Reise in die Vergangenheit

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Torsten
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Re: Reise in die Vergangenheit

Beitrag von Torsten »

Vom Mergui Archipel hatte ich noch nie zuvor gehört. Danke für den Tipp, St-John! :)
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mr.minolta
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Re: Reise in die Vergangenheit

Beitrag von mr.minolta »

Noch ein bißchen Nostalgie? :wink:

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2001 war die Anschaffung einer DV-Bandkamera der große Hit. Neben der ganzen Knipserei nun erstmals bewegte Bilder von den Seychellen! Meine damalige Reisegruppe machte ausgiebig Gebrauch davon und so entstanden ca. 20 Stunden Rohmaterial, die ich auf zwei Stunden zusammengeschnitten habe. Eine Spieldauer, die heute selbst im privaten Rahmen übertrieben wäre, später aber Gelegenheiten für ein paar Screenshots bot, mit denen man sich hier in die Vergangenheit der Inseln begeben kann. Zusätzlich zu einigen Bildern aus diesem Video, die weiter vorn im Thread schon zu sehen waren und in Form eines kleinen und sehr späten Reiseberichts:

Nach der ersten Nacht auf La Digue im April 2001 mußte ich leidvoll erfahren, daß sich an der Hahnenplage seit 1997 aber auch gar nichts geändert hatte. Ich fragte mich mal wieder, wie es den ortsansässigen Menschen überhaupt möglich war, hier mehr als nur ein paar Minuten Schlaf pro Nacht zu finden. Er fand seinen Weg in's Video, der Kollege. Durch's Bungalowfenster hindurch gefilmt und nie mehr als eineinhalb Meter vom Kopfende des Bettes entfernt, wenn er loslegte:

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Lange darüber nachzudenken, war am nächsten Morgen aber gar nicht erlaubt. Die neunköpfige Reisegruppe schwärmte gleich nach jedem Frühstück in alle Himmelsrichtungen aus, um die Insel nach selten angebotenen Objekten, auch Nahrungsmittel genannt, abzugrasen, damit man den Tag bis zum Abendessen im Gästehaus überleben konnte. Die drei kleinen Märkte hatten meist nichts außer Keksen und Corned Beef und ihre Öffnungszeiten gestalteten sich von Tag zu Tag nach Lust und Laune der Inhaber. In den drei Wochen auf der Insel war es uns z.B. nicht möglich, auch nur eine einzige Banane zu kaufen und während heute vor allem die Auswahl an Wodka in einem durchschnittlichen Supermarkt La Digues die eines Berliner Spirituosen-Fachgeschäftes bei weitem übertrifft, beschränkte sich das Angebot im Jahre 2001 auf zwei Flaschen Bacardi zu umgerechnet je DM 35,-. Gemeint ist damit der gesamte auf der Insel verfügbare harte Alkohol außerhalb der Hotellerie. Was die Kekse angeht: noch 2011 stand ich in dem Grégoire ihm seinem Laden fassungslos vor den kilometerlangen, mit Tonnen von Trockengebäck und ähnlichem Bröselkram gefüllten Regalen. Unfaßbar, aber wahr: manche Dinge auf La Digue ändern sich NICHT.

Zubereitetes Essen zu bekommen, war tagsüber ebenfalls unmöglich. Na gut, fast unmöglich. Nur zwei Optionen standen, und das auch nicht an jedem Tag, überhaupt zur Wahl:

Kennt Ihr die Star Trek-Episode, in der sie sich alle wie in Zeitlupe bewegen? Das Casting dafür müssen sie im Tarosa gemacht haben. Hier waren starke Nerven gefragt. Zwischen allen kellnerischen "Aktivitäten" lag jeweils eine halbe Stunde. Karte bringen, bestellen, liefern, kassieren. Und alles immer schön der Reihe nach! Einen halben Nachmittag mußte man für ein Bier und ein Omelette da schon einkalkulieren. Besser gesagt, DAS Omelette, denn etwas anderes gab es gar nicht. Den Höhepunkt dieser elaborierten Lethargie erlebte ich aber erst 2007, als die mit dem Tablett herbeischlurfende Bedienung vor einem ihr in direkter Linie zu unserem Tisch im Wege liegenden Straßenköter pausierte, bis dieser sich nach einer gewissen Wartezeit bequemte, ihr Platz zu machen. Um das Tier herumzulaufen, kam ihr nicht in den Sinn.

