Dschungelcamp an der Datumsgrenze

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Suse
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Re: Dschungelcamp an der Datumsgrenze

Beitrag von Suse »

Auch wenn die Touristenzahlen in Tonga allgemein niedrig sind, gibt es natürlich weitaus mehr Unterkünfte, als es in unserem Reisebericht, der ja nur unser subjektives Interesse widerspiegelt, den Anschein haben mag. Auf Tongatapu existieren bereits seit den 70er Jahren ein großes Hotel und ein gehobenes Resort auf einer vorgelagerten Insel, es gibt auch auf allen anderen Inselgruppen zahlreiche, vor allem kleine, oftmals von Ausländern betriebene Gästehäuser von ganz basic bis ganz nobel. Nur Eua bildet hier eine Ausnahme.

Die großen Reiseveranstalter haben die Insel nicht im Angebot, so daß man auf Erfahrungsberichte auf TripAdvisor und anderen Portalen angewiesen ist, um zu recherchieren, wo man unterkommen kann. Obwohl die Insel über achtmal so groß ist wie La Digue, konnten wir zum Beginn unserer Reiseplanungen 2017 gerade vier Unterkünfte ausmachen, wovon eine sofort zu unserem Favoriten avancierte.

Nachdem sowohl dieses Gästehaus als auch die zweite Wahl aus den bekannten sehr traurigen Gründen nicht mehr zur Verfügung standen, hätten wir uns wohl als dritte Alternative für ein Gästehaus in der Inselmitte entschieden, das für das, was uns nun bevorstand, auch die wesentlich bessere Wahl gewesen wäre. Da wir zur Zeit der Umbuchung aber gerade auf Luahoko waren und uns somit nicht äußern konnten, sind wir nun in dem kleinen, etwas abgelegenen Deep Resort gelandet. Der Strand soll hier besonders hübsch sein, um in den Nationalpark zu kommen, ist allerdings eine Tagestour erforderlich.

Während wir noch mißtrauisch auf die Ankunft unseres Koffers warten, der zu unserer Überraschung als einziger einen Logenplatz hinter einer Luke in der Flugzeugnase erhalten hat, spricht uns unser Herbergsvater an und fordert uns auf, uns schon mal ins Auto zu setzen. Dem uns gewiesenen Wagen hat das Leben auf Eua schon erheblich zugesetzt, besonders die Windschutzscheibe sieht interessant aus. In der oberen rechten Ecke ist das Glas kreisförmig gesplittert, es sieht aus, als sei der Bruch mit irgendetwas verklebt worden, das sich in der Tropensonne ausgedehnt hat, so daß es wirkt, als stecke der Gegenstand noch darin.


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Als der Koffer an Bord ist, geht es los. Schon auf der kurzen Stichstraße, die vom Flughafen zur Hauptstraße führt, die die Insel einmal durchschneidet, sieht man, wie der Sturm Eua im vergangenen Jahr zugesetzt hat. Unser Fahrer macht nicht viele Worte, äußert allerdings sein Erstaunen darüber, daß wir erst am Samstag abzureisen gedächten und nicht, wie erwartet bereits am Freitag. Seine Frau könne uns etwas zu essen machen, nur Getränke müßten wir selbst besorgen.

Das Angebot in den Chinesenshops von Eua ist identisch mit allen anderen, die wir bis jetzt gesehen haben. Wir decken uns in weiser Voraussicht großzügig mit Getränken und Knabberzeug sowie ein paar Milchmischgetränken ein, um zur Not ein paar Tage mit knapper Verpflegung überbrücken zu können.

Im Deep Resort angekommen, zeigt er uns unsere Hütte, ein kleines, blauweiß gestrichenes Holzhaus auf Stelzen mit recht spartanischer Ausstattung. Drei Betten und ein niedriges Möbel, das anderswo vielleicht als Fernsehtisch dienen würde, machen die gesamte Einrichtung aus. Die Schiebefenster sind unverglast, aber immerhin mit intakt aussehenden Moskitonetzen versehen, so daß wir wenigstens nicht unser eigenes aufhängen müssen.


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Um 19 Uhr gebe es Abendessen unten im Haupthaus, damit läßt der junge Mann, dessen Namen wir noch immer nicht wissen, uns allein. Wir stehen ein wenig ratlos in dem kargen Raum. Daß es sehr einfach ist, ist für uns in Ordnung. Daß es so unpraktisch eingerichtet ist, stört schon eher. Kein Haken an der Wand, um etwas aufzuhängen, auch auf der Veranda keine Wäscheleine.

Die Wandflächen ziert kein einziges Bild, kein Regalbrett. Ich finde, daß Papillon es in seiner Gefängniszelle gemütlicher hatte und der Mister holt wortlos sein Smartphone heraus und hält mir ein Bild der Luxussuite unter die Nase, die wir heute morgen verlassen haben. Nachdem wir uns von unserem Lachkrampf erholt haben, müssen wir sehen, wie wir nun das beste daraus machen, denn genau wie Papillon kommen auch wir ja jetzt nicht so schnell wieder von der Insel herunter.


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Da der Wind weiter an Stärke zugenommen hat und der Regen seitlich zu den Fenstern hereinsprüht, müssen wir die hölzernen Läden schließen. Das wiederum hat den Vorteil, daß wir unbeobachtet ein paar der Schrauben aus den Fensterrahmen soweit herausdrehen können, daß sie als Kleiderhaken taugen. Die restliche Habe, die nicht im Koffer bleiben kann, reihen wir auf den ja jetzt gegen Regen geschützten Fensterbänken auf. Es könnte gemütlich aussehen, unterstreicht aber eher den Gefängniszellencharakter.


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Suse
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Re: Dschungelcamp an der Datumsgrenze

Beitrag von Suse »

Von der Außenwelt abgeschnitten sitzen wir auf den Betten. Licht spendet eine nackte Glühbirne, also immerhin haben wir Strom, so daß wir die Zeit nutzen, um Fotos zu sichten, bis es Zeit ist, zum Essen zu gehen.


