Gators, Goethe, and the Grove - Florida 2022

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Klara
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Re: Gators, Goethe, and the Grove - Florida 2022

Beitrag von Klara »

Suse hat geschrieben: 14 Nov 2022 09:49 Es geht ja noch endlos lang weiter, der Reisebericht zieht sich mit Sicherheit bis ins kommende Jahr und die richtige Exotik kommt erst noch.
Schön dass es weiter geht. Ehrlich gesagt, mir fehlt die "richtige Exotik" gar nicht, euer Schreib- und Bilderstil ist so unterhaltsam und weckt eigene Erinnerungen wenn auch in weniger spektakulären Zusammenhängen, dass ich sicher mit derselben Begeisterung die Beschreibung des Wegs zum Arbeitsplatz mit der BVG und entsprechenden Eindrücken lesen würde.
Danke + LG
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Re: Gators, Goethe, and the Grove - Florida 2022

Beitrag von Klara »

Klasse finde ich übgrigens auch, dass inzwischen wieder Personenbilder auftauchen, wenn auch dem Zeitgeist geschuldet gesichtslos.
LG
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Re: Gators, Goethe, and the Grove - Florida 2022

Beitrag von Klara »

Suse hat geschrieben: 09 Nov 2022 17:17

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Das erste Quellenschnorcheln auf einer Reise ist immer ein besonderer Moment. Ich bin für mein Leben gern im Wasser, und kann es auch im kühlen Quellwasser stundenlang aushalten. Schon lange habe ich das Schwimmen in den Hallenbädern zu hassen gelernt und schwimme nur noch draußen, bei jeder sich bietenden Gelegenheit, und verzichte im Winter lieber ganz darauf. Und so fühle ich mich dann beim Eintauchen in das Quellwasser irgendwie immer, als hätte man mich jetzt in die Freiheit entlassen. Schwimmen ist für mich etwas Meditatives, etwas, das bei guter Unterwassersicht dem Fliegen recht Nahe kommt. Und dieses Jahr ist die Freiheit schier grenzenlos.

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Diese Sequenz finde ich auch super, kann ich voll nachvollziehen.
So, nun quatsche ich nicht mehr dazwischen.
LG
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Suse
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Re: Gators, Goethe, and the Grove - Florida 2022

Beitrag von Suse »

Klara hat geschrieben: 29 Nov 2022 11:41 Klasse finde ich übgrigens auch, dass inzwischen wieder Personenbilder auftauchen, wenn auch dem Zeitgeist geschuldet gesichtslos.
LG
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Da gebe ich Dir teilweise Recht.
Wir waren ja im September noch in New York. Und was ist das für eine spannende Stadt, in der Du nur vors Hotel zu treten brauchst und irgendwas Verrücktes siehst. Da konnte man Fotos machen, also vor allem der Mister natürlich, da könnten wir hunderte Bilder zeigen von faszinierenden Leuten. Und oftmals war es die Mimik oder generell das ausdrucksvolle Gesicht der Menschen, die das Motiv ausmachen. Da zerstört der Balken vorm Gesicht alles. Aber es sind alles Schnappschüsse, mit einigen wenigen Ausnahmen, auf denen die Leute extra für uns posiert haben. Darfste nicht zeigen ohne Erlaubnis, Recht am eigenen Bild. Das ist echt so schade, daß man da nicht einfach teilen darf, was man erlebt hat.

Aber bei so Bildern wie den hier jetzt gezeigten mit den Selfieleuten vor den Gators, da finde ich es schon richtig, daß man sie unkenntlich macht, weil wir sie ja nicht positiv darstellen. Wenn man sowas im privaten Rahmen zeigt und sich drüber schlapplacht ist ja was anderes, aber so öffentlich halte ich wirklich nichts davon, Personen, noch dazu ohne ihr Wissen, abzubilden. Da muß ich sofort wieder an diesen Schreiber von vor ein paar Jahren denken, der die arme Saftverkäuferin auf La Digue hier in seinem Reisebericht mit einem fetten Portraitfoto verewigt hat mit der Beschreibung, daß sie nicht rechnen konnte und immer so albern gelacht hätte. Und dazu dann gut erkennbare Bild von der Frau und sofort kamen die ersten Kommentare, ob sie wohl behindert wäre. Fand ich ganz furchtbar, besonders, weil die Wahrscheinlichkeit groß war, daß die Leute, die das Bild sehen, sie dann vor Ort wiedererkennen.

Und Du darfst gern so viel dazwischenquatschen wie Du willst. Ich hoffe, daß es noch diese Woche weitergeht.
Wenn du keine Kokosmilch hast, machste einfach normales Wasser.
- Grubi -

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Beitrag von Klara »

Suse hat geschrieben: 29 Nov 2022 12:01 Aber bei so Bildern wie den hier jetzt gezeigten mit den Selfieleuten vor den Gators, da finde ich es schon richtig, daß man sie unkenntlich macht, weil wir sie ja nicht positiv darstellen. Wenn man sowas im privaten Rahmen zeigt und sich drüber schlapplacht ist ja was anderes, aber so öffentlich halte ich wirklich nichts davon, Personen, noch dazu ohne ihr Wissen, abzubilden. Da muß ich sofort wieder an diesen Schreiber von vor ein paar Jahren denken, der die arme Saftverkäuferin auf La Digue hier in seinem Reisebericht mit einem fetten Portraitfoto verewigt hat mit der Beschreibung, daß sie nicht rechnen konnte und immer so albern gelacht hätte. Und dazu dann gut erkennbare Bild von der Frau und sofort kamen die ersten Kommentare, ob sie wohl behindert wäre. Fand ich ganz furchtbar, besonders, weil die Wahrscheinlichkeit groß war, daß die Leute, die das Bild sehen, sie dann vor Ort wiedererkennen.
Verstehe ich schon, dass man heute aufgrund der Gesetzgebung keine kenntlichen Personen mehr zeigt. An das Bild der Saftverkäuferin im Bericht erinnere ich mich auch, meiner Fleischerhundmentalität entsprechend fand ich das gar nicht so schlimm. Von mir gibt's auch Bilder von annehmbar bis geistesgestört, da bin ich mit mir und anderen milde in der Beurteilung :lol: .
Freu mich auf die Fortsetzung.
LG
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Re: Gators, Goethe, and the Grove - Florida 2022

Beitrag von Suse »

Klara hat geschrieben: 29 Nov 2022 14:23
Verstehe ich schon, dass man heute aufgrund der Gesetzgebung keine kenntlichen Personen mehr zeigt. An das Bild der Saftverkäuferin im Bericht erinnere ich mich auch, meiner Fleischerhundmentalität entsprechend fand ich das gar nicht so schlimm. Von mir gibt's auch Bilder von annehmbar bis geistesgestört, da bin ich mit mir und anderen milde in der Beurteilung :lol: .
Das Bild an sich fand ich auch nicht schlimm, da sah sie einfach nur lustig aus. Von mir gibt es auch auf jeder Reise mindestens ein unvorteilhaftes Foto, das im Familien- und Freundeskreis auch vorgeführt wird, da kann ich auch über mich selbst lachen. Bloß in den sozialen Medien kriegen solche Dinge ja oft so eine Eigendynamik. Es gibt so unglaublich viele gemeine Leute, die vermutlich in der Realität komplett anders auftreten, aber geschützt im heimischen Wohnzimmer leben sie dann ihr Aufmerksamkeitsdefizit hoch tausend aus. Und wenn dann jemand vermeintlich Angriffsfläche bietet, dann führt ein Beitrag zum nächsten und am Ende wundert man sich, wie es so eskalieren konnte. Und der Betroffene weiß nicht mal, was da im Netz über ihn geschrieben wird und kann sich gar nicht wehren. Diese Frau zum Beispiel, wenn das hier nicht so ein unbelebtes Forum mit relativ wenigen Mitlesern wäre, die hätte in so einer Seychellengruppe auf Facebook tausendmal mehr Aufmerksamkeit bekommen und da gibt's Gruppen, da haben die Admins überhaupt kein Problem mit gehässigen Beiträgen. Und dann hat die am Ende den Stempel weg, daß sie dusselig ist, um Wechselgeld bescheißt und dabei noch blöde kichert und man seinen Saft besser woanders kauft.
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Re: Gators, Goethe, and the Grove - Florida 2022

Beitrag von Pico »

Hach, ihr beiden verkörpert für mich das was Reisen wirklich ausmacht - mit ganzen Sinnen erleben, und neben schönen Erinnerungen und tollen Fotos auch eines mit nach Hause nehmt: Kontakte. Kontakte wie sie nur mit Weltoffenheit und spontanen Begegnungen entstehen und dann sogar jahrelang halten können, selbst wenn man sich nie wieder sieht. Das alles macht Reisen für mich so wertvoll.
Und nicht die Selfies die man anderen, oft fremden Leuten, präsentiert, nach dem Motto: Ich war da!

