Palmen, Pest und Platten - Seychellen Oktober 2017

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mr.minolta
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Re: Palmen, Pest und Platten - Seychellen Oktober 2017

Beitrag von mr.minolta »

Suse hat geschrieben:Ich glaube, der Saftbudenbesitzer hat gar nicht so viel Sprit, wie ich bräuchte, um mir das schön zu trinken. Ach Quatsch, man kann ja gar nicht so viel saufen, wie man…
Da hab ich es wesentlich leichter!



Ich nehm' mir einfach den hier,

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und gucke dann nochmal hier:

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Und dann geht das ganz schnell:

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Danach macht mich das hier wieder wach:
wildgartenhexe hat geschrieben:-jetzt eben gerade habe ich beschlossen wieder auf die Seychellen zu reisen.Es läßt mir keine Ruhe La Digue kennenzulernen naja den Rest davon .
Katastrophentourismus auf La Digue!

Vielleicht keine so schlechte Idee! Statt Sightseeing in deutschen Überschwemmungsgebieten oder karibischen Wirbelsturmverwüstungen einfach eine Reise nach La Digue buchen.

"Demolition in progress". Mit Geld-zurück-Garantie.
Es scheint, daß es neben der Republik der Seychellen auf der Welt kein zweites Land gibt, das für sich selbst derart ausdrücklich mit besonderem Umweltschutz wirbt und in der Realität so unfaßbar dreist das absolute Gegenteil davon praktiziert.
Aitutaki
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Re: Palmen, Pest und Platten - Seychellen Oktober 2017

Beitrag von Aitutaki »

Hallo, die Bilder im Bericht habe ich nicht geschossen, könnten aber auch von mir sein. Nein Sie sind von Suse und vom Oktober.
Es macht mich traurig das alles zu sehen, denn es wurde uns vom Reiseveranstalter und einigen Einheimischen immer wieder beteuert, dass es nur im August so "voll" ist.
Aber was ich eigentlich schreiben will, ist, dass die Einheimischen auf Mahe diese Entwicklung mehr als skeptisch sehen. Wir wurden gefragt wie lange wir nicht auf La Digue gewesen sind, auf unsere ehrliche Antwort wurde uns eher ein bemitleidenswertes " wir sollen nicht zu optimistisch sein" zugeworfen. Ich dachte da noch, dass es gar nicht so schlimm sein kann, denn in den Foren gibt es ja immernoch diese Paare die es suuuuper romantisch dort finden oder sich auf La Digue sogar das "Ja"-Wort geben...

Wir wurden von einem Taxifahrer zum Beginn der Reise am Flughafen abgeholt und an die Anse Soleil zu unserem Gästehaus gefahren. Auf dem Weg dahin zeigte er uns die Veränderungen an der Strecke und auch die zukünftigen Bauprojekte.
Er zeigte uns sein Haus in dem er schon seit seiner Geburt lebt. Das wird es bald nicht mehr geben. Denn die Qatar-Scheiche kauften das komplette Areal (inkl. der Ringstrasse, der Bucht und dem Hinterland) um daraus ein Superdupermegageiles Luxus-Strandresort inkl. Overwaterbungalows zu errichten. Als er uns das erzählte liefen ihm ein paar Tränchen über seine Wangen. Mir tat das so leid. Die Einheischen wehren sich schon mit allen Mitteln, aber diese Länder und deren Bürger erkaufen sich einfach alles. Da gibt es Ausnahmeregelungen für jeden mit passendem Geldbeutel.
Er meinte aber auch, dass sich die einheimische Jugend so sehr verändert hat.... Es zählen nur noch große Autos, Selfis vom Felsen aus, Alkohol und Drogen. Er nannte sie Faul, denn arbeiten wollen sie nicht mehr für die bezahlten Löhne. Die Gewalt nehme zu, auch gegen Einheimische.
Wir saßen auf jeden Fall am ende der Fahrt sehr fertig im Auto und wussten nicht so recht was wir von all dem "neuen" halten sollten, stand doch unser langersehnter Seychellenurlaub vor uns :(
Klara
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Re: Palmen, Pest und Platten - Seychellen Oktober 2017

