Literatur von den Inseln

wie z.B. TV, Literatur, Werbung, usw.
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Suse
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Re: Literatur von den Inseln

Beitrag von Suse »

Wie mir gerade auffällt, ist bis jetzt noch kein Buch dabei gewesen, das ins Deutsche übersetzt wurde. Aber jetzt habe ich eines:

Gefährten des Meeres von D.R. Sherman

https://www.amazon.de/Gef%C3%A4hrten-Me ... des+Meeres

Es handelt sich eigentlich um einen Jugendroman, veröffentlicht in den späten 60er Jahren. Das Buch muß seinerzeit auf den Seychellen unter Jugendlichen recht beliebt gewesen sein, es finden sich ein paar nette Rezensionen im Netz, auch von Seychellois, die das Buch als Jugendliche wohl sehr beeindruckt hat. Da fallen Vergleiche mit Hemingways Altem Mann und das Meer, was mich anfänglich innerlich mit den Augen rollen ließ, aber während ich las, legte sich das schnell. Das Buch ist tatsächlich ein Hemingway für Jugendliche, schlicht und schnörkellos in der Sprache, ohne Pathos, und dennoch in der Lage, den Leser an der emotionalen Berg- und Talfahrt eines Heranwachsenden teilhaben zu lassen, der vor eine wirklich schwere Entscheidung gestellt wird.

Ohne allzuviel zu spoilern: Der Junge Paul, Fischer wie sein Ziehvater, freundet sich bei seinen täglichen Ausfahrten aufs Meer mit einem Delphin an. Der hoch verschuldete Vater, der aufgrund seiner Mietschulden obdachlos zu werden droht, drängt den Jungen, den Delphin zu töten, um das Fleisch verkaufen und damit die Schulden begleichen zu können. Der Druck, den der Vater ausübt, ist jedoch nur eines seiner Probleme. Bei Verlust des Hauses droht ein Umzug von Mahé nach La Digue, so daß Paul von seiner Freundin getrennt würde. Doch den Delphin betrachtet er auch als seinen Freund.

Den Hintergrund der Handlung bildet das Leben armer Fischer auf Mahé, das in einfachen, klaren Sätzen ausführlich geschildert wird. Für nicht allzu junge Leser, die die Seychellen vielleicht selbst schon gesehen haben, dürfte das auch heutzutage noch eine fesselnde Geschichte sein. Auch wenn die sehr ärmlichen Verhältnisse vielleicht nicht mehr nachvollziehbar sind, sind es sicherlich doch die zeitlosen Empfindungen der jugendlichen Protagonisten. Für vorpubertäre Leser ist es allerdings vielleicht eher nichts, da die Beziehung der beiden Hauptfiguren schon auch ganz zaghaft körperlich ist.

Das Grundthema sind allerdings zwischenmenschliche Themen wie Verantwortung, Moral und Aufrichtigkeit.
Die Geschichte ist überdies sehr spannend und hat am Ende eine Auflösung, die mich überrascht hat und die ich nicht habe kommen sehen. Deshalb ist der Vergleich mit einem Hemingway für Jugendliche durchaus nicht übertrieben und macht das Buch auch für erwachsene Leser interessant.

Das Buch ist nur noch antiquarisch zu bekommen, aber auf verschiedenen Portalen für schmales Geld gebraucht zu haben.