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Wir sind wieder einmal die einzigen Gäste, im Haupthaus außer uns nur die Betreiberfamilie. Während wir aufs Essen warten, leistet uns unser Gastgeber Gesellschaft. Er stellt sich uns als Jacob vor und scheint inzwischen aufgetaut zu sein. Gemeinsam mit seiner Frau Aki leitet er das Deep Resort, das eigentlich seiner Tante und deren australischem Ehemann gehört. Wir fragen uns nicht zum ersten Mal, weshalb in diesem streng feudalistischen Land, in dem nicht einmal die Tonganer selbst den Grund und Boden besitzen, auf dem sie leben, so viele Palangi in den Bau von Gästehäusern investieren. Anders als in den meisten anderen Ländern der Welt, schafft hier ja nicht einmal die Eheschließung mit einem Einheimischen eine wirkliche Rechtssicherheit, denn alles Land gehört der Krone und wird auch einem Tonganer nur mittels eines Pachtvertrages zur Nutzung überlassen. Die damit einhergehenden komplizierten Erbschaftsvorgänge für die Übernahme der Pachtverträge von verstorbenen Elternteilen, oder der darauf befindlichen Gebäude beschäftigen in Tonga übrigens eine Legion von Notaren.

Daß einem Tonganer auf Lebenszeit überlassenes Land nicht an Ausländer vererbt geschweige denn verkauft werden kann, dafür hat das Land eine sehr selbstbewußte Begründung: Der Besitz tonganischen Landes geht einher mit traditionellen und kulturellen Verpflichtungen, die ein Ausländer nicht verstehen und nicht leisten kann.

Ich glaube, sollte jemals ein externer Berater auf die Idee kommen, dem tonganischen König eine Senkung der Staatsverschuldung nach seychellischem Vorbild durch Verkauf einer Insel an irgendeinen Oligarchen vorzuschlagen, er könnte vermutlich froh sein, wenn ihm nichts Schlimmeres passiert, als von der gesamten Königsfamilie als Fußbänkchen benutzt zu werden.

Wie fast jeder Tonganer ist Jacob Rugby-Fan, der Fernseher über der Bar läuft fast permanent und zeigt Spiele. Die Frage nach der seltsam verunstalteten Windschutzscheibe löst dann auch Gelächter aus. Jeder Tonganer, sagt Jacob, habe irgendwelche Beulen im Auto oder Löcher in den Fenstern. Bei den anderen seien es immer Steinschlag oder eine Kokosnuss, nur ausgerechnet ihm sei zur Erheiterung seiner Nachbarn ausgerechnet ein Rugby-Ei ins Autofenster geflogen.

Jacob und Aki verkörpern den Typ der jungen modernen Tonganer. Hier trägt niemand eine Tapa-Matte, sondern westliche Freizeitkleidung. Trotzdem sind sie eingebunden in die engen familiären Strukturen und betreuen neben dem Resort noch Geschwister und Nichten und Neffen. Ein paar kleine Jungs hüpfen herum wie Flummis und machen Radau, außerdem ein ganzes Rudel großer Hunde, die nicht nur gepflegt und gut erzogen sind, sondern auch ausgesprochen freundlich. Sie werden offenbar gut behandelt, was in Tonga, wo Hunde keineswegs immer nur als Haustiere gehalten werden, keine Selbstverständlichkeit ist.

Weil wir uns so nett unterhalten, wagen wir die Frage, ob die gut genährten Hunde, die sich begeistert von uns die Ohren kraulen lassen, wirklich reine Haustiere sind. In Tonga ist der Verzehr von Hunden durchaus nicht unüblich und die meisten Tonganer sind sich natürlich bewußt, daß die Palangi damit emotional nicht gut umgehen können. Jacob reagiert locker, er selbst esse keinen Hund, aber es sei gerade hier auf Eua durchaus keine Seltenheit. Er kenne Leute, die Hundefleisch sogar Rind vorziehen würden, da es geschmackvoller sei.


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Wir bekommen jedoch weder Hund noch Dosencornedbeef, sondern frittierte Hähnchenteile mit Süßkartoffeln, die ausgesprochen lecker schmecken. Wir fangen an, uns trotz des miesen Wetters recht wohl zu fühlen. Jacob und Aki sind nett und eine Inseltour mit den beiden macht sicher Spaß.

In der Nacht läßt Maui die Muskeln spielen. Unser kleines Stelzenfale bebt und zittert im Sturm und der Regen prasselt an die Wände. Durch die Fensterläden pfeift der Wind und die dünnen Bettlaken halten nicht wirklich warm, so daß ich mich zusätzlich mit einem Strandlaken zudecke. Hoffentlich wird das bald besser.

Am nächsten Morgen ein bißchen trügerischer Sonnenschein. Das Frühstück ist üppig und lecker, Toast, Marmelade und ein fluffiges Omelette, das war selbst in der Seaview Lodge nicht besser. Kaum daß wir aufgegessen haben, setzt sich Jacob wieder zu uns. You guys, beginnt er, so wie die meisten Tonganer, die sich nicht viel Mühe mit gendergerechter Sprache machen. You guys, ich muß mit euch reden. Das klingt gar nicht gut.

Es entspinnt sich eine komplizierte Geschichte, die den bei der Ankunft entstandenen Eindruck verstärkt, daß die beiden von den plötzlich bei ihnen einquartierten Gästen ein wenig überrumpelt worden sind und für die kommende Woche eigentlich eigene Pläne hatten.

Jacob und Aki sind Mormonen, und wie es der Zufall will, wird in dieser Woche ein hoher Prophet erstmalig in Tongatapu sprechen. Es folgen komplizierte Erklärungen, die darauf hinauslaufen, daß beide in den nächsten Tagen abwechselnd zwischen Eua und Tongatapu hin- und herfliegen werden, um den Propheten reden zu hören, dafür ein Verwandter im Resort anwesend sein wird, der gegebenenfalls auch die Inselrundfahrt mit uns machen werde.