Bizarre Erlebnisse dieser oder noch gesteigerter Qualität gab es an selber Stelle immer wieder. 2001 traf die Bedienung, auf dem sandigen Hof des Cafés wie üblich herumschlurfend, auf einen Cent-Pieds. Panik brach aus, Kollegen kamen herbei, furchtbares Gezeter und Geschrei. Zwei Frauen schlugen mit ihren Flip-Flops hysterisch auf das Tier ein, ein Mann startete den Pick-Up und fuhr erst vorwärts, dann rückwärts drüber und am Ende kam noch einer mit der Machete und zerteilte den Arthropoden mehrfach. Ein paar Tage später kamen wir wieder hier vorbei, um eines dieser Seybrews zu genießen, das auf dem Weg von der Küche bis zu unserem Tisch präzise 99% der Kohlensäure verlieren würde, aber was war das? Da lagen immer noch die Überreste des Cent-Pieds im heißen Sand des Eingangsbereiches und ich wunderte mich, daß das niemand weggeräumt hatte. Ich beugte mich herab und zwei der Stücke bewegten sich noch immer. Der Cent-Pieds, einer dieser Organismen, die die atomare Verwüstung der Erdoberfläche überleben würden. Oder auch das Star Trek-Genesis-Projekt. Als ich Jahre später ein solches Tier auf der Terrasse unseres Bungalows erlegte und die Leiche todsicher in eine leere Colaflasche eingefädelt dem Inhaber des Gästehauses überreichte, dankte er mir überschwenglich und gab auch noch einen aus. Die Furcht vor diesen zumindest für kleine Kinder tödlichen Tieren sitzt seit jeher wohl sehr tief.

Der letzte und alles andere übertreffende Vorfall der schrägen Art war dann die Dynamitexplosion, die uns fast das Chicken Créol vom Tisch fegte. Nicht im, sondern neben dem Tarosa. Im Jahr 2011. La Digue Brutal.

Doch zurück in's Jahr 2001- hier war das Zerof die Alternative zur Hundertfüßer-Schlachtbank, wenn deren Küche mal wieder nicht beliefert worden war. Vorausgesetzt, der Koch der kleinen Anlage gegenüber dem Witwenreservat war gerade anwesend und hatte Bock auf Touristen. Dann bekam man hier nach langer Wartezeit ein Sandwich zum Wahnsinnspreis. Ohne Dynamit. Die meiste Zeit aber bestand unsere Verpflegung auf La Digue aus Corned Beef und trockenem Weißbrot, das wir, wie schon 1997, an den einsamen Stränden aus unseren Rucksäcken pflückten. Die Getränke? Coca Cola war ein Luxusgut und als solches nur in den Touristenunterkünften zu hohen Preisen zu erwerben. Am Strand mußte Fruchtsaft reichen, der zuvor umständlich aus dem Tetra Pak in Thermosflaschen umgefüllt und mit Mineralwasser verdünnt wurde. Nachdem wir über Wochen hinweg sämtliche Camel und Marlboro auf der Insel der Ochsenkarren aufgekauft hatten, mußten wir auf einheimische Ware umsteigen, für die auch die Seychellois aufgrund eines inzwischen eingetretenen, allgemeinen Zigaretten-Notstandes in langen Schlangen zur rationierten Zuteilung vor den Läden anstehen mußten. Eine Erfahrung für's Leben. Wer es sich abgewöhnen will, ein Brechmittel braucht, unangenehme Strandnachbarn, Insekten oder Klingonen vertreiben will, hier mein Tip:

"Mahé King".