D.R. Sherman war Engländer, gebürtig in Indien, der überwiegend Jugendromane verfaßt hat, die in von ihm bereisten exotischen Ländern spielten. Die Seychellen machte er schlußendlich zu seinem Wohnsitz, so daß einige Einheimische, die sein Buch lasen, ihn auch persönlich kannten. Ob die Einschätzung zutreffend ist, er habe mit diesem Buch dazu beigetragen, den Ruf der Seychellen als Ökotourismus-Reiseziel zu etablieren, vermag ich nicht zu beurteilen; ich halte das für ein bißchen weit hergeholt, denn bei der Frage, ob der Delphin zu töten sei oder nicht, spielt Naturschutz eher keine Rolle. Wen es interessiert, einen diesbezüglichen Artikel hänge ich mal an:

http://www.nation.sc/article.html?id=217432

Welche Bedeutung das Buch für die lesende Bevölkerung gehabt haben muß, spiegelt sich auch hier wider:

http://www.nation.sc/article.html?id=245131

Daß der Verfasser des Artikels diesen Roman zusammen mit Marianne North' Gemälden als eine Art Bildungskanon für Praslinois aufzählt, bringt mich allerdings auch auf den Gedanken, daß ich Marianne North hier vielleicht doch nochmal einen Beitrag widmen sollte, auch wenn keine Seychellenliteratur im eigentlichen Sinn ist.
Zuletzt geändert von Suse am 17 Jul 2017 15:26, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Literatur von den Inseln

Beitrag von Suse »

Marianne North

https://de.wikipedia.org/wiki/Marianne_North

Zu Marianne North, ihren Reisen und Gemälden gibt es eine ganze Reihe von Büchern.

Die Bildbände eignen sich eher für die an der Pflanzenwelt Interessierten, jedoch gibt es auch Biographien und Abdrucke der von ihr verfaßten Reisetagebücher, vor allem Recollections of a happy Life, Abundant Beauty und A Vision of Eden.

https://www.amazon.de/s/ref=nb_sb_noss_ ... anne+North

Marianne North' bevorzugte Seychelleninsel war witzigerweise North, nach ihr benannt ist die Insel aber nicht, dafür aber verschiedene endemische Pflanzen. Auf den Seychellen die Northia seychellana, das heißt mit Trivialnamen wohl Kapuzzinerbaum: http://www.arkive.org/northia/northia-h ... 28095.html

Die Seychellen kommen in den Reisebeschreibungen übrigens nicht allzugut weg, da Frau North sich von der einheimischen Bevölkerung nicht gut behandelt fühlte. Dennoch sind die Reisebeschreibungen aus einer Zeit, in der alleinreisende Frauen noch etwas ganz Gewagtes darstellten, spannend zu lesen, selbst wenn man sich für die Malerei an sich nicht interessiert.

Wer eher die Gemälde sehen möchte, sollte bei einem Aufenthalt in London den Botanischen Garten besuchen (Kew Gardens), dort befindet sich die von Marianne North selbst gestaltete und nach ihr benannte Galerie, der sie den größten Teil ihrer Werke gestiftet hat. Die dort ausgestellten Gemälde kann man über die Website als Drucke bestellen, darunter natürlich auch diverse auf den Seychellen entstandene.

http://www.kew.org/kew-gardens/attracti ... th-gallery
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Re: Literatur von den Inseln

Beitrag von Suse »

Der Knaller, nicht nur für Frenki, Karambesi und andere Bird-Süchtige. Kaum erschienen, umgehend gelesen und für unfaßbar gut befunden:

Orange Omelettes & Dusky Wanderers

von Chris Feare.

Bevor ich viele Worte über den Autoren mache, das ist Chris Feare:

https://wildbirdconservation.wordpress.com/about/

Also der Rußseeschwalbenmann von Bird. Und überhaupt. Manch ein Bird-Besucher mag ihn kennen oder ihm schon begegnet sein. Nach 40 Jahren Forschung und Naturschutz auf den Seychellen (und geringfügiger auch anderenorts) stellt dies Buch nun so etwas wie seine ornithologischen Memoiren dar. Der Schwerpunkt des Buches liegt auf der Erforschung der Rußseeschwalbenkolonien, vor allem auf Bird; jedoch ist das Buch keine für Laien aufbereitete wissenschaftliche Abhandlung, in der man sich durch Statistiken und Zahlenkolonnen kämpfen muß, sondern eine unterhaltsame Schilderung der Unbilden und Gefahren, denen sich ein Biologe in den 70er Jahren auf Bird, den Granitinseln und vor allem den teilweise völlig unerforschten Outer Islands stellen mußte. Mit den persönlichen Erlebnissen vermittelt er eine ungeheure Menge an Informationen über die Avifauna der Seychellen, ohne dabei zu dozieren.