Bei uns bleibt vermutlich nur die Hälfte aller Informationen hängen, aber wesentlich ist, wir bekommen zu essen und sind nicht ganz allein hier im Resort. Also alles halb so wild, aber nicht für Jacob. Er rutscht weiter auf seinem Stuhl herum und setzt nochmals an. You guys, sagt er, es ist wegen des Frühstücks…

Er möchte Barzahlung, die ihm eigentlich nicht zusteht, denn er hat den Voucher bekommen, der eigentlich für die andere Unterkunft bestimmt war, und kann darüber alles abrechnen was wir gebucht haben. Das Frühstück, das wir hier bei ihm bekämen, sei aber anders als in der anderen Unterkunft, und deshalb koste es extra. Als wir nach dem Preis fragen, antwortet er ausweichend, das hinge davon ab, was wir wollten.

Wir guys möchten natürlich jeden Tag Toast und so ein schönes Omelette wie heute. Dafür möchte er zehn Pa’anga, 4 Euro, was an sich nicht zuviel ist, und da wir darüber jetzt keinen Zank anfangen wollen, zahlen wir das ohne weiteres Murren. Überdies können wir ja nicht vergleichen, vielleicht ist es ja wirklich besser als in der anderen Unterkunft. Und da wir außerdem über einen Reiseveranstalter gebucht haben, bekommen wir die 30 Euro am Ende sowieso erstattet.

Die Klärung all dessen hat sich hingezogen und bis wir fertig sind, haben sich auch die Sonnenlöcher verzogen und es hängt eine dicke Wolkensuppe über Eua, die sich in regelmäßigen Abständen kräftig abregnet.

Einen Teil des Vormittags kann man nach dem ausgiebigen Frühstück gut mit Schlafen verbringen. Eine heiße Dusche wäre danach schön, aber leider gibt es nur kaltes Wasser. Dafür liegt neben dem Waschbecken etwas, das dem Duft nach das letzte verbliebene Stück Fa auf diesem Planeten sein könnte.

Da wir durch die geschlossenen Fenster ja in Isolationshaft sitzen, lernen wir die Windintensität bald anhand des Knatterns der Palmwedel einzuschätzen. Sobald der Wind sich legt und der Regen nur noch gerade herunterrauscht, können wir unsere Gefängniszelle zum Hofgang verlassen, sitzen auf unserer Veranda und schauen in das Grau hinaus.


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Es könnte hübsch hier sein, ein kleiner, von Korallenterrassen gesäumter Strand, ganz ähnlich dem vor dem Keleti, nur weniger spektakulär. Im Vergleich zu allen anderen polynesischen Inseln herrscht hier eine geradezu beeindruckende Vielfalt von Vogelstimmen, es singt und zwitschert, so etwas haben wir seit Luahoko nicht mehr gehört.

Wie bei allen Inhaftierten bilden auch für uns die Mahlzeiten die Höhepunkte im Gefängnisalltag. Wie freuen wir uns am nächsten Morgen auf das besonders gute Frühstück, das wir mit 10 Pa’anga pro Nase und Tag extra bezahlt haben, weil es so anders ist, als das, was wir in der anderen Unterkunft bekommen hätten…

Als es dann gebracht wird, mache ich im Geiste eine Notiz an mich selbst, in Zukunft besser hinzuhören. Das Frühstück ist tatsächlich anders. Vor allem ganz anders als gestern.

Jacob scheint ausgesprochen in Eile zu sein, als er uns hastig eine große Dose Cornflakes und einen Liter Milch auf den Tisch stellt mit den Worten, Toast und Eier seien heute aus, er hoffe, das sei ok für uns guys. Ist es keineswegs, aber da ist er schon wieder verschwunden.

In der Cornflakesdose scheinen früher einmal Zimtschnecken gewohnt zu haben, die Cornflakes haben den Geschmack angenommen und sind ausgesprochen lecker. Trotzdem fühlen wir uns, als seien wir gerade ordentlich hereingelegt worden.

Als sich in den kommenden Tagen die komplizierte Hin- und Herreiserei der Familie in epischer Breite vor unserem Fale zu entfalten beginnt, hält sich unser Mitleid dann auch in Grenzen. Jeden Tag mehrmals fahren sie los, Irgendjemand bringt Irgendjemanden zum Flughafen, und immer kehren sie alle gemeinsam zurück. Die Flüge sind gecancelt, jeden Tag in Folge, es ist zu windig. Schade eigentlich, vielleicht hätte der Prophet ja etwas dazu zu sagen gewußt, ob man seine Gäste mit einer Schüssel Cornflakes verarschen soll.

Wir sitzen währenddessen auf unserer Veranda wie Waldorf & Statler in ihrer Loge, schauen dem Treiben zu und nuckeln an unseren Milchshakes. Irgendein indonesisches Produkt, das in der Geschmacksrichtung Erdbeere zwar nicht im Geringsten nach Erdbeere schmeckt, dafür aber exakt so wie die Kinderzahnpasta Blendi, mit der wir Kinder der Siebziger Jahre vermutlich alle aufgewachsen sind. Mit Blendi im Tetrapack und Fa im Badezimmer ein regelrechter Retro-Urlaub, fehlen uns nur noch ein paar Prilblumen für die kahlen Fale-Wände.

So vergeht Tag um Tag in eintöniger Gleichförmigkeit, ohne daß sich etwas zum Besseren ändert. Nicht nur, daß inzwischen klar wird, daß so keine Inselrundfahrt stattfinden kann und wir von Eua nicht das Geringste sehen werden, klar wird auch, daß wir bei der Buchung des Rückfluges einen Tonga-Anfängerfehler gemacht haben.

Wenn der Flug am Samstag ebenfalls gecancelt werden sollte, werden wir erst am Montag erneut fliegen können, mittags geht aber schon unser Flug nach Auckland. Wir haben definitiv zu wenig Zeitpuffer eingebaut und den tonganischen Sonntag nicht berücksichtigt. Jetzt ist uns nicht mehr langweilig, wir haben Streß.

Und es wird eher schlimmer, der Wind schwillt an und ab, aber der Regen bleibt gleichmäßig intensiv. Bei einer so bergigen Insel, an deren Fuß wir uns befinden, kann das doch nicht ohne Folgen bleiben.

