser Geld bekommen, denn hier, im Unterschied zu der dreimal teureren Vanira Lodge, gibt es schnellstes W-LAN bis in den hintersten Winkel des Grundstücks.

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Das nutze ich, um schnell mein Fachvokabular aufzupolieren, denn morgen wollen wir ein Auto mieten. Es wird sich noch auszahlen, daß ich nochmal gelernt habe, wie die Versicherungsterminologie auf Französisch so heißt.
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Pico
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Re: Motus, Muscheln, Menschenfresser - Zwei Monate in Französisch Polynesien

Beitrag von Pico »

Suse hat geschrieben: 25 Feb 2023 12:20
Pico hat geschrieben: 24 Feb 2023 11:56 Muss echt toll gewesen sein, am anderen Ende der Welt... ich könnte sofort los!

Eure offene Hütte ist ja der Wahnsinn!

Dann bin ich schon mal gespannt auf die Welle. :bounce:
Ich hoffe, sie gefällt Dir. :D
Ja, der Waaaaaaaaaaaaaaaaaaaahnsinn!! Tolles Foto! Echt!!! :bounce: :bounce: :bounce:

Ein Erlebnis dass du sicherlich niemals vergessen wirst.
Und der Mister wollte echt nicht mit?!? Er wird sich doch sicherlich nachher in den Hintern gebissen haben...
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Pico
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Re: Motus, Muscheln, Menschenfresser - Zwei Monate in Französisch Polynesien

Beitrag von Pico »

Suse hat geschrieben: 24 Feb 2023 20:05

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Diese Farben, diese Mystik... einfach WOW!!


Ihr habt euch wirklich schnuckelige Bungalows ausgesucht. Das Motu Iti gefällt mir auch super.
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mr.minolta
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Re: Motus, Muscheln, Menschenfresser - Zwei Monate in Französisch Polynesien

Beitrag von mr.minolta »

Pico hat geschrieben: 28 Feb 2023 19:38Und der Mister wollte echt nicht mit?!? Er wird sich doch sicherlich nachher in den Hintern gebissen haben...
Das hat er. :wink:

Es war dennoch die "richtige" Entscheidung. Ich hab mir das den Tag zuvor angesehen und viele Bilder vom Ufer aus gemacht. Das war einerseits auch schon spannend, andererseits war unklar, ob die Fotoausrüstung die Kamikaze-Manöver der Boote überstehen würde. So hab ich entschieden, nicht rauszufahren. Suse hatte dann das Glück, ein vernünftiges Boot zu erwischen und auch noch tolle eigene Fotos zu machen, aber sowas kann man halt vorher nicht wissen.
Es scheint, daß es neben der Republik der Seychellen auf der Welt kein zweites Land gibt, das für sich selbst derart ausdrücklich mit besonderem Umweltschutz wirbt und in der Realität so unfaßbar dreist das absolute Gegenteil davon praktiziert.
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Suse
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Re: Motus, Muscheln, Menschenfresser - Zwei Monate in Französisch Polynesien

Beitrag von Suse »

Das Frühstück im Motu Rani ist nicht besser und nicht schlechter als in der Vanira Lodge und in den meisten Unterkünften, die wir auf dieser Reise haben werden. Besser als im Fare Suisse mit dem selbstgebackenen Brot und Bananenkuchen ist es nirgends, das ist der Schweizer Einfluß. Alle anderen haben halt französisches Frühstück, und was das bedeutet, weiß man ja: Drei Scheiben getoastetes Baguette mit zwei Sorten Marmelade (wenn man Glück hat) und vielleicht einem Ei oder einem Omelette. Dazu Kaffee und einen Fruchtsaft und hier in den Tropen als Sahnehäubchen noch ein kleiner Fruchtteller. Mir als normalerweise Nicht-Frühstücker macht es nichts aus, daß das so übersichtlich ist, aber weder mag ich Obst noch mag ich Marmelade und es ist morgens auch kein Hunger da, der es reintreibt. Der Kaffee ist aber gut und als Fruchtsaft wähle ich immer Bananenshake, das hält dann vor bis nachmittags.