Das Buch ist aber nicht nur eine Fülle an skurrilen Anekdoten, es enthält darüber hinaus eine Reihe seltener Fotos aus Birds Anfangszeiten als touristisch erschlossene Insel, hat aber durchaus auch ernste Untertöne. Er ergeht sich keineswegs nur in nostalgischen Erinnerungen, sondern widmet zwei Kapitel auch der Entwicklung der Seychellen in den letzten 50 Jahren und entwirft ein durchaus düsteres Zukunftsszenario, wenn man dort so weitermacht, wie bisher. Er stellt sich, kaum überraschend, exakt, teilweise wortwörtlich, die gleichen Fragen, wie wir, die wir die Entwicklung der Seychellen kritisch betrachten, sie uns teilweise hier im Forum gestellt haben.

Das Buch liegt bislang in keiner deutschen Übersetzung vor, der Schreibstil ist jedoch durchaus auch mit Schulenglischkenntnissen zu bewältigen, er rutscht selten in einen wissenschaftlichen Sprachduktus ab. Schwierigkeiten bereiteten mir vor allem die englischen Bezeichnungen der Vogelgattungen, die mußte ich natürlich nachschlagen, aber darauf könnte man ja zur Not noch verzichten, wenn es einem genügt, ungefähr zu wissen, um welche Art es geht.
Leider ist das Buch schlecht lektoriert. Problematisch wird es, wenn in einem Absatz ganze Worte fehlen. Als Nicht-Muttersprachler sucht man da ja zuerst den Fehler bei sich, wenn man einen Zusammenhang einfach nicht versteht, bis man dann irgendwann merkt, es liegt daran, daß hier ein ganzes Wort vergessen wurde. Darüber kann man aber hinwegsehen, wenn man weiß, daß das Buch, wie so viele andere Seychellen-Bücher, von Calusa Bay Publications veröffentlicht wurden. Calusa Bay ist ein kleiner Verlag und der Privatinitiative eines Engländers zu verdanken, der es sich zum Ziel gemacht hat, unbekannten Seychellenbuch-Autoren unter die Arme zu greifen, und dem ich auch die Hinweise auf einen Großteil der hier vorgestellten Bücher zu verdanken habe. Deswegen dies nur als Hinweis, falls jemand ratlos vor einer Stelle im Buch sitzt und sich der Sinn einfach nicht erschließen will: Möglicherweise liegt es am Buch. :wink:

Zu beziehen ist das Buch, man glaubt es kaum, mal nicht nur direkt auf den Seychellen, sondern hier:

http://www.nhbs.com/orange-omelettes-du ... erers-book

Dem NHBS (National History Book Service) kann aus meiner Sicht bedenkenlos vertraut werden, ich habe dort schon einige Bücher bestellt, klappt immer problemlos und schnell.

Das Buch ist eine absolute Bereicherung für alle an der Natur interessierten Seychellenreisenden. Man (zumindest ich) sieht viele Dinge mit anderen Augen und manche überhaupt erst, nachdem man es gelesen hat.
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Re: Literatur von den Inseln

Beitrag von Suse »

Frenki hat geschrieben:Danke für den Tipp Suse - mein Blutdruck überschlägt sich gerade! :D

Wie lang dauerte der Versand?

Witzig ist, dass ich selber gerade versuche einen Schmöker über Bird auf die Beine zu stellen. Sollte das Projekt jemals beendet werden, werden sich diverse Aussagen von Chris Feare darin wiederfinden. Obwohl meine Fibel eher ein Bilderbuch wird / werden soll ...