Eines nachts wecken mich die Kirchenglocken. Es ist halb fünf, und sie schlagen nicht die Uhrzeit, sondern dauernd und schrill. Ich rechne jede Sekunde damit, daß jemand an unsere Zimmertür klopft und uns evakuieren kommt, da ein Erdrutsch oder ähnliches zu erwarten ist. Ich liege bestimmt eine Stunde so wach und lausche dem Regenrauschen. Aber niemand kommt.

Später erfahre ich, daß das Glockengeläut nichts Ungewöhnliches ist, sondern mehrmals in der Woche die Gläubigen vor Arbeitsbeginn zum Gottesdienst ruft. Ich finde, man kann es auch übertreiben.

Ganz unberechtigt waren meine Bedenken aber nicht, denn als wir am Morgen vor das Haus treten, ist tatsächlich annähernd eingetreten, was wir haben kommen sehen. Das Wasser rauscht als Sturzbach den Berg herunter, unter unserem Haus hindurch und teilt sich vor der Mauer, die das Haupthaus umgibt. Darin Aki, die hektisch das eindringende Wasser aus ihrer Küche fegt.


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An der Frühstückssituation wird sich so sicher auch nichts mehr bessern. Im Gegenteil, auch die Zimtcornflakes sind jetzt aus und statt dessen wird uns eine kleine Tüte Skippy-Flakes hingeworfen, die dann gerade so ausreicht, uns satt zu machen. Aber das ist uns inzwischen alles herzlich egal. Wir wollen hier nur noch weg, und das pünktlich.


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Zuletzt geändert von Suse am 01 Jul 2019 10:49, insgesamt 4-mal geändert.
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Re: Dschungelcamp an der Datumsgrenze

Beitrag von Suse »

Am Freitag dann endlich eine Wetterbesserung, wir schöpfen Hoffnung. Ich wage mich nach dem Frühstück zu einem kleinen Spaziergang ins Dorf, aber weit komme ich nicht bevor der Regen wieder einsetzt. Aber immerhin, der Wind hat sich gelegt.

Am Nachmittag gelingt uns noch ein kurzer Strandausflug. Der Strand ist wirklich schön, der Sand ganz weich. Wie an allen Stränden in Tonga, an denen wir gewesen sind, ist der Sand aber nur innerhalb der Flutmarken so feinkörnig, so daß wir schon ahnen, daß wir mit einsetzender Flut hier sowieso weg müssen, falls uns der Regen überhaupt eine so lange Pause gönnt. Immerhin beugen wir dem Lagerkoller vor, indem wir einen kurzen Plausch mit ein paar frustrierten Fischern halten, die wegen des ungewöhnlich schlechten Wetters nicht hinausfahren können. Sie schenken uns ein paar sehr leckere Mandarinen und wir starren gemeinsam eine Weile auf die sich an der Korallenbarriere brechenden Wellen hinaus.


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Am Samstag sind wir dann wirklich nervös. Der Flug soll um 16 Uhr gehen, wenn sich das Wetter man bloß bis dahin hält. Wir stehen auf der inzwischen wieder abgetrockneten Wiese vor dem Haus und scannen den Himmel auf Wolkenberge und die Palmwedel auf unerwünschtes Gewedel, als Jacob angelaufen kommt. Diesmal bringt er keine Cornflakes, sondern die Nachricht vom Flughafen, es sei ungewiß, ob der Flug am Nachmittag starten könne, wir sollten umgehend kommen, es seien Plätze in der 12 Uhr-Maschine für uns reserviert.

Wir packen in einer Eile, daß es vermutlich aussieht, wie eine Szene aus einem Stummfilm, und sitzen 10 Minuten später angespannt wie die Zinnsoldaten und abfahrbereit im Auto. Jacob saust den Inselhighway entlang, daß man um die Rugbyball-Beule in der Windschutzscheibe fürchten muß, wenige Minuten später stehen wir schon auf der Flughafenwaage. Den Mister hat der Nervenkrieg zwei Kilo gekostet, mich mal wieder kein einziges Gramm, typisch.

Die letzten Minuten dehnen sich wie Kaugummi. Wenn jetzt nur nichts mehr schiefgeht! Aber es klappt, die Maschine startet pünktlich. Der Pilot, der die Maschine allein fliegt, übernimmt vorab noch Stewardessen-Aufgaben, verteilt die Passagiere und hilft beim Anlegen der Gurte. Nach einer kleinen, wenig Mut machenden Ansprache über einen zu erwartenden unruhigen Flug schließt er seine Cockpittür und fliegt uns erstaunlich tief über der Wasseroberfläche nach Tongatapu.Er wird schon wissen, was er tut, denke ich mir, und so scheint es auch zu sein, denn der Flug ist weit weniger ruckelig als erwartet.

In Tongatapu gelandet, erwartet uns aufgrund der verfrühten Ankunft natürlich kein Kautai und wir müssen warten, bis uns die Seaview Lodge einen anderen Fahrer schickt. Dann aber die freudige Überraschung: Wir bekommen auch für die letzten zwei Nächte wieder die Suite.

Wenig später liegen wir auf den Liegestühlen unserer Veranda und sind so froh, daß uns förmlich die Sonne aus dem Hintern scheint. Die Papillon-Experience hätten wir überstanden, nach vier Tagen wegen guter Führung entlassen. Und morgen gibt es keine Cornflakes!


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belize
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Re: Dschungelcamp an der Datumsgrenze

Beitrag von belize »

Suse, der Eua-Bericht ist klasse! Ich hab mich schlappgelacht! Und weißt Du was? Ich glaube, ich habe für September auch den Tonga-Anfängerfehler gemacht. Und die gleichen Probleme wie ihr (Auckland und so).

Die Sache mit dem Frühstück ist ja echt frech! Wenigstens haben sie NZ-Milch. Musstet ihr das Frühstück für alle Tage im Voraus bezahlen? Das Zimmer ...oh je, ich hätte sicher einen Lagerkoller bekommen nach so unendlich schönen Tagen die absolute Wendung. Witzig, dass MInolta gleich abgenommen hat!

Ach, ich würd so gern noch mehr schreiben, aber Du entschuldigst mich sicher, Du weißt schon, ich bin in Vorfreude und Hektik.

Sag mal, am Flughafen von Tongatapu...hast Du da Taxis gesehen? Oder so was Ähnliches?