Beitrag von Klara »

ach Suse, Dein Bericht ist soooo toll und ich hab' im Moment so wenig Zeit. Ich bin ja so konditioniert, das am PC Bildschirm sitzen schnelle Information liefert und für Geplänkel gut ist, Deinen Text würde ich viel lieber in so einer Art Picus Lesereisen Buch lesen, als am Bildschirm.
Das Farnbuch hätte ich ja kurz mal aufgeschlagen und abfotografiert :wink: , beim noblen Essen auf jeden Fall das Curry genommen, Steak kann doch auch die heimische Pfanne und den Vogel am Tisch füttern erzieht die ja auch nicht, mich erfreuen diese bettelnden Tiere ja nichts.
Aber die Fotos sind natürlich auch toll, die mietbaren "Palmhütten" am Strand sehen doch schon aus wie Vorläufer für so Badehäuschen wie am Lido. So ganz können es die Seychellois halt doch noch nicht :mrgreen:
Traurig die ganze Entwicklung, aber die Zustände der deutschen Innenstädte und Parks erschrecken berühren und betrüben mich ehrlichgesagt noch viel mehr.
Danke, Danke, Danke
Klara
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wildgartenhexe
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Re: Palmen, Pest und Platten - Seychellen Oktober 2017

Beitrag von wildgartenhexe »

Sorry, wenn mein Wunsch endlich mal La Digue zu besuchen,sich wie nach Gaffer auf der Autobahn angehört hat, dem ist nicht so.
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mr.minolta
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Re: Palmen, Pest und Platten - Seychellen Oktober 2017

Beitrag von mr.minolta »

Alles gut! :wink:
Es scheint, daß es neben der Republik der Seychellen auf der Welt kein zweites Land gibt, das für sich selbst derart ausdrücklich mit besonderem Umweltschutz wirbt und in der Realität so unfaßbar dreist das absolute Gegenteil davon praktiziert.
Aitutaki
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Re: Palmen, Pest und Platten - Seychellen Oktober 2017

Beitrag von Aitutaki »

wildgartenhexe hat geschrieben:Sorry, wenn mein Wunsch endlich mal La Digue zu besuchen,sich wie nach Gaffer auf der Autobahn angehört hat, dem ist nicht so.
Die Meisten , die La Digue noch nichtvon früher kannten, finden es doch auch nach wie vor richtig Toll. Evtl. stören Dich die neuen Errungenschaften auch nicht (so sehr). :)

Anschauen und ein eigenes Bild machen...
Robby
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Re: Palmen, Pest und Platten - Seychellen Oktober 2017

Beitrag von Robby »

Pico hat geschrieben:
Suse hat geschrieben: Was La Digue betrifft, hat meine Stimmung hier und heute den Tiefpunkt erreicht.... Danke für diese emotionalen Gedanken, Suse.... Auch wenn es mir fast die Tränen in die Augen treibt.
Goodbye, La Digue...
Auch mir treibt es die Tränen in die Augen. Heute sind wir genau 2 Wochen zurück und ich war noch nie nach einem Urlaub so "aufgewühlt" wie dieses mal.
Aitutaki hat geschrieben: Wir wurden von einem Taxifahrer zum Beginn der Reise am Flughafen abgeholt und an die Anse Soleil zu unserem Gästehaus gefahren. Auf dem Weg dahin zeigte er uns die Veränderungen an der Strecke und auch die zukünftigen Bauprojekte.
Er zeigte uns sein Haus in dem er schon seit seiner Geburt lebt. Das wird es bald nicht mehr geben. Denn die Qatar-Scheiche kauften das komplette Areal (inkl. der Ringstrasse, der Bucht und dem Hinterland) um daraus ein Superdupermegageiles Luxus-Strandresort inkl. Overwaterbungalows zu errichten. Als er uns das erzählte liefen ihm ein paar Tränchen über seine Wangen. Mir tat das so leid. Die Einheischen wehren sich schon mit allen Mitteln, aber diese Länder und deren Bürger erkaufen sich einfach alles. Da gibt es Ausnahmeregelungen für jeden mit passendem Geldbeutel.
Er meinte aber auch, dass sich die einheimische Jugend so sehr verändert hat.... Es zählen nur noch große Autos, Selfis vom Felsen aus, Alkohol und Drogen. Er nannte sie Faul, denn arbeiten wollen sie nicht mehr für die bezahlten Löhne. Die Gewalt nehme zu, auch gegen Einheimische.
Wir saßen auf jeden Fall am ende der Fahrt sehr fertig im Auto und wussten nicht so recht was wir von all dem "neuen" halten sollten, stand doch unser langersehnter Seychellenurlaub vor uns :(
Krass! Das macht mich sprachlos ...
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mr.minolta
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Re: Palmen, Pest und Platten - Seychellen Oktober 2017