BG Frenki

War nach ungefähr 10 Tagen da. Die schicken Dir auch umgehend eine Sendungsverfolgungsnummer, wenn sie es losgeschickt haben.
Man muß aufpassen, NHBS macht süchtig. Da hab ich schon Geld gelassen... :roll: :wink:
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Re: Literatur von den Inseln

Beitrag von Suse »

Suse hat geschrieben:
Island Souls

Für alle, die kreolische Portraits mögen und obendrein ein Faible für Michael Adams haben, ist das natürlich der Knaller. Der Preis aber eben auch.

Island Souls hab ich nun mehrfach in der Hand gehalten, naja, eher in beiden Händen, aufgrund des Gewichts. Das und der Preis (1500 Rupees) haben mich dann schlußendlich doch davon abgehalten, das Buch zu kaufen, obwohl ich es schon sehr schön fand. Aber es war dann als Souvenir doch ein bißchen heftig.

Zu jedem Portrait findet sich ein kleiner Text über die abgebildete Person, oftmals voller Anekdoten über vergangene Seychellenzeiten, in denen sich einheimische Persönlichkeiten mit Expats im nicht mehr existierenden Pirates Arms trafen. Wäre es kleiner und handlicher und im Koffer sowie später im heimischen Haushalt besser unterzubringen, hätte ich es sofort gekauft.
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Re: Literatur von den Inseln

Beitrag von Suse »

http://wildlife-art.org/books.htm

Ich wußte gar nicht, daß Ron Gerlach auch ein begabter Maler und Zeichner war. Einige der Bücher sind im Antigone Bookshop (am Flughafen) und im Chanterelle Bookshop (gegenüber vom Hindutempel) zu bekommen.

An Island lost in Time bildet in Aquarellen von Ron Gerlach die endemische Fauna und Flora der Seychellen ab und gefiel mir so gut, daß ich es gekauft habe, auch wenn es vor allem Silhouette im Fokus hat. Durchaus auch ein schönes Geschenk für Kinder, die Texte sind auch eher erklärend gehalten. 475 Rupees.
Zuletzt geändert von Suse am 31 Okt 2017 10:07, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Literatur von den Inseln

Beitrag von Suse »

Frenki hat geschrieben: Witzig ist, dass ich selber gerade versuche einen Schmöker über Bird auf die Beine zu stellen. Sollte das Projekt jemals beendet werden, werden sich diverse Aussagen von Chris Feare darin wiederfinden. Obwohl meine Fibel eher ein Bilderbuch wird / werden soll ...
Falls Du dies nicht schon kennst, vielleicht noch als Anregung:

https://www.bobbooks.co.uk/bookshop/pho ... seychelles
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SeyShelley
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Re: Literatur von den Inseln

Beitrag von SeyShelley »

Gefährten des Meeres von D.R. Sherman
Die Geschichte ist überdies sehr spannend und hat am Ende eine Auflösung, die mich überrascht hat und die ich nicht habe kommen sehen.
Vielen Dank für den Tipp, Suse. Ich habe das Buch gelesen und es ist wirklich wundervoll. Dieser kleine beeindruckende Junge und die Geschichte um ihn herum. Das Ende des Buches hat allerdings mein Herz zerrissen... Ich hebe das Buch auf für meinen Sohn später, genau wie "Hill of Darkness".

LG SeyShelley
*Mein kleines eBook auf Amazon: Reisetagebuch: 2 Wochen La Digue (Seychellen) 2012 - unsere Reise mit unserem fast 2-jährigen Sohn* :)
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Suse
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Re: Literatur von den Inseln

Beitrag von Suse »

SeyShelley hat geschrieben: Ich habe das Buch gelesen und es ist wirklich wundervoll. Dieser kleine beeindruckende Junge und die Geschichte um ihn herum. Das Ende des Buches hat allerdings mein Herz zerrissen... Ich hebe das Buch auf für meinen Sohn später, genau wie "Hill of Darkness".