Fotos von Personen stelle ich auch nirgends öffentlich ein, sehe ich genauso wie ihr.
Auch wenn es um so manches Charakter-Gesicht schon schade ist.

Freue mich bis zum Frühjahr weiterlesen zu können! ;-)
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Suse
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Re: Gators, Goethe, and the Grove - Florida 2022

Beitrag von Suse »

Nach dem intensiven Tag in der Paynes Prairie ist der Mister voll im Reptilienfieber und würde am nächsten Tag am liebsten direkt nach St. Augustine fahren. Da das aber erneut einen zeitigen Aufbruch und ein straffes Tagesprogramm bedeuten würde, verschieben wir das auf morgen und beschließen, uns heute nur über die Landstraßen der näheren Umgebung treiben zu lassen. Alte Häuser fotografieren, Blumenwiesen bewundern und die ein oder andere Quelle auf Beschwimmbarkeit prüfen.

Wir haben keine Eile und trödeln über die Dörfer und halten an, wo es uns gefällt.
Die Gegend hier ist einsam, am Straßenrand immer wieder verfallene Farmhäuser, deren Geschichte man gern wüßte. Wenn ein Farmbesitzer verstirbt, haben die benachbarten Farmer natürlich nur Interesse daran, die angrenzenden Agrarflächen zu übernehmen, und überlassen die Farmhäuser der Natur. Auch die Erben machen sich meist nicht die Mühe, die Häuser auszuräumen oder abzureißen, das Grundstück direkt an der Landstraße wird nicht benötigt, niemand kümmert sich weiter darum.

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So sehr sich diese Häuser als Fotomotive eignen, so traurig ist es auch. Was einmal das Zuhause von jemandem war, ist nun ein Lost Place. Oft ist anhand der Vegetation noch zu sehen, daß hier jemand einen Garten gepflegt hat. Wir betreten natürlich keines der Gebäude, aber auch von außen kann man sehen, daß manchmal noch Mobiliar vorhanden ist, Gardinen und Jalousien vor den Fenstern hängen. Die Atmosphäre ist weniger unheimlich, eher melancholisch.

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Entlang des Suwannee gibt viele kleine, abgelegene Quellen, die nur nach langer Fahrt über Sandpisten durch dichten Wald erreichbar sind. An der alten Tankstelle in Luraville gibt es noch eine verblaßte Wandmalerei, die inzwischen kaum noch zeigt, wie zahlreich die Quellen hier sind.

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Als Wegweiser taugt sie auch nicht mehr viel. Mit ein paar Tips, wie wir die Abzweigungen in den Wald gut finden, hilft uns die Kassiererin in der Tankstelle aus. Der Dreh- und Angelpunkt hier in der Gegend ist Black Gold, die Kartoffelfarm. Von da ab nur noch rechts, rechts und nochmal nach rechts.

Später werden wir feststellen, daß wir unabsichtlich einen riesigen Umweg gefahren sind und die Quellen auf anderem Wege schneller hätten erreichen können, aber zum Nachteil ist das nicht, denn die Strecke ist wunderschön. Wir fahren an weiß gestrichenen Koppelzäunen entlang, die den Hintergrund zu Phlox und Rudeckien bilden.

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Das Ganze wirkt komponiert, wie künstlich angelegte Blühstreifen, ist aber auf natürlichem Wege entstanden. Inzwischen gibt es allerdings Saatmischungen für das Nordflorida-Feeling für den heimischen Garten zu kaufen.

https://thewildfloridafamily.com/blog/f ... of-florida

Die Fahrt zieht sich und wir glauben schon, Black Gold verpaßt zu haben. Als wir aber am neuralgischen Punkt der Fahrt ankommen, einer winzigen Kreuzung irgendwo im Nirgendwo, an der man sich bestens verfahren kann, wenn man falsch abbiegt, sehen wir, daß es kaum möglich ist, Black Gold zu übersehen. Die Farm ist riesig, gigantische Erntemaschinen fahren in noch gigantischere Wellblechgebäude hinein und hinaus und sehen dabei aus wie Ameisen. Uns war nicht bewußt, daß hier in so großem Stil Kartoffeln angebaut werden.

Jetzt noch dreimal rechts abgebogen, dann geht es in den Wald nach Royal Springs. Royal Springs ist eine jener Quellen, die sich im Besitz einer beneidenswerten Privatperson befindet, es gibt aber kein Wohngrundstück direkt an der Quelle, sie ist der Öffentlichkeit zugänglich und kostet großzügigerweise keinen Eintritt. Dementsprechend voll ist es hier auch, zahlreiche Einheimische sitzen in den Pavillons und grillen, im Wasser ist jede Menge los.

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Die Quelle hat etwas von einem verwunschenen Waldsee und bei dem hohen Wasserstand würde es sicher Spaß machen, zwischen den überfluteten Bäumen herumzuschnorcheln. Bei normalem Wasserstand ist es vermutlich ein wenig beengt, wenn hier immer so viel los sein sollte. Es gibt eine Höhle und ein paar Taucher bereiten sich gerade auf den Tauchgang vor während Jugendliche, die auf dem oberen Holzdeck stehen, über ihre Köpfe hinweg ins Wasser springen. Der Mister war vor vielen Jahren schon einmal hier, ich noch nie. Wir schauen uns ein bißchen um, vielleicht kommen wir ja zu einem späteren Zeitpunkt noch mal wieder, heute reizt es uns aber nicht.

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Little River Springs dagegen ist eine Quelle nach unserem Geschmack. Sie liegt ein paar Meilen flußabwärts und ist eine First Magnitude. Der Quelltopf ist weit und wie in Ginnie bildet sich durch den hohen Druck der Quelle ein scharfer Grenzbereich zwischen dem klaren Quellwasser und dem dunklen Flußwasser, in den man hineinschnorcheln kann, was witzig und auch ein bißchen gruselig ist.

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Die Quelle kostet stateparkmäßig einen geringen Obolus, es ist nicht viel los, eine Mutter unterrichtet ihren Sohn im Schwimmen, ein paar Angler stehen am Ufer. Wir suchen uns einen etwas abgelegeneren Platz auf einem der Decks direkt am Fluß und packen unsere Klappstühle aus. Hier haben wir einen Logenplatz, wie man ihn sich schöner nicht wünschen kann. Im Fluß liegt ein umgestürzter Baum, wir packen unser Picknick aus und beobachten einen kleinen Cooter bei seinem mühsamen Aufstieg zu einem Sonnenplatz.

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Irgendwann kommen zwei große Motorboote vom Suwannee, die offenbar zusammengehören, verbotenerweise in die Quelle hineinfahren und direkt neben dem Verbotsschild festmachen, dreister geht es kaum. Die Mutter holt auch sofort ihren Sohn aus dem Wasser und beide sitzen am Ufer und gucken.