Beitrag von mr.minolta »

Frenki hat geschrieben:Meine Fotos vom vergangenen Jahr gehören bereits jetzt in den Thread "Reise in die Vergangenheit". Wie ist das möglich? Das gibt's doch gar nicht!
Mein Gott, was wurden wir hier angefeindet, als wir das alles vor Jahren prophezeit haben...

Inzwischen hat die konsequente Zerstörung La Digues auf allen Ebenen jedes vorstellbare Maß noch überschritten.

Ich glaube, die Zeit der Tränen habe ich schon hinter mir und was ich wildgartenhexe nicht wirklich unterstelle, könnte durchaus für mich selbst gelten. Sollte ich jemals wieder diese Insel besuchen, könnte ich mir gar nichts anderes vorstellen, als eine Art des persönlich-fotografischen Katastrophentourismus. Sehr wahrscheinlich ist das aber nicht und höchstens als Anhängsel an den Aufenthalt auf einer unberührten Seychellen-Insel vorstellbar, für den ich diesen Betonbürgern dann aber auch noch extra viel Devisen in den gierigen Rachen schmeißen müßte.

Man wird sehen...
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Suse
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Re: Palmen, Pest und Platten - Seychellen Oktober 2017

Beitrag von Suse »

Der Freitag kommt, wieder einmal sind die Koffer gepackt

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und heute am späten Nachmittag geht es mit der Fähre nach Praslin, mit dem Flugzeug nach Mahé, weiter nach Paris und von da aus sollte es dann nach Hause gehen.

Aber bis dahin habe ich noch viel Zeit, und die will ich im Witwenreservat verbringen. In den vergangenen Tagen bin ich schon ein paarmal quer durchgeradelt, und habe zu meinem Schrecken gesehen, daß auch hier, naja, nennen wir es mal, gewisse Instandhaltungsarbeiten stattfinden.

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Für den letzten Tag habe ich mir einen längeren Aufenthalt vorgenommen. Hier war ich immer gern, das Witwenreservat bietet nichts Spektakuläres, hier halten sich vor allem Einheimische auf, die ihre Mittagspause hier verbringen. Zuhause wartet der Herbst und vermutlich scheußliches Wetter und Kälte, da werde ich nochmal eine volle Dosis Tropenwald mitnehmen!

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Wieder radele ich nach La Passe und kaufe Samosas, damit geht es zurück in die Veuve Réserve. Auf dem Weg dorthin begegnet er mir dann, der einzige Ochsenkarren der ganzen Woche.

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Freuen kann ich mich nicht darüber. Ich befinde mich wohl noch im Loslassen-Lernprozess, es macht mich doch traurig.

Während ich auf einer Bank sitze, halte ich Ausschau nach den Witwerichen. Hier, in der eigentlichen Réserve, habe ich noch nie welche gesehen, vermutlich wird das jetzt sowieso nicht mehr gelingen, wo direkt auf der anderen Straßenseite der Betonmischer rattert. Aber ich habe ja viel Zeit, vielleicht hören die ja irgendwann mal auf da drüben.