Ob morgens, mittags oder abends, La Passe war ein ausgestorbenes Dorf am Ende der Welt. Hier war der Hund begraben. Und der Cent-Pieds. Die Polizeistation war manchmal besetzt, die Post daneben so gut wie nie. So mußten wir zwei Wochen lang auf deren Belieferung mit Briefmarken warten, bevor wir unsere 42 Postkarten mit Urlaubsgrüßen nachhause schicken konnten. Der kleine "Kreisverkehr", der Jahre später als Treffpunkt der Fahrradmafia bekannt wurde, begeisterte uns folglich mit dem komatösen Herzschlag einer vom Puls der Zeit abgeschnittenen Enklave im Indischen Ozean. Auf dem Weg zur Source stoppten wir hier eines Tages, um ein weiteres Rad anzumieten und ein Stimmungsbild der Umgebung aufzunehmen. Die Kamera schwenkend, gerieten drei Seychellois in's Bild, die neben der Straße ihren Mittagsplausch hielten und nun wie paralysiert herüberblickten. Daß man hiermit noch eine derartige Aufmerksamkeit erregen würde, hätte ich jedoch nicht gedacht. Die silbern glänzende Videokamera. Viele Lichtjahre von Europa entfernt, in einer Galaxie, in der sie nie ein Mensch zuvor gesehen hat. Unfaßbar:

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Ob morgens, mittags oder abends, die Source war wie leergefegt. Und wunderschön. Die steingewordene Pappmaché-Kulisse einer Star Trek-Episode aus den 60er Jahren. Eine einzige Besucherin teilte sie mit uns:

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Badevergnügen in völliger Einsamkeit. Der kleine schwarze Punkt hinten rechts? Mein Kumpel.

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An einem späten Nachmittag wurde es dann doch mal richtig voll! Drei am Strand und zwei im Wasser:

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Hinter'm Strand einer unserer Lieblinge. Aus Fleisch und Blut!!

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Ob morgens, mittags oder abends, für den Strand bzw. die L'Union mußte man schon in den 90ern zahlen, aber das war moderat. Außerdem gab es die Möglichkeit, sich links und rechts des Tores unbemerkt vorbeizuschleichen! Links über eine Wiese und dann durch's Gestrüpp. Hier befand sich der frühere Hubschrauber-Landeplatz. Durch ein Loch im Zaun stieg man dann ganz einfach auf's Gelände. Oder eben rechts am Strand entlang. Etwas beschwerlicher, weil ziemlich weit zu laufen und verbunden mit der Gefahr, entdeckt zu werden. Die Damen aus dem Kassenhäuschen nahmen dann wild schreiend und gestikulierend die Verfolgung mit dem Nudelholz auf ...
Zuletzt geändert von mr.minolta am 26 Jan 2017 05:30, insgesamt 4-mal geändert.
Es scheint, daß es neben der Republik der Seychellen auf der Welt kein zweites Land gibt, das für sich selbst derart ausdrücklich mit besonderem Umweltschutz wirbt und in der Realität so unfaßbar dreist das absolute Gegenteil davon praktiziert.
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mr.minolta
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Re: Reise in die Vergangenheit

Beitrag von mr.minolta »

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Trotz bester Kontakte eines Mitreisenden, der Beziehungen zu wichtigen Familien der Inselprominenz unterhielt, gelang es uns damals nicht, eine Führung zur Marron zu bekommen. Zu schwierig, zu gefährlich, hieß es. Aber zwei weitere weiße Flecken auf der Landkarte des abenteuerlustigen La Digue-Urlaubers verblieben noch und machten neugierig: die Anse Caiman und die Anse Cocos. Erstere erreichten wir mit privatem Bootscharter und fühlten uns wie Entdecker, als wir den kleinen pittoresken Strand am Ende schwimmend erreichten. Daß sich nicht weit von hier der mit Abstand interessanteste Schnorchelspot der ganzen Insel befand, sei nun verraten. In der Annahme, daß sich wohl kaum die Massen auf den umständlichen Weg dorthin begeben werden, nur um meine Behauptung zu überprüfen und ohne zu wissen, wo genau sie ihn dort suchen müßten. Und wenn doch? Was soll's, die Zeit der Geheimniskrämerei ist wohl vorbei. (Wer gesteigertes Interesse daran haben sollte, genaue Beschreibung gerne per PN)