Das erzkonservative Florida ist in Natur- und Tierschutzbelangen nicht gerade in einer Vorreiterposition. Den Florida Springs and Aquifer Protection Act gibt es immerhin, aber gerade mal 30 Quellen sind als „outstanding“ eingestuft und genießen besonderen Schutz.
Es ist zwar nicht unbedingt zu befürchten, daß die kleinen, entlegenen Quellen am Suwannee und am Santa Fé zukünftig einen massiven Touristenansturm zu erwarten haben. Hier, wo der Reiz eher im Unspektakulären liegt und man viel Geduld aufbringen muß, um im dunklen Wasser der Flüsse Tiere zu sehen, und wo man auch nicht Tuben oder auf Springbreakerparties gehen kann, ist nichts, was die breite Masse der Amerikaner, die die wenige Urlaubszeit, die sie haben, ja zumeist intensiv nutzen wollen, anziehen würde. Aber allein durch den massiven Zuzug, der ganz Florida merklich unter Druck setzt, droht den Quellen zusätzliche Belastung. Nicht nur durch den Einfluß der Landwirtschaft und die steigende Trinkwasserentnahme, sondern auch von den Menschen selbst, die sich hier niederlassen, ihre Freizeit hier verbringen, von der wunderschönen Natur profitieren wollen, aber (noch) kein Empfinden für die fragilen Ökosysteme, die einen Teil ihrer endemischen Fauna in den letzten 10 Jahren bereits so gut wie eingebüßt haben, entwickeln konnten.

Weitere Quellen heben wir uns für später auf und trödeln lieber gemütlich nach Lake City zurück. Wir wählen dabei eine andere Strecke, die durch besonders üppige Blumenwiesen führt. So viele „Wildflowers“ wie dieses Jahr haben wir wirklich noch nie gesehen.

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Suse
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Re: Gators, Goethe, and the Grove - Florida 2022

Beitrag von Suse »

So viele große Gators, wie wir auf dieser Reise bislang gesehen haben, sind kaum zu toppen. Noch größere Reptilien gibt es in Florida nur noch in St. Augustine. Ich war erst einmal dort, das ist aber schon 10 Jahre her und damals stand auch der Besuch der Altstadt im Vordergrund. Diesmal wird es umgekehrt sein, und alte Krokodile werden den Vortritt vor alten Häusern haben.

Es ist eine knapp dreistündige Fahrt von Lake City bis St. Augustine. Daß wir die Langsamsten sind, obwohl auch wir immer am oberen Limit fahren, muß wohl nicht nochmal erwähnt werden. Wenigstens ist es Sonntag und auf den Autobahnen relativ wenig los. Dafür ist es auf der Alligatorfarm umso voller. Wir haben ein Riesenglück und bekommen den letzten Parkplatz direkt vor dem Haupteingang.

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Den Eingang bildet ein hübsches Gebäude im Spanish Revival Stil, dahinter schließt sich die Parkanlage an, die für sich in Anspruch nimmt, jede auf der Erde bekannte vorkommende Krokodilspezies zu zeigen.

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Neben den Krokodilgehegen hat man südostasiatischen Tieren wie Waranen und einer Schlangensammlung ein Indonesienhaus gegönnt und für eine Lemurengruppe aus Madagaskar gibt es ein großes Gehege.
Im Vergleich zum Gatorland ist die Alligatorfarm klein. Angesichts der Artenvielfalt, die hier gezeigt wird, wirkt alles irgendwie komprimiert, dabei aber mit viel Liebe zum Detail gestaltet.

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Wir sehen während des gesamten Rundgangs kein einfallsloses Gehege, alles ist üppig bepflanzt, auf Freisitzen hocken Papageien, dazu die zahllosen Reiher, die sich hier freiwillig niedergelassen haben, natürlich aus den gleichen Gründen wie im Gatorland.

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Im Außengelände dann eine Überraschung. Nicht nur Reiher brüten hier, sondern auch eine große Kolonie Rosa Löffler.

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Sie sind so zahlreich, daß man beinahe meinen könnte, das sei doch nichts Besonderes.

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Aber nicht nur ich, sondern auch viele Floridianer haben noch nie einen Rosa Löffler in freier Wildbahn gesehen. Und hier sitzen sie genauso zahlreich wie die Reiher herum.

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Die Nistbäume sehen aus wie in Zuckerwatte gehüllt.

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Unter ihnen schnarchen die Alligatoren. Es gibt Futterautomaten, das scheinen sie genau zu wissen, denn genau unterhalb der Standorte lümmeln die meisten herum. Ich mache mir den Spaß und verbrate zwei kostbare Waschmaschinen-Vierteldollar und werfe die Futterpellets ins Wasser. Da werden sie dann tatsächlich munter und das Wasser brodelt kurzzeitig, danach fallen sie sofort zurück ins Koma.

Das Highlight der Alligatorfarm ist aber gar kein Alligator, sondern ein Salzwasserkrokodil. Genauer gesagt zwei, aber nur eines davon ist lebendig: Maximo, stolze viereinhalb Meter lang.

https://www.youtube.com/watch?v=fTx4JJdfe3w

Wir haben die Fütterungszeiten verpaßt oder möglicherweise gab es heute auch gar keine. Aber auch einfach nur so, wie er so daliegt, ist das schon noch eine andere Hausnummer als der größte Alligator, und schmücke er sich auch mit noch so vielen Wasserpflanzen.

Wenn man Maximo eine Weile angeschaut hat, hatte das Auge Gelegenheit, sich an die Abmessungen zu gewöhnen, so daß der Anblick seines Vorgängers nicht mehr ganz so erschreckend ist. Das Krokodil, das Maximos Gehege vor ihm bewohnt hat, war sogar noch einen ganzen Meter länger und man kann sich ihm inzwischen gefahrlos nähern, er ist nämlich ausgestopft.

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Gomek, ebenfalls ein Salzwasserkrokodil, war ein legendär riesiger Wildfang aus Neu Guinea, eines der größten, wenn nicht das größte Krokodil, das je in einem Zoo gehalten wurde. In seinem eigenen Museum wird Gomeks gedacht, und wenn man dann so direkt daneben steht, ist der Gedanke, dem Tier zu Lebzeiten irgendwo in Neu Guinea begegnet zu sein, schon eine Horrorvorstellung. Generell finde ich Krokodile sehr viel unheimlicher als Alligatoren, und ich glaube, das liegt an der spitzen Schnauze, die die Tiere viel aggressiver wirken läßt.

Ich bin zum ersten Mal auf der Alligatorfarm und finde die Einrichtung sehr angenehm, es gibt viel zu sehen und alles ist gepflegt und liebevoll gestaltet. Natürlich darf die obligatorische Zip-Line nicht fehlen; während wir essen, sausen die Leute über unseren Köpfen quer über die harmloseren Gehege. Das von Maximo wird dabei ausgespart, warum nur?

Wir lassen uns irgendwo zwischen dem Gomek- und dem Indonesienhaus nieder und besorgen uns zu essen und zu trinken. Die Auswahl an Snacks ist anders als im Gatorland, dies hier ist keine Zuchtfarm, somit wird kein Alligatorfleisch angeboten. Die Preise sind ok und Getränke gibt zum Nachfüllen.

Während der Mister noch eine ausgiebige Runde über das Außengelände zu den Reihern, Löfflern und anderen Bewohnern dreht,

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bleibe ich noch ein bißchen beim Refill, passe auf die Taschen auf und beobachte die Leute.
Als ich plötzlich „Fountain-Drinks“ lese, wird mir auf einmal bewußt, wie lange Miami schon her ist und daß sich unser Aufenthalt so langsam dem Ende nähert.