Wir haben im Internet nach Mietwagen recherchiert, die Vermietung läuft zentral über Tahiti und die Internetseiten der großen Vermieter zeigen an, daß Mietwagen knapp sind, das ist eben noch die Folge der Pandemie. Der Chef auf seinem Rezeptionsstuhl hat aber Verbindungen zu einem kleineren lokalen Anbieter, nach dem Frühstück bietet er mir an, den Kontakt herzustellen. Währenddessen googele ich das schon mal. Moorea Fun Bikes heißen die, Autos haben sie aber auch. Bei solchen Namen werde ich direkt mißtrauisch, mit Autoverleihern, die irgendwas mit "Sunny", "Happy" oder "Fun" heißen habe ich anderenorts schon die Erfahrung gemacht, daß der Name da manchmal nicht Programm ist. Die Art, wie der Inhaber namens Jeff auf kritische Bewertungen reagiert, macht ihn mir auch nicht direkt sympathisch.

Als ich dann mit Jeff telefoniere, bestätigt sich das leider. Jeff ist der Aussprache nach Franzose, kein Polynesier. Er hat ein Auto für uns, würde uns das sogar bringen, aber leider sind die Versicherungsbedingungen nicht so, wie wir uns das vorstellen. Die Haftpflichtversicherung ist mit mehreren Millionen Euro Gesamtsumme in Ordnung, die Kaskoversicherung auf den ersten Blick auch, es sind Schäden an Glas, Unterboden und Reifen abgedeckt. Wenn man bedenkt, daß eine Inselumrundung entlang der Küstenstraße gerade mal gut 60 Kilometer umfaßt und dazu nur wenige befestigte Straßen ins Inland führen, die man benutzen darf, ohne den Versicherungsschutz zu verlieren, ist man hier eigentlich sogar fast überversichert. Aber ausgerechnet an dem Punkt, an dem man sich die Urlaubskasse gründlich verderben kann, hakt es. Jeff möchte eine hohe Selbstbeteiligung im Schadensfall. Wir besitzen keine Kreditkarte oder Zusatzversicherung, die uns hier später die ausgelegten Reparaturkosten erstatten würde, und eigentlich finde ich diese Regelung sowieso unbefriedigend, denn erstmal ist das Geld ja weg. Was die Straßenverhältnisse und die teils kamikazeartige Fahrweise der Locals in tropischen Ländern angeht, bin ich ein gebranntes Kind und davon überzeugt, mit der Devise, lieber etwas mehr für den Mietwagen zu zahlen und dafür keine oder die niedrigstmögliche Selbstbeteiligung zu haben, immer am besten gefahren zu sein.

Jeff behauptet, auch Französisch Polynesien sei so ein Land. Kaskoversicherung ohne Selbstbeteiligung gebe es hier nicht. Ich weiß, daß das nicht stimmt und auf meine Frage, weshalb Avis denn dann sowas anbiete, antwortet er mir schroff, dann solle ich doch zu Avis gehen. Daß ich das Angebot, uns den Wagen fix vorbeizubringen, nicht direkt annehme und mein gestern nochmal einstudiertes Vokabular zu den Versicherungsbedingungen an den Mann bringe, nervt ihn offensichtlich. Ich täusche kurz die unselbständige Ehefrau vor und antworte, das nun mit meinem Mann besprechen zu müssen und wir vertagen die Entscheidung auf in zwei Stunden.

Ich schreibe sofort Avis an und bitte um Rückmeldung, ob man für morgen, notfalls übermorgen, einen Kleinwagen für drei Tage für uns hat. Man antwortet mir, man wolle es versuchen. Und wenn das nun nicht klappt? Gehen wir das Risiko ein, bei jedem Blechschaden ordentlich zur Kasse gebeten zu werden oder machen wir dann lieber eine organisierte Tour ohne die Möglichkeit, individuell unterwegs sein zu können? Letzteres reizt uns überhaupt nicht, das werden wir auf den nächsten Inseln noch haben und hatten es auf Tahiti ja schon.

Der Tag läßt sich irgendwie unerfreulich an. Die Warterei auf die Antwort von Avis überbrücke ich mit Wäschewaschen. Das Backpacker-Flair des Motu Iti beinhaltet auch Wäscheleinen auf der Terrasse und bald flattert unser Zeug im Wind und nimmt hoffentlich den Duft von Tiaré und Frangipani an.