LG SeyShelley
Oh, ganz übersehen, daß Du was geschrieben hast. Ich fand das Buch auch richtig schön und hab vor allem nichts geahnt, was die Herkunft des Jungen angeht. Für den Fall, daß das Buch jemand noch lesen möchte, der hier mitliest, schreib ich jetzt mal nichts Genaueres. :wink:

D.R. Sherman hat ja noch mehrere Bücher geschrieben, die auf den Seychellen spielen, "Das fremde Boot" auf jeden Fall und dann gibt's noch einen Roman, der "Sünder" heißt, ich weiß aber nicht, ob das auch Jugendliteratur ist, ich habs nicht gelesen. Eigentlich wird er ja immer als Jugendbuchautor bezeichnet.

Wenn Du für Deinen Sohn etwas suchst, das er jetzt schon anschauen kann, würde ich Dir nochmal die Seite mit den Büchern von Gerlach empfehlen. Ich habe mir ja das Buch über Silhouette "An Island lost in Time" gekauft, das ist nur so eine kleine softcover-Fibel, so ein Rechteckformat, vielleicht dreimal so groß wie ein Pixie-Buch. Die Zeichnungen und Erläuterungen zu Pflanzen und Tieren auf den Seychellen (die Bilder sind ja allgemeingültig, man muß Silhouette dazu nicht kennen) sind alle von Ron Gerlach. Das Buch ist total schön und wäre auch kindgerecht. Gerlach hat aber offenbar auch kleine Hefte gemacht, die sich direkt an Kinder richten, ich hab die Seite weiter oben irgendwo verlinkt.
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Re: Literatur von den Inseln

Beitrag von Suse »

Alec Waugh, Where the Clocks chime twice

https://www.amazon.de/s/ref=nb_sb_noss? ... hime+twice

Der Titel bezieht sich übrigens auf die in vielen tropischen Ländern gebräuchliche Gepflogenheit früherer Zeiten, die Kirchturmuhren zweimal läuten zu lassen, zeitversetzt um wenige Minuten. Hier wird es damit erklärt, der Einheimische in den Tropen benötige aufgrund der lähmenden schwülen Hitze mehr Zeit, um zu reagieren, in anderen Büchern las ich aber auch mehrfach die Erklärung, der Aberglaube sei schuld, man wolle damit den Teufel verwirren. :wink:

Alec Waugh ist der ältere Bruder des für sein "Wiedersehen mit Brideshead" berühmt gewordenen Evelyn Waugh. Beide waren Romanautoren, besonders aber Verfasser von Reisebeschreibungen. Anfang der 50er Jahre besuchte Alec Waugh die Seychellen im Rahmen einer fast-Weltreise, die auch die Karibik, Indien, Ceylon und den Irak umfaßte. Ungefähr die Hälfte des Buches ist dem mehrere Monate andauernden Aufenthalt auf Mahé und Praslin gewidmet.

Die Seychellen zur englischen Kolonialzeit waren eine vollkommen vom Rest der Welt abgeschottete Gemeinschaft für sich, nur unter größtem Aufwand zu erreichen und bislang nur durch einen in den frühen 30er Jahren geschriebenen Reiseführer überhaupt der Allgemeinheit bekannt gemacht. Dort sammelten sich vor allem ehemalige Angehörige des britischen "Raj", Militärs und Verwaltungsangestellte aus dem britisch regierten Indien, die nach ihrer Pensionierung weder dort noch in England leben konnten oder wollten und sich aus den verschiedensten Gründen auf die weit entfernten Seychellen zurückgezogen hatten. Alec Waughs Beschreibungen widmen sich vor allem diesem Personenkreis, so liest man von kleineren und größeren politischen Anekdoten und erfährt die Lebensgeschichten der größtenteils liebenswert-verschrobenen Figuren, die die Inseln damals bevölkerten und deren Leben sich mit denen der bereits auf dem Weg in die Unabhängigkeit befindlichen und immer selbstbewußter werdenden Seychellois vermischen.