Aber der Tag hält noch einen Brüller bereit, zumindest für mich. Drei Jahre ist es her, daß ich auf einer pazifischen Insel Opfer eines nicht stubenreinen Rotfußtölpels wurde, der sich genau über meinem arglos am Strand drapierten Körper erleichtern zu müssen meinte. Angeblich soll das ja Glück bringen, mir brachte es vor allem das Gelächter des Ehemannes ein. Drei Jahre also mußte ich warten, bis ich gerächt wurde, aber heute ist es soweit. Als der Mister überraschend früh und auffallend zügigen Schrittes von seiner letzten Fotorunde auf dem Außengelände zurückkehrt, haben ihm die Löffler den Arm verziert. Er sieht er fast schlimmer aus als ich damals, aber vor allem die fassungslose Miene ist unbezahlbar.

Nachdem ich vor Lachen erstmal ausgiebig zusammengebrochen bin, putzen wir die Hinterlassenschaften ab, so gründlich wie es geht, und gottseidank hat es nicht nur das T-Shirt überlebt, die Geruchsbelästigung während der Rückfahrt hält sich in Grenzen. Und die Hauptsache ist, daß die Kamera nichts abbekommen hat.

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Und was die Fotos betrifft, hat sich der Einsatz sowieso gelohnt.

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Re: Gators, Goethe, and the Grove - Florida 2022

Beitrag von Suse »

Am nächsten Tag raffen wir uns zu einer Fahrt zu einer nicht allzuweit entfernten Quelle auf. Da wir diesmal noch gar nicht in Ichetucknee Springs waren, ist klar, daß es das heute wird, denn wenigstens einmal auf jeder Reise muß man dort hin. Es ist Montag, und wir hoffen darauf, daß so zum Wochenbeginn nicht allzuviel los ist.

Ichetucknee Springs ist eine Quelle, deren Namen viele Floridianer vor 20 Jahren noch nicht einmal kannten. Inzwischen gehört sie zu den überregional bekannten und gut vermarkteten Quellen, und das liegt eigentlich nicht so sehr an der Quelle selbst, sondern am Ichetucknee River. Bei allem Verständnis für den Spaß, den das Tuben auf dem Fluß sicher macht, stehen wir der Angelegenheit eher ambivalent gegenüber. Gut gemanagtes Tubing in Maßen schadet der Umwelt sicher kaum, aber es ist die schiere Masse an Besuchern, die den gesamten Sommer über hier am Ichetucknee einfallen, die wirklich erschreckend ist.

Auch der Headspring ist inzwischen zu einer regelrechten Badeanstalt ausgebaut worden. Das Wasser ist mit Mauern eingefaßt, hier gibt es keine Schutzzonen für Tiere mehr. Wir sind schon bei der letzten Reise nur für einen kurzen Blick auf das Geschehen stehengeblieben und dann direkt zum tiefer im Wald liegenden Blue Hole weitergegangen.

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Am Blue Hole ist man spätestens ab dem späteren Vormittag auch nicht mehr allein, aber die ganz großen Menschenmassen scheuen offenbar den zehnminütigen Fußmarsch durch den Wald. Wenn man das Wasser für sich allein haben möchte, muß man Geduld haben, die meisten Besucher halten es im Quellwasser nicht lange aus und gehen bald wieder, da man sich unter dem dichten Blätterdach auch nicht in die Sonne setzen und sich aufwärmen kann.

Heute ist es anders, wir sind nicht die einzigen, die hier ganz offensichtlich genau das selbe suchen, ein junger Mann schnorchelt bereits im Blue Hole. Da das Wasser so hoch steht, kann man ein Stück in den Spring Run hineinschnorcheln, wo viele Fische stehen. Vor über 10 Jahren habe ich genau an dieser Stelle zuletzt eine kleine Moschusschildkröte über den Grund laufen sehen, danach nie wieder, und es ist auch unwahrscheinlich, daß ich je wieder eine sehen werde. Aber trotzdem halte ich unbewußt immer wieder Ausschau.

In dem engen Spring Run stehen viele Fische, die ich aufscheuche, so wie ich es auch kaum schaffe, den Bodengrund nicht mit den Flossen aufzuwirbeln, daher lasse ich das dann doch bleiben und schwimme in das offene Wasser zurück. Weiter draußen scheint die Sonne in das Blue Hole hinein und läßt es leuchten. Ich versuche jedesmal, ein Stück hinunterzutauchen, aber gegen den Wasserdruck komme ich immer nur wenige Meter an.

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Auch unter Wasser kann ich hören, daß weitere Leute angekommen sind und sich irgendwo auf der Plattform unterhalten. Auf der Treppe sitzen drei Personen und lachen über irgendwas. Wie sich herausstellt, sind es US-Amerikaner auf Familienbesuch, die sich nicht ins kühle Wasser wagen. Der Mister ruft mich heran und diesmal beantwortet sich die Frage, woher die Gruppe stammt, nicht mit Deutschland. Sie sind aus Guam, womit sich auch erklärt, warum ihnen das Quellwasser zu kalt ist. Alligatoren lassen solche Leute aber eher nicht nervös werden, wenn sie Urlaub machen, fahren sie normalerweise nach Palau, wo es vor Gomeks und Maximos nur so wimmelt. Wir sind beeindruckt, wir kennen Leute, die schon zum Tauchen in Guam waren und die die Schönheit der Insel schwer beeindruckt hat.

Wir erzählen, daß wir auch bald im Südpazifik unterwegs sein. Sie kennen Tahiti ebenfalls und haben direkt eine Empfehlung für einen Guide für uns. Wir tauschen Facebook-Kontaktdaten, die seither meinen Feed mit Bildern aus Guam verschönern. Man müßte vielleicht wirklich mal hinfahren.

Die Südseeinsulaner brechen bald wieder auf und auch der Mister macht sich mit der Kamera auf den Weg. Ich bleibe, in mein Handtuch gewickelt zurück, und bewache unser Zeug. Der einsame Schnorchler, der bereits vor uns da war, hat sich auf der Plattform im Hintergrund gehalten und vermutlich gewartet, daß er die Quelle wieder für sich allein hat, denn als alle außer mir aufbrechen, ist seine Enttäuschung, daß ich nicht ebenfalls den Rückzug antrete, förmlich spürbar. Er klettert auf den Zaun und schaut reglos auf das Wasser hinaus, in dem jetzt gerade kein Mensch mehr schwimmt und die Perfektion stört. Die Oberfläche ist glatt wie ein Spiegel, nur über dem Blue Hole kräuselt es sich ein bißchen. Sobald es ruhiger wird, kommen die Schildkröten wieder heraus, um sich zu sonnen, irgendwo im Wald klopft ein Specht. Ich versuche, ihm die Stimmung so wenig wie möglich zu verderben, indem ich keinen Mucks von mir gebe.

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Als der Mister zurückkommt und wir uns kurz unterhalten, spricht er uns an und entpuppt sich als sehr sympathischer College-Student aus Jupiter. Die deutsche Sprache hat sein Interesse geweckt. Diesmal ist der Bezug zu Deutschland ein besonders kurioser: Sein Vater sammelt Porsches.
Er macht gerade den Abschluß und gönnt sich das hier als Pause vor der letzten Prüfung. Der Eindruck, den ich von ihm hatte, bestätigt sich. Er stammt von der Küste, aber eigentlich zieht es ihn hierher, in die Wälder zu den Quellen. Und so wie wir gern hierher kommen, träumt er davon, nach dem Studium Europa zu bereisen. Was er von Jupiter erzählt, klingt, als sei das eine Stadt, die sich zu besuchen lohnen könnte. Er spricht von der schönen Landschaft und den nicht überlaufenen Stränden abseits des Inlet.

Die eigentlich geplante kurze Wanderung auf dem Uferweg entlang des Ichetucknee River muß ausfallen, Ausbesserungsarbeiten am Weg, überall rotweiße Absperrbänder. Der Mister ist ein bißchen enttäuscht, weil der Weg normalerweise sehr ergiebig ist, was Fotomotive betrifft. Also verbringen wir den Nachmittag mit Grillen und Musikhören und Faulenzen.