Wie die Caiman, so war auch die Cocos natürlich nicht völlig unerreichbar, man muß sich nur vorstellen, daß man bei ihrer Erwanderung damals keinerlei Hilfestellung bekam und alles recht geheimnisvoll verblieb. Reiseführer erwähnten sie lediglich, aber wie genau man dorthin gelangen konnte, wurde verschwiegen. Auch die Einheimischen konnten oder wollten es nicht beschreiben. Man muß sich bewußt machen, daß zu jener Zeit die größte Herausforderung bereits im Auffinden der Petite Anse bestand. Schilder, Pfeile oder entgegenkommende Wanderer gab es nicht und die "Wege" bis zur Cocos hatten mit den heutigen, denen ja nur noch der Asphalt fehlt, nichts gemein. Man mußte sie erraten, mit Versuch und Irrtum.

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Größtes Hindernis aber waren die überall angebundenen Ochsen, die den Weg versperrten. Die ließen Touristen nicht gern vorbei und machten einen Höllen-Rabatz. Es hätte mich unter den damaligen Umständen und in der so surreal wirkenden Umgebung auch nicht gewundert, wenn nun ein leibhaftiger Dinosaurier plötzlich aus dem Gebälk gesprungen wäre.


Die Ankunft am unteren Ende der Bucht! Erst einmal tief durchatmen... :

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Was für ein Gefühl, an ein solches Gemälde von einem Strand zu kommen und die ersten Fußabdrücke im Sand zu hinterlassen... Um die späte Mittagszeit! Heute leider unmöglich. Irgendwer war immer schon da, oder schlimmer noch, ist immer noch da.

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Der Felsenpool enthielt so viele Fische, daß man an ihnen ein Bestimmungsbuch für sämtliche Spezies des Indischen Ozeans hätte abarbeiten können. Wir verbrachten dann den Rest des Tages dort und als wir gingen, war noch immer kein anderer Mensch in Sicht.

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mr.minolta
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Re: Reise in die Vergangenheit

Beitrag von mr.minolta »

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Der Abstecher nach Praslin erfolgte mit dem Motorsegler, der hier gerade in La Passe einläuft. Man beachte die an sich so vertraute Umgebung! Aber irgendetwas ist anders: keine Busse und Menschenmassen auf der Jetty, keine Aufbauten oder Unterstände. Da läuft also ein wichtiges Fährboot ein, die einzige Verbindung zur Außenwelt, und es gibt kein Koffer- und Taschengebirge, das sich in Erwartung der anstehenden Massenbeförderung über die Anlegestelle wälzt. Auch keine anderen Boote oder Yachten. Im Hintergrund nur Wald. Kein Domaine-De-La-Schlag-Mich-Tot-Ungetüm im Berg und keine türkis leuchtende Autobahnraststätte:

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Curieuse war geheimnisvoll. Wir erreichten die Insel ebenfalls mit einem privaten Boot, denn Linienverkehr gab es nicht:

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Eintritt mußte man auch damals schon bezahlen, keine Frage. 50 Rupien, ok. Habe eben mal nachgesehen, heute wollen sie das Vierfache. Und wenn sie der Meinung sind, der fotografierende oder filmende Besucher täte dies in "professioneller Absicht", kommen gleich nochmal € 200,- dazu.

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Selbstredend waren wir einige Stunden lang die einzigen Menschen hier, abgesehen vom Inselwächter, der uns durch die Aufzuchtstation führte. Schildkröten auf der Wiese, im Wald und am Strand. In allen Größenordnungen.