Ich versuche so still wie möglich zu sein und ärgere mich, als ein Einheimischer auf dem Fahrrad zielsicher auf meine Bank zusteuert. Als er absteigt, erkennt man eine deutliche Gehbehinderung, es sieht auf den ersten Blick wie eine Halbseitenlähmung aus. Daß er das überhaupt geschafft hat, über diesen wurzeldurchzogenen Boden bis hierher zu radeln, bestimmt braucht er eine Pause. Er grüßt freundlich und packt einen Joghurt aus. Während er mit dem Becher herumknistert, denke ich, daß das so aber jetzt sicher nichts mehr wird mit den Paradiesschnäppern, aber was soll’s der Mann hat ältere Rechte hier als ich, wahrscheinlich ist das sein Stammplatz für die Mittagspause. Aber trotzdem, kann er nicht ein bißchen leiser sein!

Daß ich kaum etwas Idiotischeres hätte denken können, wird mir Momente später klar, als er mich anspricht und fragt, ob ich wegen der Vögel da sei. Als ich nicke, wedelt er mit dem Joghurtlöffel in die Richtung hinter meinem Rücken und fordert mich auf, mich mal umzudrehen, da säßen sie nämlich. Tatsächlich, zwei prächtige Paradiesschnäpper, direkt hinter mir, als würden sie sich über mich lustig machen. Was ich verdient hätte.

Bevor ich ein Foto machen kann, fliegen sie auf. Neben mir fliegt der Löffel in den Joghurt und der Mann springt von der Bank und ruft mir zu, ihm zu folgen. Trotz seines ataktischen Gangbilds flitzt er über den unebenen Waldboden, daß ich kaum hinterherkomme, ganz eindeutig kennt er hier jede Wurzel mit Vornamen. Ein paar Meter weiter zeigt er ins Laub, da sitzen sie jetzt, die Witwer. Ich mache ein Foto, auf dem man später zwar überhaupt nichts erkennen kann, aber ich freue mich wie verrückt, daß ich sie gesehen habe!

Er freut sich ganz offensichtlich, daß ich mich so freue, und als wir wieder auf der Bank sitzen, stellt er sich als Davidson vor. Er kennt die Réserve wie seine Westentasche, so wie überhaupt ganz La Digue und eigentlich alle Inseln. Er habe viele Jahre für die Naturschutzbehörde der Seychellen gearbeitet, aber das sei jetzt vorbei, nun sei er krank und könne nicht mehr arbeiten. Ob er einen Schlaganfall gehabt habe, frage ich ihn. Die Antwort macht mich ziemlich betroffen. Davidson ist erst 45 und hat Parkinson.

Nachdem wir uns eine Weile über seine Krankheit und die verschiedenen Behandlungsmethoden, denen er sich zum Teil im Ausland unterzogen hat, unterhalten haben, frage ich ihn, ob er schon medizinisches Cannabis ausprobiert hat. Davon hat er gehört, aber angewandt wird es auf den Seychellen nicht und damit rechnet er auch nicht. Ob ich wüßte, wie es mit den Drogen auf den Seychellen sei? Niemals werde die Regierung der Seychellen sich bei den bestehenden Problemen für eine Legalisierung von Marihuana entscheiden. Das ist nicht nur für Menschen in Davidsons Situation bedauerlich. Die Vergabe von Anbaulizenzen könnte auf den Seychellen, wo die Pflanzen ohne Kunstlicht und Treibhauswärme unter idealen Bedingungen gedeihen, eine echte Verdienstquelle und Alternative zum Tourismus darstellen. Aber das ist nur meine persönliche Meinung.

Wie viele Menschen, die ein schweres Schicksal haben, ist Davidson ungeheuer positiv. Er lacht und strahlt und sprudelt über vor Geschichten, ganz eindeutig bezieht er seine Resilienz aus seiner Liebe zur Natur. Davidson hat in seinem Leben alles gemacht, vom Schildkrötenmonitoring an der Marron bis zum Beringen der Sooty Terns auf Bird, er hat mit Chris Feare gearbeitet und mit Victorin Laboudallon und Lindsay Chong-Seng im Vallée de Mai. Er kennt die Farne, die Schildkröten und ganz besonders die Paradiesschnäpper. Der Mann ist ein wandelndes Seychellen-Naturlexikon und wir sitzen lange auf der Bank und unterhalten uns.