Alec Waugh muß man dabei aber keinesfalls irgendwelcher arroganter Kolonialherrengeschichten oder überhaupt imperialistischer Gedanken verdächtigen, seine Betrachtungen, was die Entwicklung der Seychellen und ihre Zukunft angeht (die er recht treffend voraussagt), sind sachlich und in den Beschreibungen begegnet er den Locals sehr wohl auf Augenhöhe. Wer sich das für einen Roman dieser Zeit nicht vorstellen kann, muß wissen, daß Alec Waugh seiner Zeit immer ein bißchen voraus war. Berühmtheit erlangte er in seiner Jugend, ich glaube, er war erst 17 oder so, mit einem fast-autobiographischen Roman (The Loom of Youth) über seine Internatszeit, in dem er offen über Homosexualität schrieb. Das Buch löste in England einen Skandal aus, der ihm lebenslang nachhing, auch während der Reise auf die Seychellen wurden ihm wegen dieses Buches Vorbehalte entgegengebracht (man reiste damals ja oft noch mit Empfehlungsschreiben), obwohl zu seinem Glück dort manche nicht so genau wußten, ob er nun Alec oder Evelyn ist. :wink: Alec Waughs wohl bekanntestes Buch ist der Roman Island in the Sun, später mit Harry Belafonte in der Hauptrolle verfilmt und vor allem durch das dazugehörige Lied berühmt geworden. Wer den Film (oder das Buch) nicht kennt: Dort geht es um einen schwarzen politischen Aktivisten, der eine Liebesbeziehung mit einer Weißen eingeht. Und diese Konstellation darf man für diese Zeit wohl als eher mutig und ungewöhlich bezeichnen, während die Verbindung eines weißen Mannes mit einer dunkelhäutigen Frau ja noch weit eher als "legitim" betrachtet wurde. :wink:


Wer sich den Film mal anschauen möchte, es gibt ihn in voller Länge auf youtube:

https://www.youtube.com/watch?v=eYPD1twzYmM


Alec Waugh verläßt gemeinsam mit dem aus dem Dienst scheidenden Selwyn Selwyn-Clarke, damals Gouverneur der Seychellen, das Land und schildert die letzten Stunden auf der "Kampala", dem damals einzigen Schiff der British-India-Linie, das die Seychellen überhaupt anlief, was für Victoria ein gesellschaftliches Großereignis bedeutete. Dieses letzte Kapitel hat vor allem melancholische Untertöne, ansonsten ist das Buch eher geradlinig, blumige Naturbeschreibungen findet man wenige. Der Stil ist von trockenem Humor und genauer Beobachtungsgabe seiner Umgebung gekennzeichnet, vor allem aber durch Interesse und vermutlich sehr gute Zuhörereigenschaften des Autoren während des Zusammenseins mit seinen Gastgebern. Es ist zu vermuten, und wird auch angedeutet, daß aufgrund der Tatsache, daß die Progatonisten ja alle noch am Leben waren, sehr viel mehr weggelassen als aufgeschrieben wurde. I)

Das Buch hat für mich nicht nur die Lücke zwischen den "historischen" Seychellen des 19. Jahrhunderts und den nachfolgenden Gegenwartsromanen geschlossen, es war auch eine tolle Überraschung, es entdeckt zu haben, da ich Alec Waugh halt sehr mag, von diesem "Seychellenbericht" aber bislang noch nichts gewußt hatte. Wer es lesen möchte, eine deutsche Übersetzung gibt es nicht, es ist aber auch mit Schulenglischkenntnissen lesbar, wenn man zum einen bereit ist, ein Wörterbuch zu benutzen oder ggfs. mal auf das Verstehen jedes einzelnen Wortes zu verzichten. Man muß sich auch bewußt machen, daß manche Worte damals noch in einem anderen Sinne gebraucht wurden und Sprache etwas formeller war als heute, auch Englisch. Dann ist es eine tolle Beschreibung der Inseln zu einer Zeit, in der sich dort wirklich noch Tenrek und Flughund Gute Nacht sagten.
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Re: Literatur von den Inseln