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Das kurios-karibische Toilettenhäuschen steht wohl noch immer dort:

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Der Granit auf Curieuse war spektakulär, sehr schroff und angeschliffen, also äußerst verletzungsträchtig und insgesamt betrachtet ganz anders strukturiert als auf allen übrigen mir bis heute bekannten Seychellen-Inseln. Außerhalb des zentralen Bereichs gab es verordnete Beschränkungen der Bewegungsfreiheit, illustriert mit den aktuellen Schauergeschichten der jüngeren Vergangenheit: Touristen, die sich unbedarft auf den Weg zur "Umrundung" der Insel machten und deren Leichen nur teilweise und Monate später mit großem Aufwand geborgen werden konnten. Ähnliches spielte sich auch mehrfach auf der Großen Schwester ab, doch im Gegensatz zu diesem hochfrequentierten und eher lieblich wirkenden Ausflugsziel ließ die Topographie auf Curieuse ganz augenscheinlich auch nicht den geringsten Zweifel an der Bedeutsamkeit dieser Warnungen.
Es scheint, daß es neben der Republik der Seychellen auf der Welt kein zweites Land gibt, das für sich selbst derart ausdrücklich mit besonderem Umweltschutz wirbt und in der Realität so unfaßbar dreist das absolute Gegenteil davon praktiziert.
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mr.minolta
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Re: Reise in die Vergangenheit

Beitrag von mr.minolta »

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An drei Wochen La Digue sollte sich noch eine Woche Mahé anschließen. Warm geworden bin ich mit der Insel nicht und diese paar Tage waren für mich prägend. Bis heute habe ich sie nie wieder länger als unbedingt nötig besucht. Mahé war vergleichsweise riesig und schlecht erschlossen, einfach nur sehr beschwerlich zu bereisen. Die wenigen interessanten Orte lagen weit verstreut und Tagesausflüge waren trotz Mietwagen nur mit ausgesprochen viel Zeit und teilweise nervenaufreibend zu realisieren. Die Kombination aus mittelalterlichem Linksverkehr, fehlender Beschilderung, kaputten Straßen und aggressiver Fahrweise der Einheimischen paßte so gar nicht zum entspannten Seelenheil der übrigen Inseln und die ebenfalls miserable Versorgungslage, die ich auf La Digue eher charmant und abenteuerlich empfand, tat in den letzten Urlaubstagen nun ihr übriges. Nur Zigaretten, auf La Digue noch sozialistische Mangelware, gab es hier in Hülle und Fülle.


Eine der vielen Beinahe-Kollisionen im Verkehrsterror Mahés, festgehalten von der digitalen Videokamera:

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Victoria gefiel mir gut! Ein hübsches, schmutziges Städtchen in toller Lage vor den Bergen. Der Botanische Garten war klasse und menschenleer, mit Goldfischteich samt Schwänen und freilaufenden Schildkröten. Der Fischmarkt noch ohne totgeprügelte Haifischbabys und abgeschnittene Flossen, die Gassen so surreal wie in der Star Trek-Episode auf dem Wild-West-Planeten:

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Um den Big Ben keine Menschen und im Gegensatz zu den Landstraßen kaum Verkehr:

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Die Naturräume Mahés haben wir damals sicher nicht erschöpfend erkundet, aber was wir sahen, war nicht besonders aufregend. An allen mit dem Fahrzeug erreichbaren und vielgepriesenen Aussichtspunkten blickte man immer nur auf Ortschaften oder andere Formen der Bebauung und Zivilisation, zum Teil von unberührter Natur umrahmt, aber dennoch zersiedelt und oft vermüllt. Ein paar kleinere Wanderungen in den Bergen gestalteten sich ähnlich, aber ich gehe davon aus, daß diese mit mehr Vorbereitung und/oder geeigneter Führung ergiebiger hätten verlaufen können.

Für den Mahé-Fan vielleicht interessant: Mission Lodge noch mit Bäumen, hinter deren Brettwurzeln sich ein 1,90-Mann aufrecht stehend verstecken konnte. Hinten am Hang wurden wir von freundlichen Einheimischen aufgefordert und angeleitet, wilden Tee zu pflücken!