Durch die Erkrankung behindert, kann er die körperlich anspruchsvollen Tätigkeiten nicht mehr ausführen, aber für den Fall, daß die Pläne für eine touristische Nutzung des Witwenreservats in die Tat umgesetzt werden sollten, wird er sich auf einen der Rangerposten bewerben.

Ich frage ihn, ob die empfindlichen Bestände der seltenen Paradiesschnäpper denn durch eine Zunahme an Touristen und möglicherweise ganzen Gruppen, die lärmend durch die Réserve trampeln, nicht weiter gefährdet würden, aber da hat Davidson überhaupt keine Befürchtungen. Die Tiere hätten keinerlei Probleme mit Lärm oder Menschen, die Baugeräusche störten sie nicht. Und anders als man es überall lesen könne, sei der Lebensraum der Tiere auch nicht auf die Réserve und ihre nähere Umgebung begrenzt, Witwen gebe es fast überall auf La Digue. Auch an der Cocos gebe es Territorien. Aber, sagt Davidson, die meisten Menschen sähen die Vögel nicht, vor allem die Touristen hätten überhaupt keinen Blick dafür. Sie liefen wie Narren durch die Réserve, blind für alles, und hinterher sagten sie, es gebe keine Vögel mehr.

Dies ist nun bereits das zweite Mal, daß ich höre, daß die Meinung eines Einheimischen von der gängigen verbreiteten wissenschaftlichen Meinung abweicht. Ebenso, wie ein Einheimischer mir gegenüber vor ein paar Tagen den Aussagen der MCSS energisch widersprochen hat, es kämen keine Walhaie mehr zu den Seychellen, so höre ich hier zum ersten Mal, daß der Lebensraum der Paradiesschnäpper keineswegs auf die Réserve und ihre nähere Umgebung beschränkt ist. Solche Abweichungen zwischen Expertenmeinungen und denen der Praktiker kenne ich auch aus Deutschland. Während ich mir dort auf manchen Gebieten zutraue ausreichend informiert zu sein um eine Meinung haben zu dürfen, kann ich das hier nicht, tendiere aber dazu, hier den Locals, deren Aussagen sicherlich auf persönlichen Erfahrungen und nicht aus der Auswertung von Daten beruhen, zu glauben.

Daß die Vögel auf Denis keine stabile Population entwickeln konnten, obwohl es dort viel ruhiger ist als auf La Digue, führt Davidson auf die Mynahs zurück, diese stehlen Eier und Küken der Paradiesschnäpper. Diese Art sei die größte Gefahr, nicht Baulärm und Touristen, obschon er die derzeitige Entwicklung La Digues grundsätzlich sehr kritisch sieht. Er habe in seiner aktiven Zeit als Ranger selbst vereinzelte Touristen auf seinen Schildkröten-Touren an die Marron geführt, so ein, zwei Leute habe er mitgenommen. Was er da heute sehe, diese Gruppen von 20 Personen, die da hingeführt würden, das sei einfach nur Gier, so wie überhaupt die Gier seine Mitmenschen auf La Digue regiere. Jeder versuche, derzeit noch ein Stück vom großen Kuchen abzubekommen. Es habe Versuche gegeben, bestimmte Bauprojekte zu verhindern, aber da fliesse viel Geld… Am Ende, so prophezeit er, würden die wirklich an den Seychellen Interessierten fortbleiben und dann würde das Tourism Board noch bereuen, was sie da angefangen hätten.

Daß es keine Witwen im Reservat gebe, werde ich nach dem heutigen Tag nie wieder behaupten, und auch meine früheren Befürchtungen bezüglich einer Ausweitung der touristischen Nutzung der Réserve hat Davidson mir nehmen können. Er zeigt mir Nester und die inzwischen wieder zahlreich vorhandenen Spinnennetze. Noch haben sie nicht wieder zu alter Form zurückgefunden, die großen, meterlangen Kolonien zwischen den Stromkabeln habe ich noch nicht wieder gesehen, aber hier zwischen den Büschen sind sie wieder häufig vertreten.