Ich finde Euren Umgang mit nicht positiven Erlebnissen im Urlaub ganz klasse. Ob ich das Kack-Frühstück gezahlt hätte? Ich weiß es nicht...na ja, ihr ward ja nicht vorgewarnt.

Und ein großes Lob auf eure Nagelzieherei, perfekt!

Ich werde auch in Zukunft mitlesen. Wird es noch den Abschluss Tonga geben?
Und muss ich auch immer an das Plumsklo denken. Nicht dass ich ein Problem damit hätte, aber woher weiß ich eigentlich, wo ich schon markiert habe?

Dankeschön, ihr beiden!
Klara
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Re: Dschungelcamp an der Datumsgrenze

Beitrag von Klara »

hallöchen,
wollte mich eigentlich gestern schon für den tollen Bericht und die verdeutlichenden Fotos bedanken, aber mein Schreibtisch steht so schön sonnendurchflutet, dass man fast festklebt bei diesem super Wetter.
Ihr scheint es wirklich drauf zu haben mit Situationen klar zu kommen. Klappt bei mir nicht so, der desolate Zustand des Fahrzeugs, der muffelige Fahrer, die "Bruchbude", das Wetter, da wäre meine Stimmung am Tiefstpunkt. Blendi im Tetrapack und die Cornflakes gäben mir den Rest. Aber lesen und anschauen tut sich das vortrefflich.
Danke + LG
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Pico
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Re: Dschungelcamp an der Datumsgrenze

Beitrag von Pico »

Was für ein Abenteuer!
Bei eurem Bericht und den Fotos hat man ja fast das Gefühl live dabei zu sein. :-)

Die brechenden Wellen auf dem Foto mit dem Fischerboot - sind die so knalleblau bei dem trüben Wetter? Jedenfalls eine faszinierende Aufnahme.

DANKESCHÖN!!!
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Suse
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Re: Dschungelcamp an der Datumsgrenze

Beitrag von Suse »

belize hat geschrieben: 30 Jun 2019 17:48 Suse, der Eua-Bericht ist klasse! Ich hab mich schlappgelacht! Und weißt Du was? Ich glaube, ich habe für September auch den Tonga-Anfängerfehler gemacht. Und die gleichen Probleme wie ihr (Auckland und so).

h sicher, Du weißt schon, ich bin in Vorfreude und Hektik.

Sag mal, am Flughafen von Tongatapu...hast Du da Taxis gesehen? Oder so was Ähnliches?

Wir haben uns auch geärgert, weil die Leute erst so nett waren und dann diese Cornflakes-Nummer. Wir haben natürlich auch einen Spruch gemacht wegen des Toasts und der Eier, aber im Nachhinein da jetzt noch Ärger zu machen wegen vielleicht 50 Cent pro Frühstück, das hätte ich auch kleinlich gefunden. Man gibt Tausende aus, um um die Welt zu fliegen, und angesichts der tagelang gecancelten Flüge stimmte das wahrscheinlich auch, daß es Versorgungsengpässe gab. Nur hätten sie einfach mal was sagen können, aber wahrscheinlich war es ihnen selbst auch peinlich.

Am Flughafen gibt es Taxis, Ihr werdet auch angesprochen werden, ob Ihr eins braucht.

Also die Plumpsklos benutzt man ja mehrmals und schaufelt immer obendrauf, da geht das schon, sich die Stellen zu merken. :wink:

Du hast doch schon viel geschrieben, daß Du dazu überhaupt die Zeit findest! Ich beneide dich sooo, ich bin ganz gelb. :mrgreen:
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Re: Dschungelcamp an der Datumsgrenze

Beitrag von Suse »

Klara hat geschrieben: 01 Jul 2019 14:36 Blendi im Tetrapack
war übrigens überhaupt nichts Negatives. Ich weiß ja nicht, ob Du auch mit Blendi großgeworden bist. Mein Mann und ich haben jedenfalls zu unserer Belustigung festgestellt, daß wir das Zeug beide als Kinder geliebt haben. Ich habe das zuhause dann gleich mal gegoogelt, es gibt ja so Retro-Seiten wie "Erinnerst Du Dich" und sowas, und da schreiben alle, daß Blendi bei ihnen zuhause eher gegessen, als zum Zähneputzen benutzt wurde. :lol: Dieses Getränk hat exakt so geschmeckt, das war ein richtiger Erinnerungsflash. Ich hab leider vergessen, wie das hieß, irgendein englischer Name und auf der Packung waren so Skateboarder abgebildet, also kam ganz westlich-modern daher.
Zuletzt geändert von Suse am 01 Jul 2019 21:41, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Dschungelcamp an der Datumsgrenze

Beitrag von Suse »

Pico hat geschrieben: 01 Jul 2019 19:58
Die brechenden Wellen auf dem Foto mit dem Fischerboot - sind die so knalleblau bei dem trüben Wetter? Jedenfalls eine faszinierende Aufnahme.
Ja, das sah wirklich so aus. Diese Wellen zu beobachten, wie die sich hinter dem Riff aufbauen, das war sowieso irgendwie unwirklich.
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Re: Dschungelcamp an der Datumsgrenze

Beitrag von Suse »

Am Sonntag genießen wir die Suite und überhaupt die Seaview Lodge mit ihrem hervorragenden Essen in vollen Zügen. Kaum zu glauben, daß der letzte Sonntag erst eine Woche her sein soll.

Eigentlich hätte ich schon Lust, noch einmal den Gottesdienst der Wesley-Methodisten zu besuchen, aber die Aussicht, ab morgen wieder mehrere Tage hintereinander 11-Stunden-Flüge absolvieren zu müssen, läßt mich dann doch lang ausgestreckt auf der Liege verharren. Nachdem ich auf Eua vier Tage in einem geschlossenen Raum mit dem Gucken von Gruselfilmen auf dem winzigen Handydisplay verbracht habe, ist es einfach nur schön, hier zu liegen und auf den Pazifik und die vielen kleinen Inseln, die vor der Küste verstreut liegen, zu schauen.

Die Stimmung ist melancholisch, wir haben uns in Tonga verliebt, dieses wunderschöne, etwas kuriose Land auf der anderen Seite der Erde. Was uns daher noch fehlt, sind ein paar Erinnerungsstücke.