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Da wir sowohl als auch direkt neben unserem Häuschen wachsen haben, hier mal der direkte Vergleich.

Frangipani (Plumeria) ist ein Baum, während Tiaré eine Gardenienart ist und somit ein Busch. Beide verströmen einen völlig unterschiedlichen, aber unverkennbaren Duft und ihre Blüten sind quasi symbolhaft für Polynesien.

Frangipani links, Tiaré rechts

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Dann kommt die erlösende Email. Avis Moorea hat ein Auto für uns und wir können es morgen abholen. Selbstbeteiligung im Schadensfall: Null!

Ich antworte sofort, daß wir das Angebot annehmen und bitte den Patron, dem guten Jeff zu antworten, daß wir seinem Ratschlag folgen, und bei Avis buchen. Naja, so sage ich das natürlich nicht, aber so ungefähr. Der Patron ist auch überhaupt nicht eingeschnappt, im Gegenteil, er bestellt uns direkt das Taxi für morgen zum Fährhafen, wo der Vermieter seinen Sitz hat.

Die stressige Angelegenheit einmal erledigt, ist der Rest des Tages eigentlich nur noch schön. In der Lagune vor uns wimmelt es vor Leben, kleine Babyhaie, jede Menge Fische und die Korallen sehen so dicht und üppig aus, daß ich beim Schnorcheln direkt auf die Flossen verzichte, es ist viel zu eng hier, um sich schnell vorwärts zu bewegen, die Strandschuhe reichen vollkommen.

Ich bin eine ganze Weile im Wasser und vor allem um den Steg herum ist richtig viel los. Die Babyhaie haben wohl Angst vor mir, die lassen sich nicht mehr blicken während ich schwimme, aber Fische gibt es tausende. Ohne den Mister als Experten erkenne ich aber nur wenige Arten und irgendeine Ausrüstung zur Unterwasserfotografie habe ich auch nicht, also genieße ich nur mit den Augen.

Der Punkt da draußen bin übrigens ich, das rechts ist ein Stück Stamm eines abgestorbenen Latanier mit fiesen Stacheln in der Rinde, den man immer großzügig umschwimmen mußte.

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So vergeht der Tag, wir sitzen in den bequemen Stühlen auf der Terrasse und beobachten die Ausflugsboote und auch das Segelschiff aus der Cook Bay, die direkt vor uns vorbeiziehen.

Sind die Pastelltöne des hereinbrechenden Abends nicht wunderschön?

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Am Abend gönne ich mir ausnahmsweise einen Salat mit rohem Thunfisch, Poisson Cru, das polynesische Nationalgericht. Mit einem Ehemann, der Fischeiweißallergiker ist, erfordert das höchste Umsicht, aber wenigstens probieren muß ich das ja mal und es ist köstlich.

Das Rezept ist übrigens total einfach:

https://reisehappen.de/poisson-cru/

Der Lerneffekt des Tages ist: Auto mieten von Deutschland aus organisieren und nicht erst vor Ort, das hätte uns viel Streß erspart. Aber nun hat es ja doch noch geklappt und wir können drei Tage lang überall hinfahren, wo wir hinwollen. Naja fast.

Bis dahin: Gute Nacht, Mo'orea!


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Wenn du keine Kokosmilch hast, machste einfach normales Wasser.
- Grubi -

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Suse
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Re: Motus, Muscheln, Menschenfresser - Zwei Monate in Französisch Polynesien

Beitrag von Suse »

Den nächsten Vormittag vertrödeln wir mit lesen und dem Beobachten der Lagune. Die vorbeiziehenden Boote, die Haie, ein paar Rochen, zahllosen Fische und Einheimischen, die im Riff nach Oktopus suchen, das ist besser als Kino.

Mittags kommt das Taxi, eine nette Fahrerin, die uns direkt vorm Avis-Gebäude am Fährhafen absetzt. Der Avis-Mitarbeitende (und die genderneutrale Bezeichnung ist Absicht) ist das, was man hier in Französisch Polynesien einen Mahu nennt, ein sehr femininer Mann, den als homosexuell zu bezeichnen, es vermutlich gar nicht trifft, denn das im polynesischen Raum weit verbreitete "dritte Geschlecht" betrachtet sich selbst nicht so, sondern als weiblich. Historisch ist diese Personengruppe hier fest verwurzelt, Mahus oder Fakaleitis, wie sie in anderen Ländern heißen, gab es hier schon immer als festen Teil der Gesellschaft und irgendwelche Kämpfe um Anerkennung oder Gleichberechtigung wurden nicht einmal durch das Auftauchen der christlichen Kirchen notwendig, was alle Länder Ozeaniens zu problemlosen Reisezielen für die LGBT-Community macht.