Die Souvenirs von gestern werden weiter genutzt :wink:

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Vielleicht auch ganz gut so, denn am nächsten Tag haben wir sowieso unsere letzte längere Fahrt vor.
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Re: Gators, Goethe, and the Grove - Florida 2022

Beitrag von Suse »

Als wir die Reise planten, war ja zu Beginn eigentlich ein längerer Aufenthalt auf den Bahamas und in Key West vorgesehen. So wie jedes Ding zwei Seiten hat, hat es auch dieses, denn daß die ursprünglichen Pläne ausfallen mußten, hat nun dafür gesorgt, daß wir relativ früh in Nordflorida sind, und das bedeutet: Eine Chance auf blühende fleischfressende Pflanzen.

Der Mister, der von meinen botanischen Exkursionen bisweilen nicht immer begeistert war, hat mittlerweile auch ein bißchen Gefallen daran gefunden und fordert mich vor einer Reise inzwischen schon auf, wieder eine ungewöhnliche Pflanze auszusuchen, die wir finden müssen. Und wer sich schon gefragt haben sollte, wann nach The Grove und den vielen Gators denn nun endlich mal der Goethe aus dem Reiseberichtstitel seinen Auftritt haben würde: Das ist jetzt. Denn um zu finden, was wir suchen, müssen wir in den Goethe State Forest.

Der Goethe, um den es hier geht, ist aber nicht unser deutscher Dichter, sondern ein floridianischer Großgrundbesitzer, der in den 90er Jahren das riesige zusammenhängende Waldgebiet an den Staat Florida verkaufte, der es sofort unter Schutz stellte. Der Goethe State Forest ist vor allem für den Goethe Giant bekannt, eine um die 900 Jahre alte Zypresse, aber der steht in einem anderen Teil des riesigen Waldes, und wir lassen ihn ebenso links liegen wie die den Devil’s Den, den wir aufgrund seiner angeblich durch die Pandemie begründeten massiven Preissteigerungen (die ich persönlich für reinen Nepp halte) bis aufs weitere zu boykottieren gedenken, und die Cedar Lakes Woods and Gardens in Williston, die erst vor kurzem überhaupt für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden und eigentlich ganz ansprechend ausahen. Aber wir wir haben noch einen weiten Weg.

Die Pflanzenpopulation, die wir suchen, ist relativ klein und überdies die einzige dieser Art in ganz Zentralflorida, aber angeblich soll der Rundweg um den See, in dessen Ufernähe die Pflanzen wachsen, gut beschildert sein. Wir kalkulieren dennoch einige Zeit zum Suchen ein und fahren zügig hinein in die Williston Highlands.

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Den Namen verdient die Gegend durchaus, das Land ist hügelig und die Straße hebt und senkt sich. In der Nähe von Williston sind die teilweise sehr kostspielig aussehenden Häuser noch zahlreich, dann wird die Besiedelung immer spärlicher. Der Boden ist sandig, hier wachsen nur noch kleine Phlox, oder vielleicht ist es auch eine andere lila Blume, das kann man im Vorbeifahren nicht so genau erkennen. Je näher wir dem Goethe State Forest kommen, desto mehr Reitbetriebe sieht man entlang der Straße, im Wald gibt es ein gut ausgebautes Reitwegenetz, mit dem wir bald Bekanntschaft machen werden.

Die ganze Gegend wirkt auf mich unglaublich vertraut, weil dies Zusammenspiel aus den an blühende Heide erinnernden lila Blumen, dem Sandboden und den Kiefernwäldern so stark an die Lüneburger Heide erinnert, in der ich früher viel Zeit und in jedem Jahr mindestens eine Woche einen Urlaub verbracht habe, ob mit Pferd oder ohne.

Diese Illusion zerstört der Mister durch ein wahres Feuerwerk an Bärenkalauern. Als wir an einem Hinweisschild auf einen stattfindenden Garage Sale vorbeikommen, meint er, da gäbe es sowieso nur Bärenfelle, sobald wir ein Schild mit einer Geschwindigkeitsbeschränkung passieren, mutmaßt er, dies sei zum Schutz vor die Straße kreuzenden Bären. Als dann tatsächlich die ersten Bären-Hinweisschilder auftauchen, zweifelt er endgültig an, daß wir den Goethe State Forest lebend verlassen werden. Besser hätten wir nie Backcountry geguckt. Ich kenne das mit den Bärenwitzen schon von der letzten Tour nach Appalachicola und gebe zu Bedenken, daß sein unpassendes Schuhwerk ein viel größeres Risiko darstellt als alle Bären Floridas.
Mitten im Goethe State Forest liegt der Buck Island Pond, und hier, in dem sumpfigen Grund in Ufernähe wachsen die Schlauchpflanzen. Als wir auf den Parkplatz fahren, ist außer uns nur ein einziges Auto hier, an einem Picknicktisch sitzt eine ältere Dame und scheint zu malen.

Der Weg ist relativ einfach, und die Stelle, an der die Schlauchpflanzen stehen, soll über einen Boardwalk, der vom Hauptweg ab in den Sumpf führt, gut erkennbar sein. Trotzdem nehmen wir uns aus dem Zettelkasten an der Infotafel einen Plan und marschieren los.

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Der Weg ist trocken und führt über den mit Kiefernnadeln bedeckten Boden zwischen Palmettos und Beerensträuchern. Es scheint hier in der Vergangenheit einmal gebrannt zu haben, die Kiefern haben im oberen Bereich der Stämme schwarz verkohlte Rinde. Interessant ist, daß auf dem Untergrund schwarze Eidechsen sitzen. Sie sind auffallend gut getarnt und wunderhübsch mit ihren Goldsprenkeln. Ob das eine natürliche Färbung der Art ist oder ob die Tiere im Laufe der Zeit zur Tarnung einen Melanismus entwickelt haben, wissen wir nicht.

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Als wir an die Stelle kommen, an der sich Wanderer und Reiter für ein kurzes Stück den Trail teilen müssen, wird es kurzzeitig ein bißchen haarig. Ich habe relativ feste Schuhe an, der Mister nur Flipflops, und damit kommt er in dem tiefen Untergrund nicht mehr weit. Man sinkt in den von den Hufen aufgewühlten Boden so tief ein, daß es einem die Schuhe förmlich von den Füßen zieht, und so entschließt er sich, umzukehren. Ich gehe allein weiter und nehme dabei den Matsch auf dem Trail in Kauf, da ich Bedenken habe, am Rand des Weges durchs Unterholz zu stiefeln. Das sumpfige Land nahe des Sees wäre nämlich genau der richtige Lebensraum für die Cottonmouth. Es sind aber tatsächlich nur noch wenige Meter, bis der Boardwalk vom Weg ab ins Gebüsch führt.

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Ich bin ein bißchen aufgeregt, ob sich die ganze Fahrt wohl gelohnt hat. Aber er hat! Trotzdem es schon wieder Ende April ist, finde ich noch zwei blühende Exemplare. Anders als die Sarracenia flava, die wir vor vier Jahren auf dem Wright Loop Trail im Panhandle gesehen haben, haben diese hier keinen Deckel über ihrem schlauchförmigen Körper, sondern sind in sich gekrümmt wie Schneckenhäuser. Wie der Name, Sarracenia minor, schon sagt, sind sie auch viel kleiner.

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Meine zweite Schlauchpflanzenart, die ich in freier Wildbahn gesehen habe, ich freue mich sehr und mache ein paar Fotos, dann gehe ich zum See zurück, wo der Mister auf mich wartet.

Als ich dort ankomme, hat er es sich auf der Aussichtsplattform über dem Buck Island Trail gemütlich gemacht und unterhält sich mit der älteren Dame, die wir vorhin schon auf dem Parkplatz gesehen haben. Sie kommt aus Virginia und verbringt die Sommer in einem Haus in der Nähe, ganz allein. Sie malt und genießt die Natur und es stört sie sehr, wenn der weit entfernt wohnende Nachbar ein Holzfeuer anzündet und sie durch den Rauchgeruch an seine Anwesenheit erinnert wird.