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Die Witwen brauchen sie für den Nistbau, die kleinen wie ein kleiner Kegel geformten Nester werden mit Spinnwebfäden verstärkt. Dem Ruf der Vögel folgend, landen wir am anderen Ende der Réserve, hier fechten gerade vier Männchen Territorialstreitigkeiten aus. Um das einzige anwesende Weibchen kämpfen sie nicht, erklärt mir Davidson, die habe unter den vieren einen festen Partner und wechsele den nicht. Nach dem Tod eines Partners bleibe der andere allein zurück und suche keinen neue, daher der Name Veuve. Und eine Erklärung für den nur langsam wachsenden Bestand. Ein möglicherweise jung verwitweter Vogel, der danach nicht wieder mit einem neuen Partner für Nachkommenschaft sorgt ist ja eigentlich kein besonders kluger Schachzug der Natur.

Die Vögel sind ungeheuer schnell, nur selten bleiben sie länger auf einem Ast sitzen. Sie paaren sich auch im Flug, erklärt mir Davidson. Nachdem die alte Knipse schon gestern bei Torti alles gegeben hat, gelingen mir heute keine vorzeigbaren Fotos, aber doch zumindest solche, die als Erinnerung fürs Fotoalbum taugen.

Erkennt man den Vogel?

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Jetzt, wo Davidson sie mir gezeigt hat, sehe ich sie plötzlich überall. Ich muß an vorhin denken, als er sich zu mir auf die Bank setzte und ich glaubte, er würde die Vögel vertreiben. :oops: Falls er jemals eine Referenz für eine Bewerbung um den Rangerposten im Witwenreservat benötigt, ich wäre die erste, die sie ihm schriebe!

Und das ist Davidson Jacques, der Mann, dem ich einen so schönen letzten Tag auf La Digue zu verdanken habe:


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Vielleicht habt Ihr auch das Glück, ihm in der Réserve zu begegnen. Dann grüßt ihn von mir. Wie schön, daß ich ihn kennenlernen durfte! Und während ich das schreibe, habe ich auch einen kleinen Kloß im Hals. Und das nicht nur, weil ich dank ihm ein paar Paradiesschnäpper gesehen habe.

So endet mein Aufenthalt auf La Digue doch noch mit schönen Erlebnissen, die mich ein bißchen mit den an Klein-Pattaya erinnernden Veränderungen versöhnt haben. Irgendwo zwischen all den Luxusappartments, Taxis, überhöhten Preisen und Massenwanderungen gibt es noch ein bißchen echtes La Digue, hoffentlich bleibt es noch lange erhalten!

Dann heißt es Abschiednehmen, die Fähre bringt mich nach Praslin. Abschied vom Port Side Café, das ein bißchen ranzig aussieht, aber immer so leckeres Essen hat:

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Zuletzt geändert von Suse am 21 Nov 2017 07:09, insgesamt 2-mal geändert.
Wenn du keine Kokosmilch hast, machste einfach normales Wasser.
- Grubi -

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Suse
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Re: Palmen, Pest und Platten - Seychellen Oktober 2017

Beitrag von Suse »

Dann bringt mich der Islandhopper nach Mahé. Ich habe wieder den Halsverrenkerplatz ganz vor links.

Ja, nach da oben wollen wir jetzt!

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Nach einer kleinen Takamaka-Shoppingtour im Duty Free geht es hinein in die Aldabra.

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In der Aldabra funktioniert die Heizung besser als in der Vallée de Mai und auch diese Maschine ist wieder halb leer. Weil an meinem Platz die Enterainmenteinheit nicht funktioniert, frage ich die Stewardess, ob ich mich in eine andere Reihe setzen darf und bekomme zur Antwort, das ginge jetzt so kurz vor dem Start nicht mehr, aber danach gern. Während ich also brav warte, erhebt sich um mich herum das halbe Flugzeug und verteilt sich auf die freien Plätze, so auch auf den von mir favorisierten. Während die Deutsche um Erlaubnis fragt, gehen die Franzosen und machen es einfach. Es ist ein Klischee, daß Franzosen höflich miteinander umgehen und respektlos mit den Obrigkeiten und es bei den Deutschen umgekehrt ist. Ein Klischee, das oftmals stimmt. Ach, ich mag die Franzosen und hätte es wissen müssen.