Nachdem am Montag das letzte weltbeste Rührei verputzt und der letzte weltbeste tonganische Kaffee ausgetrunken ist, geht es also auf Shoppingtour. Zum Glück zeigt sich das Wetter heute zum Abschied noch einmal von seiner besten Seite, die Sonne strahlt und die Viertelstunde Fußmarsch zum Markt sind schnell erledigt.

Der Mister hat sich als besondere Erinnerung an Tonga bereits einen geschnitzten Tangaroa und einen chinesisch sprechenden Taschenrechner gekauft, wie ihn die chinesischen Kaufleute selbst benutzen. Mir fehlt nun noch Kaffee. Im Souvenirshop neben dem Friends Café verkaufen sie kleine 60 Gramm-Beutel, die sich hervorragend als Mitbringsel eignen und von denen ich gleich einen Zehnerpack kaufe. Aber für mich selbst hätte ich schon gern eine größere Menge, hoffentlich muß ich dazu nicht erst bis zur Rösterei laufen.

Die Queen Salote-Road, in der der Markt und auch der kleine Chinesenladen liegen, in dem wir am ersten Tag unseren Getränkevorrat besorgt haben, hält aber noch eine kleine Überraschung bereit, denn wie sich herausstellt, liegt direkt neben dem Chinesenladen ein großer, moderner Supermarkt, der vermutlich auch gemeint war, als man uns von der Seaview Lodge aus den Weg beschrieben hat. Wir hätten damals nur wenige Schritte weitergehen müssen und wären im westlichen Konsumparadies gestanden. Hier finde ich alles, nur keine Vanille, aber jede Menge Kaffee, auch in 500 Gramm-Beuteln, großartig. Dazu ein paar lokale Knabbereien, mehr brauche ich hier nicht.

Auf dem zentralen Markt gegenüber sind inzwischen deutlich mehr Touristen unterwegs als noch vor vier Wochen, man merkt, daß die Walsaison bald beginnt. Auf dem Markt ist man darauf eingerichtet, neben den Produkten für den Alltagsbedarf gibt es hier auch Tapa-Bilder, Schlüsselanhänger, Schnitzereien und jede Menge Gesundes aus der heimischen Herstellung.

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Ich kaufe mehrere Tapa-Bilder in verschiedenen Formaten, um später an der heimischen Reisebilderwand damit herumexperimentieren zu können. Nur Vanille gibt es auch hier wieder nicht. Nachdem ich an mehreren Ständen gefragt und nur Kopfschütteln geerntet habe, gebe ich es auf.

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Die Tonga-Vanille ist wohl nur eine Legende, sage ich aus abergläubischer Gewohnheit, denn dann sind die Dinge am Ende immer noch wahr geworden. Und es klappt auch diesmal.

Mittags holt Kautai uns aus der Seaview Lodge ab, der Abschied ist herzlich und fällt uns schwer. Nicht nur von der Suite, auch von den netten Mitarbeitern. Unterwegs erheitert uns der chinesische Taschenrechner, der bei jedem Tastendruck mit einer schlumpfartigen Stimme die chinesische Zahl quäkt, aber davon abgesehen sind wir vor allem mit Schauen beschäftigt. Wenn wir jetzt ins Flugzeug steigen, werden wir in einer Welt wieder aussteigen, die schon ein bißchen anders ist, als das, was wir hier fast fünf Wochen erlebt haben.

Am Flughafen zahlreiche Jugendliche in ihren vermutlich besten Tapa-Matten, sie sind aufgeregt und kichern herum. Wahrscheinlich ihr erster Flug ins Ausland, nach Neuseeland, oder vielleicht weiter nach Australien oder in die USA. Es wird sicher nicht ihr letzter sein.

Während der Wartezeit schlendern wir abwechselnd durch die Souvenirshops und tatsächlich - hier gibt es Vanille. Heilala heißt die Marke, benannt nach einer tonganischen Pflanze. Daß es hier, am Flughafen, touristisch aufgemacht ist und nach Dr. Oetker-Vorbild für eine Unsumme gerade mal zwei Schoten in einem aufwändig zurechtgemachten Glasröhrchen präsentiert werden, wundert mich nicht. Daß die Verkäuferin mir sagt, in Nuku’alofa gäbe es einen Laden, aber dort seien die Produkte eher noch teurer, finde ich seltsam. Später, bei Durchsicht der Fotos, werde ich per Zufall auf einem der Bilder, die eine Straßenszene in der Queen Salote-Road abbilden, das Ladenschild entdecken. Wir sind unwissentlich mehrfach daran vorbeigelaufen.

Dann ist es soweit, wir fliegen nach Auckland. Dort haben wir diesmal keinen langen Aufenthalt, den wir komplett auf dem uns bereits vertrauten Raucherdach verbringen.

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Der nächste Flug wird schon schlimmer, 11 Stunden bis Los Angeles, dabei die Überquerung der Datumsgrenze, wovon man natürlich nichts weiter mitbekommt, abgesehen von der Anzeige auf dem Bildschirm der Boardunterhaltung, die die Flugdauer mit 23 Stunden angibt.

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Mit Air New Zealand haben wir inzwischen unseren Frieden geschlossen, kein Flug war mehr so schlimm wie der erste von Hong Kong nach Auckland auf der Hinreise, und während des Fluges erfreut mich wieder das Doku-Programm mit einigen richtig guten Filmen.

In Los Angeles angekommen, findet die neu geschlossene Freundschaft dann allerdings ein jähes Ende. Wir finden unsere Koffer in einem so desolaten Zustand vor, daß wir uns fragen müssen, ob sie die letzten Etappen der Heimreise überhaupt noch überstehen werden. Zudem ist weit und breit kein Air New Zealand-Schalter zu finden, obwohl wir die Halle in alle Richtungen abgehen. Wir werden versuchen müssen, das am nächsten Tag zu klären, denn jetzt haben wir nach 11 Stunden Flug und zwei Stunden Anstehen an der Immigration überhaupt keine Reserven mehr.