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Und die Strände? Kaum einer konnte denen auf La Digue das türkise Wasser reichen und die Grand Anse Mahés bleibt in meiner Erinnerung auf immer der häßlichste Strand, den ich auf den Seychellen je betreten habe. Nur zwei waren überhaupt bemerkenswert: die Takamaka und die Intendance. Erstere bot eine unvergleichlich schöne Stimmung in der Dämmerung und am Abend sowie völlige Einsamkeit, aber auch das deutlich schlechteste Essen, das ich jemals auf einer Fernreise ertragen und teuerst bezahlen mußte. Batista wurde jedoch schon damals für seine angeblich tolle Gastronomie gefeiert, deshalb habe ich bis heute berechtigte Zweifel daran, daß sich die tatsächliche Qualität des Essens verbessert haben könnte. Wirklich geändert hat sich aber zumindest die Strandlandschaft, die hat er nämlich vollgebaut...

Die Intendance war eine Offenbarung. Wirklich schön, sehr groß und menschenleer, dabei unkompliziert im Zugang. Keine Hotels, keine Liegestühle, keinerlei Beschränkungen. Und die gefühlt mächtigsten Wellen des Indischen Ozeans. Könnten die an der Source auflaufen, würden Wasser und Gischt wohl draußen vom Außenriff über die Touristenmassen hinweg bis in die L'Union spritzen und auf dem Rückweg einen Haufen Riesenschildkröten und Fruchtsaftbuden in's Meer spülen. Und Hochzeitsrei..... ääh, ... ja. I)


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Die Macheten-Gangster, die vor nicht allzu langer Zeit Touristen auf ihren Wanderungen bedrohten und ausraubten, darunter auch Forumsmitglieder, waren 2001 natürlich noch kein Thema. Wie auch immer, für mich persönlich ein Grund mehr, die Insel in den Reiseplanungen der letzten Jahre grundsätzlich außen vor gelassen zu haben.

Mahé im Jahre 2001. Wenige Glanzlichter und schlußendlich eine Enttäuschung. Daneben La Digue, die bilderbuchartige Sphäre, die tropische Fiktion, die Realität geworden war. Und wie traurig, daß sie das nicht bleiben durfte. Meine Standard-Empfehlung, möglichst viel Zeit auf dieser Insel zu verbringen und die beiden anderen eher unberücksichtigt zu lassen, ist obsolet geworden.


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knuffi
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Re: Reise in die Vergangenheit

Beitrag von knuffi »

Toller Bericht!! :bounce:
Seychellen 2008( Mahe, Praslin, La Digue), 2010(Praslin, La Digue), 2011(Praslin), 2015(Praslin, La Digue), 2017(Praslin), 2021(Praslin,Mahe), 2023 Praslin & Mahe, 2024 Mahe
Weitere besuchte Inseln: Curieuse,Cousin,Aride,Sisters,Coco,St. Pierre.
Curry Dog
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Re: Reise in die Vergangenheit

Beitrag von Curry Dog »

Na das ist ja mal ein Bericht der ganz anderen Art.
Klara
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Re: Reise in die Vergangenheit

Beitrag von Klara »

Danke, macht richtig wehmütig. Ich finde, das alte Victoria hatte was.
LG
Klara
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Karambesi
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Re: Reise in die Vergangenheit

Beitrag von Karambesi »

Vielen Dank für das mitnehmen, lieber Minolta .
Muss das eine tolle Zeit gewesen sein !
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St-John
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Re: Reise in die Vergangenheit

Beitrag von St-John »

....in 2017 mag Mahe - der Süden insbesondere - der letzte verbleibende "Geheimtip" der SEZ sein - ?

Bei meinem letzten Besuch 2011 empfand ich dies jedenfalls:

Source für die "ganze Welt"...
...Anse Bazarca aber nur für wahre Strand Enthusiasten.

:smokin:
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Suse
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Re: Reise in die Vergangenheit

Beitrag von Suse »

St-John hat geschrieben:....in 2017 mag Mahe - der Süden insbesondere - der letzte verbleibende "Geheimtip" der SEZ sein - ?