Beitrag von Suse »

Der jüngste Buchautor weltweit stammt übrigens von den Seychellen:

http://www.nation.sc/article.html?id=255547

Ich gestehe, daß ich es nicht gelesen habe. Ich esse leider auch gern Junk Food und mag keine Äpfel. :lol: Aber trotzdem ganz süß irgendwie. Inhaltlich hat es jetzt vielleicht nicht sooo viel mit den Seychellen direkt zu tun, aber immerhin, so als Guinness-Rekordhalter...
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Re: Literatur von den Inseln

Beitrag von Klara »

hallöchen,
das macht doch Hoffnung und ist wirklich schön. Er kommt aber wohl aus Sri Lanka, den Jungs traue ich (ganz schubladenmäßig gedacht) auch mehr zu :mrgreen: als den Seychellois.
LG
Klara
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Re: Literatur von den Inseln

Beitrag von Suse »

Klara hat geschrieben:hallöchen,
das macht doch Hoffnung und ist wirklich schön. Er kommt aber wohl aus Sri Lanka, den Jungs traue ich (ganz schubladenmäßig gedacht) auch mehr zu :mrgreen: als den Seychellois.
LG
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Ich hab auch schon Ceylonesen näher gekannt, und die waren ziemlich auf Zack. :wink:

Das Buch ist ja wohl auch zuerst in Sri Lanka erschienen, aber da der Junge ja auf Mahé lebt und das Buch ja wohl auch dort enstanden ist, ging das jetzt für mich so durch.

Was den Autorennachwuchs auf den Seychellen anbetrifft, bin ich übrigens recht optimistisch. Eine "echte" Seychelloise hat dieses Jahr mit 14 auf Jamaika einen Nachwuchspreis für eine Kurzgeschichte gewonnen, ich hab aber noch nicht raus, wo man die zu lesen bekommt. Bis jetzt kenne ich nur Auszüge, es geht um ein Umweltschutzthema. Das Mädel, Jade du Preez, scheint so eine Art Wunderkind zu sein, die jede Menge Sprachen spricht und klassische Musik auf verschiedenen Instrumenten spielt und in der Schule nur Einsen schreibt. Bei sowas bin ich ja immer mißtrauisch, wie altklug das dann daherkommt, aber vielleicht täuscht man sich ja.

Eine der Teilnehmerinnen der diesjährigen Miss Seychelles-Wahl, Seychelle Worth, ist eine ehemalige Heroinabhängige, die ihre Erfahrungen in einem Buch verarbeitet, das schon einen Titel hat (Beyond the Beach), aber noch nicht erschienen ist.

https://fightaddictionnow.org/blog/seyc ... ess-story/

Falls das alles irgendwann der Allgemeinheit zugänglich wird, werde ich das auf jeden Fall lesen. Unterstützenswert ist das in jedem Fall.
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Re: Literatur von den Inseln

Beitrag von Klara »

naja, altklug kommt die Miss-Wahlteilnehmerin wenigsten nicht rüber :mrgreen:
Aber Jade du Preez scheint ja wirklich ein Ausnahmetalent zu sein, da darf man dann doch ruhig altklug rüberkommen. Toll, was Du so ausgräbst.
Danke + LG
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Re: Literatur von den Inseln

Beitrag von Suse »

Lust auf eine kurze Mittagspausenlesereise nach La Digue? Die Schilderung der Insel klingt für mich ein bißchen wie einer Althippie-Phantasie aus den frühen 70ern entsprungen, aber so zur Unterhaltung zwischendurch ganz witzig:

http://www.niklaus-schmid.de/la_digue.html
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