Nachdem wir das hinter uns haben, gilt es ein Taxi zu finden, denn unsere Unterkunft bietet nur einen One-Way-Shuttle zum Flughafen, aber nicht in die andere Richtung. Das Super8 Motel am Airport Boulevard liegt, wie der Name schon sagt, so nah am Flughafen, daß der erste Taxifahrer, den wir ansprechen, sich mit der Ausrede, er kenne diese Unterkunft nicht, direkt weigert, uns zu befördern, Gas gibt und uns stehen läßt. Da so etwas wohl keine Seltenheit ist, gibt es am Flughafen einen Taxi-Supervisor, der den Vorfall auch mitbekommt und sich sofort notiert. Taxifahrer Nummer zwei klärt uns dann auf, daß die Fahrt dorthin nicht den üblichen Mindestfahrpreis von 15 Dollar erreiche, die wir in jedem Fall zu zahlen hätten. Das stimmt dann auch, laut Taxameter wären es 8 Dollar gewesen, aber nun gut, dafür ist das Motel günstig und 15 Dollar sind für eine Agglomeration wie LA ja auch eigentlich nicht wirklich teuer.

Das Super8 hat sogar einen Pool, aber zum Glück ist es zu kalt, ihn zu benutzen, so daß wir weder Gefahr laufen, uns im Wasser Dünnpfiff oder Krebs zu holen.

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Dafür einen steifen Nacken, denn direkt in der Einflugschneise des Flughafens gelegen, sind die landenden Maschinen bereits so tief, daß man glaubt, sie anfassen zu können.

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Der Shuttle bringt uns am nächsten Tag bereits mittags zum Flughafen. Da der Flug erst am Nachmittag geht, haben wir viel Zeit, die Kofferangelegenheit zu regeln. Das läßt sich zunächst auch gut an, auch wenn wir den Schalter am Vorabend nicht gefunden haben, werden auch heute die Schäden nach Vorlage der gestrigen Bordkarten problemlos akzeptiert und wir bekommen eine für zwei Stunden gültige Debit-Card mit einer Entschädigungssumme ausgehändigt, die wir überall im Flughafen einlösen können. Das paßt sich gut, da wir noch so viel Zeit haben, werden wir uns damit einen schönen Tag machen können.

Wir machen den Fehler, uns erst nach Passieren der Security zwei Pizzen und Getränke zu bestellen, nur um dann festzustellen, daß die Karte nicht akzeptiert wird. Da wir für uns zubereitetes Essen ja nun nicht mehr zurückgehen lassen können, haben wir nun nicht nur keine Entschädigung für die beschädigten Koffer, wir sind auch unser gesamtes Bargeld los. Die Karte funktioniert später auch in keinem Buchladen oder anderen Shop, so daß wir das aufgeben und ich im Geiste schon einen gepfefferten Beschwerdebrief an Air New Zealand formuliere (auf dessen Beantwortung ich übrigens bis heute warte).

Weiter geht es nach London und von dort aus nach Berlin, so daß wir am Ende einmal die Weltkugel umrundet und noch mehrere Tage erheblich mit dem Jetlag zu kämpfen haben, bevor wir hier so ganz allmählich wieder ankommen.

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So ganz angekommen sind wir bis heute nicht. Noch immer ertappen wir uns dabei, beim Waldspaziergang herumliegendes Totholz aufsammeln zu wollen, oder bei Gedankenspielen, wieviel Uhr es jetzt gerade in Tonga ist, ob auf Luahoko schon der erste Tölpel gekrächzt hat und was die Purzel so treiben.

Tonga ist kein Land, bei dem man in auch nur in ferner Zukunft befürchten muß, daß dort ein touristischer Ausverkauf nach dem Vorbild der Seychellen stattfindet. Dennoch bleibt abzuwarten, was die Familie Rice, die das Sandy Beach Resort zufälligerweise genau während unseres Aufenthaltes von den vorherigen Besitzern, einer deutschen Familie, gekauft hat, langfristig daraus machen wird. Da Darren recht offen über die gerade stattfindenden Kaufverhandlungen sprach, fragten wir ihn natürlich nach seinen Plänen für Luahoko. Sollte er seine Aussage, die Insel läge ihm genau so, wie sie jetzt sei, am Herzen und er werde alles genau in dem rustikalen Zustand belassen und denke nicht daran, ein Luxusresort daraus zu machen, hätte er meinen allergrößten Respekt, denn so würde ja bei weitem nicht jeder mit diesem kleinen Bonus umgehen, den ihm der Kauf des Sandy Beach eingebracht hat.

Ich gebe offen zu, durch das intensive Beobachten der Entwicklungen auf den Seychellen ein bißchen vorgeschädigt und mißtrauisch zu sein. Man nehme als Negativbeispiel eine Insel wie Remire, auf der ja quasi ein Luahoko entstehen soll, nur eben mit Villa und Butler und vermutlich für eine vierstellige Summe pro Tag, eine Entwicklung, die für mich nur betont, wie besonders Luahoko ist.

Man mag den Verhältnissen, die in Tonga herrschen, trotz aller Neigung zum Ursprünglichen auch kritisch gegenüberstehen, was der Grund dafür war, mich intensiv mit der aktuellen Situation der Jugendlichen und der Seleka Art Initiative zu beschäftigen. Aber Tatsache ist, bei allen Problemen verbindet die Tonganer und ihren König eine Haßliebe, so ein Königshaus scheint hier genauso Identitätsstiftend zu sein wie in Großbritannien; und so wird das Land eben die damit einhergehenden die Entwicklung bremsenden Faktoren und die Ungerechtigkeiten auch hinnehmen müssen. Und wer weiß, vielleicht ist es dem Universum ja auch ganz recht, daß dort, am Anfang der Zeit, ein kleines stolzes Land wie Tonga den Fuß in das Rad der Zeit hält.

Im vergangenen Jahr schrieben wir
Suse hat geschrieben: 04 Aug 2018 23:18
Frenki hat geschrieben:
Suse hat geschrieben: Ich hab schon so einen schönen Titel für den nächsten Reisebericht. :lol:
Lass mich raten: "Träume, Tränen und Tropenstürme" ?
Das wäre dann eher der Titel für die diesjährige geplatzte Reiseplanung gewesen. Nächstes Jahr wird das hoffentlich eher so:

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:lol:
wobei die Larissa Marolt natürlich eine Anspielung darauf sein sollte, daß ich schon den Titel "Dschungelcamp" im Kopf hatte.