Mangels Monitor und Ablenkung komme ich so aber wenigstens zum Schlafen und das ist auch gut so. Denn als ich am 28. Oktober 2017 in Paris lande und meinen Koffer mühselig zum Terminal 3 gezerrt habe, erfahre ich, daß Air Berlin am 27. Oktober 2017 unter großer öffentlicher Anteilnahme seinen Flugbetrieb endgültig eingestellt hat. Die Anteilnahme am Schicksal der mit einem wertlosen Air Berlin-Ticket im Ausland Gestrandeten ist eher gering, lediglich die Mitarbeiter am Informationsschalter des CDG bemühen sich nach Kräften, eine Heimreise für mich zu organisieren. Ich weiß schon, weshalb ich den CDG entgegen der Meinung seiner Hasser so mag. :wink:
Alle Verbindungen zwischen Paris und Berlin sind inzwischen natürlich ausgebucht, so finde ich mich zwei Stunden später am Nordbahnhof wieder und anstelle eines gut einstündigen Direktfluges startet nun eine kleine Europarundreise über Brüssel und Köln und ich komme zu der ersten Fahrt meines Lebens in einem Thalys.

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Vielleicht ist es der fast 8stündigen Zugfahrt zu verdanken, daß der Reisebericht diesmal nicht erst ein Jahr nach der Reise fertig wurde, sondern schon nach drei Wochen, deshalb wird er hier im Reisebericht verewigt, der Thalys.

Während draußen erst Frankreich, dann Belgien und schließlich Deutschland vorbeisausten, blieb mir reichlich Gelegenheit die vergangenen zwei Wochen Revue passieren zu lassen. Was von dem Erlebten will ich erzählen, und vor allem, wie will ich es erzählen. Am Ende kam ich zu dem Schluß, daß es letztlich mein Reisebericht ist, meine Eindrücke, und die sind subjektiv. Manch einer mag sich durch manche Formulierung angegriffen fühlen, weil er es auf seiner Reise ganz anders empfunden hat. Das mag so sein, für mich war es so, wie ich es aufgeschrieben habe. Meine Enttäuschung beim Anblick La Digues, vor allem bei der Atmosphäre, die ich auf gespürt habe, mag für viele nicht nachvollziehbar sein. Für mich ist nicht nachvollziehbar, wie man so eine kleine Insel so derartig vor die Wand fahren kann. Dennoch war es insgesamt eine Reise voller wunderbarer Erlebnisse und Eindrücke. Kinder, schafft Euch Erinnerungen, hat mein Großvater immer gesagt, der ein ganz besonderer und kluger Mann war. Und genau darauf kommt es an.

Ob ich wieder dorthin reisen werde, steht in den Sternen. An der aktuellen Entwicklung möchte ich nicht mehr teilhaben, aber vielleicht, irgendwann in vielen Jahren, wenn die Bauwut ihren Zenit überschritten haben wird und man selbst schon ganz viel Abstand dazu hat, könnte man mal nach dem Rechten schauen. :wink: Und vielleicht machen wir Ewiggesttrigen ja 2030 alle ein Forumstreffen auf La Digue und vergießen dann nur noch Lachtränen.

Zu meiner eigenen Überraschung würde ich eine weitere Reise nach Mahé nicht ausschließen. Dort hat es mir so gut gefallen, daß ich die Insel gern wiedersehen und noch das eine oder andere würde unternehmen wollen. Und es ist das Interesse für weitere Inseln geweckt worden. Also wer weiß, vielleicht gibt es irgendwann in ein paar Jahren ein Wiedersehen mit den Seychellen. Zwei Fünfrupienstücke habe ich aufgehoben, vielleicht für eine Busfahrt mit Charlemagne. Und dann gibt es ganz sicher auch wieder einen Reisebericht, vielleicht dann auch mit besseren Fotos.

Für die Fotos in diesem Reisebericht gebührt das Lob auch mr.minolta, der mein Geknipse so lange durch den Lightroom gejagt und schiefe Horizonte beseitigt hat, bis daraus etwas Forumstaugliches geworden war.