Heute ist sie aber gesellig unterwegs, hier zwei Deutsche mitten im Wald, das findet sie ja sehr spannend. Sie war Counselor an einer Highschool und hatte im Laufe der Jahre auch deutsche Schülerinnen, die sie beim Einleben in den USA betreut hat. Da sie sich uns nicht mit Namen vorstellt, taufe ich sie, so aus Star Trek-Gewohnheit, im Geiste Counselor Troi.

Counselor Troi war sich der Existenz von Schlauchpflanzen am Buck Island Pond nicht bewußt und will sie sich unbedingt anschauen gehen und wir geben ihre eine Wegbeschreibung, bevor wir uns verabschieden. Ich bewundere die Frau ein bißchen, mit weit über 80 allein mit dem Auto aus Virginia angereist und monatelang allein in einer Cabin im Wald von Nordflorida. Mir wäre das definitiv zu unheimlich. Im Nachhinein ärgere ich mich, daß ich sie nicht gefragt habe, ob ich mir ihre Bilder mal anschauen darf.

Es ist inzwischen früher Nachmittag, der Tag ist sehr heiß und schwül, vor allem hier im Wald. Das Picknick am See wird zum ersten Mal auf dieser Reise massiv durch Insekten gestört, so schlimm hatten wir das diesmal noch nicht. Wir brechen früh auf und fahren gemütlich nach Lake City zurück, der Pool ruft.

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Als wir auf dem Rückweg wieder durch Williston kommen, überlegen wir kurz, ob wir uns den Ortskern noch ein bißchen anschauen. Es wirkt alles sehr ordentlich-sauber, wie frisch aufpoliert, dabei aber ein bißchen tot. Die Atmosphäre erinnert uns beide ein seltsam an die Kleinstadt aus „Pleasantville“. Einzig die lebensgroße Statue von Foolish Pleasure direkt neben der Hauptstraße, die wir auf dem Hinweg im Vorbeifahren schon gesehen haben, verleiht dem Ort etwas Lebendiges, auch wenn um die Parkbänke in der Grünanlage darum niemand sitzt.

Levy County, in dem Williston liegt, ist Pferdeland. Es ist vielleicht nicht ganz so offensichtlich wie in Marion, wo die Reitsportzentren sich aneinanderreihen. Die Gestüte hier sind nicht so zahlreich und liegen versteckter, sind aber nicht weniger erfolgreich. Es ist kein Pferdeland in dem Sinne wie Lakeland, wo Pferde aus nostalgischen Gründen noch zum Farmleben gehören, oder in den Highlands, wo es Freizeitvergnügen ist. Hier werden Vollblüter gezüchtet.

Bis Mitte des 20. Jahrhunderts gab es nur wenige Menschen, die daran glaubten, daß das Quellwasser und der mineralhaltige Karstboden Floridas gute Rennpferde hervorbringen könnte. Anders als Kentucky selbst, als amerikanisches Zentrum des Galopprennsports, oder der Ost- und Westküste mit ihrem Geldadel, wo sich der Rennsport kontinuierlich entwickeln konnte, war der Galopprennsport in Florida nicht wirklich etabliert. Weder war die Bevölkerung besonders pferdesportbegeistert, noch konnten die Trainer besondere Siege vorweisen. Man hielt das Land für eigentlich nicht geeignet für die Zucht von Hochleistungspferden.

Der Erfolg kam mit einem Schlag und mit einem einzigen Pferd: Needles.

https://www.youtube.com/watch?v=OpK8Wy6346I

1953 auf einem kleinen Gestüt in Ocala geboren, hatte er einen schweren Start ins Leben. Schon sein Name, Needles, zeugt von dem schrägen Humor seiner Besitzer, denn der erinnerte an die vielen Injektionsnadeln, die seine Züchterin, eine gelernte Krankenschwester, in das gerade geborene Fohlen hineinpieken mußte, um ihn von einer Lungenentzündung zu kurieren, die er beinahe nicht überlebt hätte.

Auch als erwachsenes Pferd hielt Needles die Menschen gern in Atem. Sein legendärer Laufstil machte ihn über die Landesgrenzen hinaus berühmt. Needles gehörte zu jenen „come from behind“-Pferden, die erst kurz vor der Zielgerade aufwachen und dann einen fulminanten Endspurt hinlegen. Der Loser mit dem schweren Start ins Leben, der wie Phönix aus Asche aufsteigt und es den Hochglanzvollblütern aus Kentucky zeigt, es entspricht vermutlich der amerikanischen vom-Tellerwäscher-zum-Millionär-Mentalität, daß Pferde wie Needles lange über ihre aktive Rennkarriere und manchmal sogar weit über ihre Lebenszeit hinaus eine ungeheure Fangemeinde haben.

Anfangs als nicht gerade gelungenes floridianisches Zuchtexperiment belacht, ging er 1956 nach diversen Siegen in großen Rennen schon als Favorit ins Kentucky Derby, machte hier wie gewohnt bis zur letzten Kurve vor dem Zieleinlauf in 20 Längen Abstand zum letzten Pferd den Eindruck, den Konkurrenten eigentlich nicht gewachsen zu sein, um auf der Zielgeraden mühelos an allen vorbeizufliegen.

https://www.youtube.com/watch?v=6KDyuMK5FmE

Danach war in Zentralflorida nichts mehr wie es war. Man sagt, daß Needles Sieg im Kentucky Derby 1956 zu den größten Landverkäufen in der Geschichte des Landes geführt habe. Die Gestüte schossen in Marion und den angrenzenden Counties wie Pilze aus dem Boden. Heute trägt Ocala den Beinamen „Horse Capital of the World“ und Florida hat insgesamt sechs Kentucky Derby Gewinner hervorgebracht. Und einer davon, der Gewinner von 1975, wurde hier in Williston geboren und in der besagten Skulptur verewigt: Foolish Pleasure.

Wer irgendwann mal durch Williston kommt und neugierig ist, welche Geschichte sich hinter dem glänzenden Pferd aus Kunststoff am Straßenrand verbirgt, sollte sich den Film „Ruffian“ anschauen, in dem Foolish Pleasure eine Hauptrolle hat, wenn auch eine traurige. Für empfindsame Gemüter sei gesagt, es ist ein schöner Film, der aber eine wahre Geschichte erzählt, die kein Happy End hat.

https://www.youtube.com/watch?v=vuEVbj4LOvQ
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Pico
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Re: Gators, Goethe, and the Grove - Florida 2022

Beitrag von Pico »

Diese Quellen sehen einfach fantastisch aus, kann ich verstehen dass es dich so so sehr hineinzieht. Auch wenn´s frisch ist...

Die Rache der Löffler wurde ja langsam auch mal Zeit! :lol:

Pferdesport ist ja nicht so mein Ding. Sobald mit Tieren Geld verdient wird hört meist der Spaß auf. Wenn ich sehe wie die immer auf die Pferde einprügeln... fruchtbar.
Ich finde Pferde toll, aber sehe sie am liebsten pur draußen auf den Wiesen, oder wo auch immer. Jedenfalls so wie sie sind - einfach wunderschöne Tiere.