Bei meinem letzten Besuch 2011 empfand ich dies jedenfalls:

Source für die "ganze Welt"...
...Anse Bazarca aber nur für wahre Strand Enthusiasten.

:smokin:
Na dann: pssst! I) :wink:
Wenn du keine Kokosmilch hast, machste einfach normales Wasser.
- Grubi -

https://s12.directupload.net/images/210215/bx7vkcag.jpg
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Pico
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Re: Reise in die Vergangenheit

Beitrag von Pico »

Danke für diesen lebhaften Nostalgie-Trip!
Ich erkenne so Einiges wieder. Daran kann ich nur noch wehmütig zurückdenken.
So sind wir zum Beispiel von der Grande Anse bis zur Anse Caiman gelaufen - und sind keiner Menschenseele begegnet. Dafür Delfinen an der Anse Fourmis. Ganz nah am Ufer.
Solche Tage, wenn wir abends fix und fertig, zerkratzt und versifft zurückkamen waren die tollsten. Abenteuer Natur pur, Robinson-Feeling. DAS waren die Seychellen die ich so geliebt habe. Pfeif' auf den Service und das Essen...
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mr.minolta
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Re: Reise in die Vergangenheit

Beitrag von mr.minolta »

Karambesi hat geschrieben:Muss das eine tolle Zeit gewesen sein !
Das kannst Du wohl laut sagen! :D
Pico hat geschrieben: Dafür Delfinen an der Anse Fourmis. Ganz nah am Ufer.
Geil! :D
Es scheint, daß es neben der Republik der Seychellen auf der Welt kein zweites Land gibt, das für sich selbst derart ausdrücklich mit besonderem Umweltschutz wirbt und in der Realität so unfaßbar dreist das absolute Gegenteil davon praktiziert.
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mr.minolta
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Re: Reise in die Vergangenheit

Beitrag von mr.minolta »

Auf Google Maps sind aktualisierte Bilder von La Digue zu sehen,

auf denen sich neben der häßlichen Baustelle bei Jules auch eine riesige Rodung zwischen Grégoires Anwesen und dem südlichen Ende der Sévère bemerkbar macht, während La Passe mittlerweile die Strukturen einer dicht besiedelten Stadt mit schachbrettartigem Straßennetz angenommen hat, das es in derart konzentrierter Form nicht mal auf Praslin zu sehen gibt. Von der Kreuzung Witwenreservat bis zur Ostküste ist die Straße darüber hinaus schon zu zwei Dritteln durchgehend bis in den Regenwald bebaut und auch die letzten kleinen Café- und Saftbudenbesitzer zahlen jetzt an Google für ihr Fähnchen in diesem Teil der Karte...

Besonders auffällig sind die gigantischen Dimensionen des Restaurantkomplexes an der Grand Anse. Aus der Luft viel größer noch als auf den bisher gezeigten Fotos von Cherry und Torsten wirkt die Anlage, die wie ein blutrotes Krebsgeschwür samt Busparkplatz über die Mitte des Strandes metastasiert. Aus dieser Perspektive der wohl abartigste Schandfleck des ganzen Inselstaates. Das Ding hat die Größe eines Hotels :shock: . Nach Googles Maßstab ist das Gebäude mindestens 40 Meter lang und die gesamte, von diesem Ungetüm beanspruchte Fläche beträgt um die 2500 m². Platz genug für die Hundertschaften von Freß- und Sauftouristen, die das Fremdenverkehrsministerium für diesen Strand herbeisehnt. Dies als Nachtrag zum Thema Gastronomie an der Grand Anse (Seite 13).


Die Zerstörung der Insel schreitet unaufhaltsam voran.

"Wunderschön" is woanders... :wink:


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Es scheint, daß es neben der Republik der Seychellen auf der Welt kein zweites Land gibt, das für sich selbst derart ausdrücklich mit besonderem Umweltschutz wirbt und in der Realität so unfaßbar dreist das absolute Gegenteil davon praktiziert.
Cherry
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Re: Reise in die Vergangenheit

Beitrag von Cherry »

Du meinst das hier? Läßt nichts "Gutes" vermuten..


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