Er ist natürlich über alle Maßen liebenswürdig, dabei aber hundertprozentig professionell. Er fischt umgehend eine Karte Mo'oreas heraus und zeigt uns nachdrücklich die Staßen ins Inland, die wir nicht benutzen dürfen, wenn wir unseren Versicherungsschutz nicht verlieren wollen.

Das ist vor allem die Route des Ananas oder Pineapple Road, die durch die Ananasplantagen Mo'oreas führt. Ganz Moorea ist ein einziger Obst- und Gemüsegarten und auch ohne diese Straße zu benutzen, sieht man genügend Felder, auch wenn es natürlich neugierig macht, wie die Insel tief im Inneren wohl aussehen mag.

Wir bekommen einen kleinen weißen Kia Picanto und unser erster Weg führt uns direkt zum lokalen Champignon. Im Vergleich zu Papeete ist das quasi ein Superstore, hier gibt es alles, was das Herz begehrt, teuer ist es aber auch. Ich mache Großeinkauf, Snacks und Getränke, während der Mister schon mal die richtige musikalische Hintergrunduntermalung für die Inseltouren programmiert.

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Weil es in den Tropen ja früh dunkel wird, bleibt nur noch Zeit für eine kurze erste Erkundungsfahrt, und die führt uns direkt in das Tal von Opunohu, hinter dem Mont Rotui, in dessen Nähe wir wohnen. Dem Mister, der vor vielen Jahren ja schon einmal hier war, ist von Moorea nämlich vor allem eins in Erinnerung geblieben: Der größte Gummibaum, den er je gesehen hat, und nun will er wissen, ob er das richtig in Erinnerung hat.

Das Tal von Opunohu ist, wie ja fast alle Täler auf diesen Vulkaninseln, ein eingesunkener Krater und die umgebenden schroffen Felswände lassen das auch erkennen:

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Der Signatur-Felsen von Mo'orea, der Dent du Requin, der Haizahn. Ich glaube, keinen Felsen haben wir öfter fotografiert.

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Und dann sehen wir ihn. Den Gummibaum. Eigentlich sind es zwei, und sie sind so gigantisch, wie der Mister erzählt hat:

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Von weitem sieht man es noch besser:

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Er muß uralt sein, wächst und gedeiht aber munter weiter.

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Hinter dem Gummibaum teilt sich die Straße, die Serpentinen führen hinauf zum Aussichtspunkt, nach links beginnt die Pineapple Road. Und man kann schon sehen, weshalb die Benutzung mit einem Kleinwagen untersagt ist. So wie die rote Buckelpiste aussieht, verlangt sie vermutlich selbst einem Geländewagen alles ab.

Wir halten uns eine Weile im Tal auf, bis die Sonne untergeht.

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Es ist ruhig hier, ein paar Pferde werden von der Weide getrieben, ansonsten kein Mensch. Die geparkten Autos gehören vermutlich zu Wanderern, die noch in den Bergen unterwegs sind.

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Die einzigen Lebewesen außer uns sind die Moskitos, und die sind so zahlreich, daß sie uns dann auch zurück ins Motu Iti in die Meeresbrise treiben. Wir hätten Mückenzeug einpacken sollen. Für die nächsten Ausflüge hinauf zum Belvedere und die Inselrundfahrten sind wir schlauer.

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Wenn du keine Kokosmilch hast, machste einfach normales Wasser.
- Grubi -

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Pico
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Re: Motus, Muscheln, Menschenfresser - Zwei Monate in Französisch Polynesien

Beitrag von Pico »

Hm, womit fange ich nur an, so ein mitreis(s)ender Bericht...

Ach, ich glaube ihr hattet echt einen fantastischen Urlaub!!! :D

Gibt´s auch noch Hai-Fotos?!? :wink:
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