Beim letzten Seychellen-Reisebericht habe ich zum Abschluß schöne Blumencollagen als Wartezeitüberbrücker bis zum nächsten Tropenurlaub gepostet. Sowas habe ich diesmal nicht, aber ich habe ein kleines virtuelles Mitbringsel, das ich von der (bayerischen) Freundin auf La Digue ins Ohr gepflanzt bekommen habe. Wenn Euch der Winterblues zu sehr drückt und der Sommer in Deutschland gar zu enttäuschend und die nächste Reise in warme Gefilde noch fern ist, hilft vielleicht dies:

https://www.youtube.com/watch?v=d-as8QwSOZo

Ich hab den Text auch nicht beim ersten Anhören verstanden! :lol:


Allen, die diesen Monster-Reisebericht bis zum Ende gelesen haben, vielen Dank für Eure positiven Rückmeldungen. Ich hoffe Ihr hattet Spaß. Mit etwas Glück gibt es nächstes Jahr wieder einen unter "Andere Länder". :wink:
Zuletzt geändert von Suse am 22 Nov 2017 17:14, insgesamt 1-mal geändert.
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Robby
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Re: Palmen, Pest und Platten - Seychellen Oktober 2017

Beitrag von Robby »

Hallo Suse,
vielen Dank für Deinen ehrlichen, informativen und super schön geschriebenen Reisebericht. Viele Deiner Erlebnisse könnten auch meine bzw. unsere Erlebnisse sein. Dein Reisebericht hat auch bei mir sehr viele Gefühle ausgelöst. Besonders rührend fand ich den letzten Teil vom Witwenreservat.
LG Petra
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Pico
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Re: Palmen, Pest und Platten - Seychellen Oktober 2017

Beitrag von Pico »

Danke für diesen sehr persönlichen und emotionalen Bericht mit all seinen Höhen und Tiefen, Suse.
Man merkt dass du die Seychellen im Herzen hast... und dass das Loslassen schwerfällt. Für manche sind die Seychellen eben mehr als ein tolles Urlaubsziel mit Postkarten-Stränden.

Ich könnte Dutzende Stellen in deinem Reisebericht kommentieren; dieser hat mich teilweise sehr berührt und an vielen Stellen habe ich mich wiedergefunden - genauso habe ich es auch erlebt und gefühlt.

Hebe dir die schönen Erinnerungen und Erlebnisse auf. Sie sind unbezahlbar.
Cherry
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Re: Palmen, Pest und Platten - Seychellen Oktober 2017

Beitrag von Cherry »

Suse, auch von mir Danke. Für Deinen sehr persönlichen, informativen und vor allem auch objektiven Reisebericht.
Auch wenn es mir nun ein wenig wehmütig(er) ums Herz ist nach all den aktuellen Infos und Bildern, gerade auch was
La Digue betrifft. :(

Sehr schön viele Deiner Begenungen auf Deiner Reise, insbesondere im Witwen Reservat. Das versöhnt in gewisser Weise auch wieder.

LG, Cherry
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Suse
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Re: Palmen, Pest und Platten - Seychellen Oktober 2017

Beitrag von Suse »

Vielen Dank nochmal für die netten Kommentare.

Manche Informationen werde ich später noch auf die jeweiligen Rubriken verteilen, z.B. die Ausflugsmöglichkeit nach Cousine und den Besuch bei der MCSS, sonst geht das in dem langen Reisebericht unter. Anderes darf aber auch gern darin versteckt bleiben. :wink:
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harald
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Re: Palmen, Pest und Platten - Seychellen Oktober 2017

Beitrag von harald »

Danke, Suse, für Deinen hervorragend geschriebenen Bericht, da liest man gern immer weiter. Wobei, ich glaub, es liegt gar nicht am Schreiben, Du denkst einfach gut, da geht das Schreiben dann von selbst.
Schade aber, dass für Dich „Wiederkommer“ doch vieles und vor allem La Digue so enttäuschend war. Ich komme auch gerade zurück (Bericht ist in Arbeit), für mich first timer war es schon ein Traumziel - wird hier nicht verwundern, bloody newby.
Seychellen November 2017
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