Wunderbar eure vielen Details. Macht wie immer richtig Spaß! :bounce:
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Suse
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Re: Gators, Goethe, and the Grove - Florida 2022

Beitrag von Suse »

Pico hat geschrieben: 19 Dez 2022 15:38 Wenn ich sehe wie die immer auf die Pferde einprügeln... fruchtbar.
Ich finde Pferde toll, aber sehe sie am liebsten pur draußen auf den Wiesen, oder wo auch immer. Jedenfalls so wie sie sind - einfach wunderschöne Tiere.
Ja, der Galopprennsport ist schon eine Sache, die man wirklich sehr kritisch sehen kann. Vollblüter haben perfekte Bedingungen, wenn sie aufwachsen, müssen dann kurzzeitig ganz viel leisten und wenn sie Pech haben, werden sie danach Hundefutter. Inzwischen gibt es viele Organisationen, die sich darum kümmern, daß die Rennpferde, die ihre Karriere beendet haben, "umgeschult" werden zu Reitpferden und dann gegen eine geringe Adoptionsgebühr in gute Hände kommen, finanziert wird das häufig sogar von den großen Rennställen selbst. Man hat da inzwischen wohl erkannt, daß man den Tieren, die einem zuvor so viel Geld eingebracht haben, das schuldig ist. Mein letztes Pferd war auch so ein ausrangiertes Rennpferd, und würde ich das Hobby noch aktiv betreiben, würde ich wohl keine andere Pferderasse mehr wollen.

Mich interessieren aber auch die zum Teil sonderbaren, skurrilen Geschichten, die in dieser Szene so entstanden sind. Um viele dieser Pferde und die dazugehörigen Menschen ranken sich Mythen und Legenden, das findet man kaum in einer anderen Sportart. Und das meiste davon ist auch noch wahr, so wie die Geschichte von Needles.
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Suse
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Re: Gators, Goethe, and the Grove - Florida 2022

Beitrag von Suse »

Als wir ins Motel zurückkommen, stehen wir zu unserer Überraschung vor einem total überfüllten Parkplatz. Dank Amber sind wir bald im Bilde. In den nächsten Tagen ist Suwannee River Jam, ein lokales Festival, auf dem dem Lineup zufolge wohl überwiegend Country gespielt wird und das nun zum ersten Mal seit zwei Jahren wieder stattfindet und entsprechend gut besucht ist. Das Motel ist heute fast und wird morgen komplett ausgebucht sein, erzählt sie dem Mister.

https://www.suwanneeriverjam.com/

Nicht nur das, es sind zwei große Pickups angekommen, die laut dem Schriftzug auf den Türen zur gleichen Firma gehören, und deren Besatzung den Grillpavillon und die Poolarea belagert. Gegen Abend verziehen sie sich dann aber auf den Parkplatz, wo sie lautstark mit ein paar jungen Damen herumschäkern.

Wir sind neugierig und googeln, was das für eine Firma ist, und zu unserer Überraschung sind es Linemen. Linemen hatte ich mir in meinem naiven Weltbild anders vorgestellt, mehr so wie Rodeoreiter, halt cooler irgendwie. Das hier sind schmächtige Jünglinge, die heftig kiffen und vermutlich auch andere Lines ziehen, als die in der Luft. Da Marihuana in Florida ja legal ist, gibt es hier keinen Grund zur Heimlichtuerei. Wir müßten eigentlich nur tief einatmen, um auch etwas davon zu haben, wenn die Schwaden über den Parkplatz ziehen, und die halb gerauchte Joints liegen überall herum. Der benachbarte Subway wird vermutlich eine enorme Umsatzsteigerung erfahren, wenn der nächtliche Freßflash erstmal einsetzt.

Auffällig unauffällig hingegen verhält sich ein schwarzer Mercedes SL. Der Wagen parkt mal hier, mal da, er wechselt im Laufe des Abends und der kommenden Tage immer wieder den Standort. Der Fahrer sieht aus wie eine moderne Version von Terence Trent D’Arby und sitzt tagein tagaus auf dem Fahrersitz. Gelegentlich bekommt er Besuch von Motelbewohnern. Es dauert eine Weile bis wir kapieren, daß hier vermutlich der lokale Dealer Hof hält, der die Sachen verkauft, die vielleicht nicht ganz so legal sind. Wir fragen uns, wieso er sich da tagelang ungestört herumtreiben kann, wo es selbst für uns so offensichtlich ist. Vielleicht hat ja jemandem was vorgesungen, damit er bleiben durfte. :lol:

https://www.youtube.com/watch?v=JX2ncLT8Tnw

Wir haben jedenfalls nur noch zwei Tage hier und die gedenken wir nicht ausschließlich im überfüllten Motel zu verbringen, auch wenn es witzig ist, das Theater auf dem Parkplatz zu verfolgen. Auf längere Touren haben wir aber auch keine Lust mehr, also nochmal dorthin, wo es wahrscheinlich am ruhigsten ist: Peacock.

Bald werden wir die Gegend hier verlassen, dann geht es in die Tropen und die Landschaft dort wird eine ganz andere sein. Wir lassen uns durch die kleinen Orte treiben und fahren gemütlich, wir haben nicht mehr viel vor.

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Das ist auch gut so, denn auch diesmal sind wir zur richtigen Zeit an der richtigen Stelle, als eine schon relativ große, alte Schmuckschildkröte die Straße überquert. Als wir uns nähern, tut sie natürlich das, was alle Schildkröten tun, und was ihnen dann zum Verhängnis wird: Sie zieht alles ein, was sie hat und macht den toten Käfer.

Damit sie keiner wird, halten wir an, das ist hier auch gefahrlos möglich, auf diesen Nebenstraßen ist kaum jemand unterwegs und da es wenige Kurven gibt, sieht man andere Fahrzeuge auch schon von weitem kommen. Ich sammele die Schröte ein und trage sie in die Richtung, in die sie unterwegs war, bis sie weit genug von der Straße entfernt ist. Kurz überlegen wir, ob es Sinn machen könnte, sie mit nach Peacock zu nehmen, aber der Mister meint, es habe ja wohl seinen Grund, daß sie genau von dort in entgegengesetzter Richtung wegmarschiert, vermutlich ist sie aus Peacock gerade ausgezogen.

Während wir also ohne Schröte weiter Richtung Quelle fahren und uns Luraville nähern, überholen wir eine Gruppe Kinder, die auf ungesattelten Ponies durch den blühenden Randstreifen galoppieren, vermutlich direkt zur alten Tankstelle, um sich Snacks zu holen.

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Das erinnert mich an mich selbst, an meine Jugend und Jahre als junge Erwachsene, als wir genau so die Sommer im Wendland verbrachten. Und wie schon in den Williston Highlands stellt sich dieses Gefühl von Vertrautheit ein, und schließlich die Erkenntnis, weshalb ich diese Gegend hier so mag. Nicht, weil sie fremd und exotisch ist, sondern weil sie so vertraut ist. Nur daß es neben Wäldern und Feldern noch Quellen voller Schildkröten gibt, in denen man das ganze Jahr hindurch schwimmen kann. Besser geht’s nicht.


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Der Wasserstand in Peacock ist im Vergleich zum letzten Mal ein wenig gesunken, aber immer noch hoch genug, um nacheinander durch alle drei Head Springs schnorcheln zu können. Weiter draußen vom Suwannee hört man ein paar Stimmen, ansonsten sind wir allein und ich beeile mich, ins Wasser zu kommen, solange das so ist. Heute ziehen auch keine Gewitterwolken auf und die Sonnenstrahlen fallen schräg in das Wasser und verwandeln alles hier unten in eine Wunderwelt. Im obersten Head Spring steht mitten im Quelltopf eine besonders große Zypresse. Ihr breiter Stamm mit den Luftwurzeln ist jetzt ein Schutzgebiet für Fische, die wie kleine Lichtblitze zwischen dem Eelgrass und den bemosten Karstplatten umhersausen, alles leuchtet türkisblau und grün. Während ich mich von dem Quellwasser herumtreiben lasse, fühle ich mich wie ein Avatar in der Wunderwelt von Pandora.