Wenn ich ein Fazit ziehen müßte, würde ich sagen, daß "Holla die Waldfee" die Reise nicht annähernd adäquat beschreibt.
Auch wenn wir zufällig mitten in einer Partyzone der bevölkerungsreichsten Stadt Deutschlands leben, sind wir grundsätzlich alles andere als naturentfremdete Menschen. Wir haben beide, gemeinsam und voneinander unabhängig, viel Zeit draußen in relativer Wildnis verbracht, und dennoch hatten wir beide das Gefühl, noch nie so eng mit den Abläufen der Natur verbunden gewesen zu sein, wie auf der kleinen Insel. Mr. Minolta hat es vorausgeahnt, als er vor der Reise sagte: Es kann sein, daß uns das für alles andere verdirbt. Und deshalb sind wir nächstes Jahr wieder da, Luahoko sieht uns wieder und wir zählen ehrlich gesagt, schon die Tage.

Zum Abschluß ein paar Empfehlungen zur Vorbereitung:

Man sollte sich nicht mehr auf den Reiseführer "Samoa- und Tonga-Handbuch" aus dem Walther-Verlag verlassen. Das Werk galt (vermutlich zu Recht) als der einzige wirklich kompetente Reiseführer zu beiden Ländern. Möglicherweise ist er das heute noch, aber leider doch zu sehr veraltet.

Wer sich vorab in das Leben auf einer einsameln Tonga-Insel wegträumen möchte, dem sei

"Eine Insel nur für uns zwei" von Nina und Adrian Hoffmann vorgeschlagen. Das Buch sehe ich aus verschiedenen Gründen eher kritisch, aber lest selbst.

Wer sich einen Einblick in die meist fälschlich als paradiesisch eingeschätzten Lebensverhältnisse Jugendlicher in pazifischen Kleinstaaten verschaffen möchte, sollte "Verschollen in der Südsee" von Damaris Kofmehl lesen. Dabei muß man den vorrangig religiösen Ansatz der Autorin ausklammern können, dann ist das Buch sehr informativ.

Als den für eine Reisevorbereitung nach Polynesien oder Ozeanien allgemein empfehlenswertesten Film schlage ich "Vai" vor, ein gemeinsames Projekt von 8 Filmemacherinnen, die das für alle Staaten Ozeaniens übergreifende Thema von Abschied und Verlust am Beispiel einer fiktiven Frauenfigur in verschiedenen Lebensstadien thematisieren. Ich habe mir den Film gleich zweimal angeschaut, auf dem Flug von Auckland nach Los Angeles und gleich nochmal von LA nach London, weil ich ihn so wunderbar fand.

Damit soll der Reisebericht dann auch beendet sein. Vielen Dank fürs Lesen, wir hoffen, Ihr hattet Spaß und die, die demnächst eine Reise nach Tonga planen, einen Nutzen davon. Wenn noch Fragen sein sollten, gern fragen.

Und wenn uns nicht wieder irgendwelche Tropenstürme in die zukünftigen Reiseträume hineingrätschen, gibt es für die, die mögen hoffentlich auch wieder einen Reisebericht von unserer Zeit auf unserer Insel im Pazifik.


Abspann zum Zuhören: https://www.youtube.com/watch?v=I8WehY7suB0
Wenn du keine Kokosmilch hast, machste einfach normales Wasser.
- Grubi -

https://s12.directupload.net/images/210215/bx7vkcag.jpg
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blueshark
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Re: Dschungelcamp an der Datumsgrenze

Beitrag von blueshark »

Danke Euch für den tollen Reisebericht,

eine super interessante Sache die ihr da gemacht habt.... :)
Da Ihr trotz aller Widrigkeiten - (wir hatten es ja auch schon eher Basic...aber der Bungalow im Gefängniszellenlook..das ist ja fast nicht zu toppen... :shock: ..ein wahres Wohlfühlparadies... :D ) das ganze wiederholen wollt.....muß die Atmosphäre auf eurer Privatinsel ja eine ganz besondere gewesen sein. Ihr hattet ja öfters nicht das beste Wetter...würdet Ihr das nächste mal eine andere Reisezeit wählen ??

LG blue
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Karambesi
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Re: Dschungelcamp an der Datumsgrenze

Beitrag von Karambesi »

Vielen lieben DANK für diesen wirklich tollen Reisebericht von Euch.
Einfach Klasse, habe ihn so gerne gelesen und Mitverfolgt.

Die Woche Einsam auf der Insel, war ein besonderer "Zungenschnalzer" .
Das wird euch auch ewig begleiten.

Und großen Respekt, diese Flugzeiten wären für mich heute undenkbar.
harald
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Re: Dschungelcamp an der Datumsgrenze

Beitrag von harald »

Eine, die schreiben kann, und einer, der fotografieren kann, tun eine Reise auf die andere Seite der Welt. Das gibt einen interessanten Bericht, unterhaltsam geschrieben und illustriert mit höchstklassigen Fotos. Wir danken!
Seychellen November 2017
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foto-k10
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Re: Dschungelcamp an der Datumsgrenze

Beitrag von foto-k10 »

Tonga-Vanille?
Zuerst dachte ich, die Vanilla tahitensis wäre gemeint ...
Aber Wikipedia meint, Tonga wäre der achtgrößte Vanilleexporteur mit 108 Tonnen in 2016.
Entweder hat der letzte Wirbelsturm die Plantage vernichtet oder die Königfamilie hat dafür gesorgt, dass ihr keine bekommt. :lol:
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foto-k10
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Re: Dschungelcamp an der Datumsgrenze

Beitrag von foto-k10 »

Frenki hat geschrieben: 02 Jul 2019 17:06 Krabbenburger und Purzelshakes! Mit Drive-in, für Rollatoren! Wir sehen uns ...
Aber nur echt auf Totholz mit einem Schuß Kerosin gebraten! :mrgreen:
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