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Später, als wir grillen, kommen andere Besucher hinzu, die, bis wir aufgegessen haben, aber schon wieder verschwunden sind. Wir stellen die Klappstühle am Ufer auf und schauen aufs Wasser. Unser vorletzter Tag in Lake City, die nächsten Wochen werden viel aufregender, wir werden vermutlich überwiegend in Gruppen auf geführten Touren unterwegs sein und uns an das Tempo der Gruppe anpassen müssen, was uns beiden nicht so liegt. Wir sind lieber individuell unterwegs, was aber bei Ausflügen in unbekanntes Terrain nicht immer vernünftig oder auch manchmal gar nicht möglich ist. Auch wenn wir uns auf die kommenden Abenteuer wie verrückt freuen, genießen wir diese letzten ruhigen Momente.

Im Motel ist alles unverändert, es ist überfüllt und auf dem Parkplatz tobt das Leben. Der schwarze Mercedes macht gute Geschäfte. Ich wasche zwei letzte Ladungen Wäsche, damit wir mit frischem Zeug weiterreisen, und beobachte vom Obergeschoß, wo die Maschinen stehen, wie er unten fleißig am offenen Autofenster seinen Handel betreibt, während der Ehemann seiner abendlichen Lieblingsbeschäftigung nachgeht: Einen Abstecher an den Lake De Soto, nochmal das besonders schöne Fotolicht nutzen.

Die Gänse, die das von Menschenhand gereichte Weißbrot verschmähen,

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suchen sich ihr Futter lieber selbst draußen auf dem See

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und verteidigen dies auch vehement gegen die Grackel:

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Inzwischen gehört der Mister hier schon quasi zum abendlichen Inventar und wird in die Gespräche der um den See herumwalkenden und joggenden Anwohner mit einbezogen. Das Leben hier hat definitiv etwas Dörfliches.
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Suse
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Re: Gators, Goethe, and the Grove - Florida 2022

Beitrag von Suse »

Am letzten Tag haben wir nicht mehr viel vor. Wir ziehen ein paar letzte Bahnen im Pool und trocknen die Badesachen in der Sonne über den Klappstühlen. Dann packen wir die Koffer und räumen das Zimmer auf. Dieses Mal fällt uns nichts Witziges ein, wem wir unseren temporären Hausrat schenken könnten. Wir fragen die Zimmerreinigungskräfte, die die Sachen dann tatsächlich auch gern haben wollen, und verabreden, daß wir sie ihnen morgen beim Auschecken im Zimmer zurücklassen.

Heute brauchen wir den ganzen Kram noch selbst, ein Abschiedsgrillen im Pavillon am Pool hatten wir uns ausgemalt. Aber auch wenn das Motel heute nach dem Ende des Jazzfests wieder so gut wie leer ist, die Linemen sind noch da und halten den Pavillon besetzt. Qualmen tut dort zwar nicht das Grillgut, sondern nur die Joints, aber trotzdem haben wir das Nachsehen, denn weitere Sitzgelegenheiten um den Grill gibt es nicht.

Das Plätzchen hätten wir zum Schluß gern nochmal für uns gehabt:

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Wir versuchen es an den Falling River Falls, aber auch dort ist heute am Sonntag alles besetzt. Am Alligatorlake werden wir dann fündig und ergattern den letzten freien Grillplatz. Der Grill hat ein Loch im Boden, was erklärt, warum er verschmäht wurde, aber das decken wir mit unserer Grillschale ab, die wir danach dann aber nicht mehr verschenken können, die kriegen wir nicht mehr sauber. Aber immerhin erfüllt sie ihren Zweck.

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Wir verbrauchen unsere letzten Kohlen und den letzten Rest Chick Fil-a Polynesian Sauce. Wir sind gespannt, ob wir in den kommenden Wochen auch so gut essen werden und wenn ja, wieviel tiefer wir dafür noch in die Tasche werden greifen müssen.

Dann drehen wir eine Abschiedsrunde durch die Stadt. Obwohl wir so lange hier waren, kommt es uns vor, als wäre es erst ein paar Tage her, daß wir das renovierte Blanche bewundert haben. Wir winken im Vorbeifahren dem Gespenst zu. Bis nächstes Jahr, und immer schön weiterspuken!

Der Abschied vom Lake DeSoto fällt dem Mister besonders schwer. Viele Abende hat er hier den Sonnenuntergang erwartet und in der entspannten Atmosphäre zwischen den Anwohnern hier mitten in der Stadt die Tiere beobachtet. Dabei sind unzählige Fotos entstanden, die ihre Interaktion auf ihren Schilfinseln, nur einen Steinwurf vom Ufer entfernt, zeigen.

Da, wo die zwei sich sonnen, gibt es bestimmt Schnecken!

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Ganz bestimmt gibt es da Schnecken, die sitzen drauf!

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Los, bewegt euch!

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Die sind drei und ich nur einer, aber die werden ihre elegante Haltung schon noch aufgeben!

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Zwei wäre ich schon mal los, aber die Große hier macht noch Zicken.

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Jetzt sind wir in der Überzahl und die geht immer noch nicht.

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Muß ich halt hier am Rand suchen. Wo sind jetzt die Schnecken?

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Da seh ich eine!

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Hab sie!

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Bist du jetzt satt? Dürfen wir uns jetzt wieder sonnen?

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Mit der Dämmerung suchen die Tiere sich ihre Schlafplätze und auch wir müssen uns losreißen. Nur daß es für uns morgen ein bißchen weiter geht, als nur bis zum Alligatorlake oder zur nächsten Quelle.

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Die Reiher machen den Abflug

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Auch unser Aufbruch am nächsten Morgen kommt dann schnell. Ohne die ganzen Grillsachen, Cooler und Klappstühle ist das Auto schnell beladen. Wir fahren zeitig los, man weiß ja nie, was auf dem Turnpike so los ist. Wir kommen aber gut durch und können uns daher zwei Pausenstops erlauben, einen in Ocala und einen in Okahumpka, das ist sehr entspannt.

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Der Abschied von Florida verläuft dann aber dennoch stressig, und das liegt an United Airlines. In Orlando angekommen wird unser Gepäck nicht angenommen, einer der Koffer hat minimalstes Übergewicht, wohl nicht mal ein Kilo, aber da sind sie hier knallhart, und der Umgangston läßt auch zu wünschen übrig. Das fliegende Personal in unserer Familie klärt uns dann später auf, die Gewichtsbelastung, die die Stauer heben dürfen, ist per Gesetz auf 23 Kilo begrenzt, da wird kein Auge zugedrückt. It’s the law. Ich hatte die Situation noch nie, daß ich vor dem Checkin vor aufgeklappten Koffer hocken mußte und mit Gepäckstücken jonglieren. Wir werfen eine Flasche Körperlotion in den Müll und ich trenne mich von einem Paar nicht mehr ganz taufrischer Schuhe, danach paßt es.

Auch sonst kann mich United auf diesem Flug nicht begeistern. Das Entertainmentprogramm besteht aus exakt drei Filmen, die in Endlosschleife laufen, was heißt, daß man in den Film an dem Punkt einsteigt, an dem er sich gerade befindet. Ich schaue also zuerst die zweite Hälfte eines Baseballfilms und danach den Anfang, was irgendwie nicht so richtig spannend ist. Neben mir sitzt eine junge Frau mit einem winzigen Zwergpinscher, eine Rasse, die ich als ausgesprochen giftig und chronisch mißgelaunt kenne, daher überlasse ich ihr freiwillig die rechte Armlehne, aber der Hund ist freundlich und schläft die ganze Zeit. Wir schlafen nicht, sondern nehmen im Geiste Abschied von Florida.

Wir haben auf dieser Reise so viele Gators gesehen, wie nie zuvor, für mich gab es die zweite Schlauchpflanze in der freien Natur, wir haben neue Quellen und Wälder erkundet, großzügige Gastfreundschaft erfahren und interessante Menschen getroffen. Es war ein großartiger Reiseauftakt.

Auf zu neuen Ufern:

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Weitere Berichte folgen, aber erstmal vielen Dank fürs Mitreisen.

Kommt gut ins neue Jahr!

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