Zwischen Trotteln und Tölpeln - Helgoland 2020
Verfasst: 26 Sep 2020 18:02
Eigentlich wollten wir ja nach Tonga, aber daß das nichts werden würde, war schon früh klar, denn unser Zielland schloß schon im März konsequent und dauerhaft die Grenzen für alle Ausländer und der Sommerurlaub schien komplett ins Wasser zu fallen.
Eine langsame Wiederöffnung der einzelnen Bundesländer Mitte Mai ließ uns dann Hoffnung schöpfen, vielleicht wäre ja trotzdem ein kleinerer Tapetenwechsel innerhalb Deutschlands drin. Aber wohin? In den Harz, mal an die Mosel, Bayern, ein paar Schlösser anschauen? So richtig in Schwung kamen wir bei der Reiseplanung nicht, bis die zündende Idee kam – warum nicht mal wieder nach Helgoland?
Der Gedanke kam uns gerade noch rechtzeitig, denn von der geplanten Wiederöffnung für den Übernachtungs- und später auch Tagestourismus schienen schon viele vor uns gewußt zu haben. In dem Hotel, das wir auch bei unseren früheren Aufenthalten bewohnt hatten und auch diesmal gern wieder gehabt hätten, ergatterten wir gerade noch das letzte freie Zimmer, und für die Fähre, die, wie wir gehört hatten, coronabedingt nur eine stark begrenzte Anzahl Personen befördern durfte, gab es an den Wunschterminen noch Tickets.
Die Sache war also in trockenen Tüchern und Vorfreude machte sich breit, besonders als wir realisierten, daß wir mit Mitte Juni genau zum Lummensprung auf Helgoland sein würden. Vermutlich auch einer der Gründe, weshalb die Insel so gut gebucht war, denn die Zeit, in der die Küken der Trottellummen aus den Felsen springen, ist absolute Hochsaison auf Helgoland.
Die Begeisterung für die Insel ist nicht für jeden nachvollziehbar. Von mitfühlenden Bemerkungen, daß wir uns den Urlaub doch sicher anders vorgestellt hätten (was natürlich stimmte) bis zu ironischen Sprüchen, ob wir Alkoholnachschub bräuchten, war alles dabei. Für viele ist Helgoland eben nur der Fuselfelsen, eine steuerbefreite Einkaufszone, in der man, wenn man die richtigen Sachen kauft, auch mal richtig was sparen kann. Daß die Insel mit einer geradezu atemberaubenden Schönheit aufwartet und eine Fauna beherbergt, der man hier so nah kommt, wie sonst kaum irgendwo – woher soll man das wissen, wenn man nur das Unterland auf Shoppingtour abläuft. Dabei bezeugt schon der Name Helgoland, daß das hier etwas Besonderes ist.
Man stelle sich einmal vor, man wäre ein urzeitlicher Jäger und Sammler. Es ist Eiszeit und man wandert über die Grassteppe, die damals den heutigen Nordseegrund bildete. Da ist nichts um einen herum, nach rechts links, vorne, hinten, überall Gras, endloser Horizont, das größte, was man zu sehen bekommt, ist ein Mammut.
Und mitten aus dieser Ebene ragt unvermittelt ein roter Monolith, gut 100 Meter hoch, weit und breit nichts, das diesem Anblick gleicht. Was denkt man dann als Mammutjäger, der nichts weiß von geologischen Ursprüngen? Natürlich glaubten sie an höhere Mächte, daran, den Sitz der Götter gefunden zu haben. Sie begruben Jahrtausende lang ihre Häuptlinge am Fuß des Felsens und gaben ihm den Namen Hillig Lunn, Heiliges Land, Helgoland. Die archäologischen Funde waren dann später so zahlreich, daß manch ein Historiker vermutete, Helgoland könne Atlantis sein. Die Helgoländer selbst nennen die Insel übrigens ganz pragmatisch „hohes Land“, Halunder.
Ursprünglich waren die Helgoländer Friesen, dann Dänen, dann Engländer. Sie lebten vom Fischfang, der Bergung in Seenot geratener Schiffe und der Unterhaltung einer Feuerblüse, dem Vorläufer des Leuchtturms. 1890 wurde Helgoland im Tausch gegen Sansibar deutsch. Damals war es bereits ein Seebad und recht mondän. Die Ehefrau des letzten britischen Gouverneurs, Fanny Barkly, hat sich hier auch sehr viel wohler gefühlt als an ihren vorherigen Einsatzorten, den Seychellen und den Falklandinseln, was man deshalb so genau weiß, da sie ihre Erinnerungen aufgeschrieben hat. Das Buch „From the Tropics to the North Sea“ ist ein unterhaltsamer, authentischer Einblick in koloniale Zeiten. Es kostet auch nichts, in der Indian Ocean Library ist ein gut lesbares Exemplar hinterlegt:
Wen es interessiert, Link hier: http://sites.dlib.nyu.edu/viewer/books/ ... ok000005/2
Ebenso wie das Seebad ist die Freihandelszone ein Erbe aus britischer Zeit, und ebenso wie Butterfahrten war für jeden norddeutschen Schnäppchenjäger ein gelegentlicher Besuch auf Helgoland Pflicht, das war auch in unserer Familie nicht anders. Man fuhr mit den großen Seebäderschiffen, der Alten Liebe oder der Wappen von Hamburg.
Heute gibt es verschiedenste Möglichkeiten die Insel zu erreichen, neben den zahlreichen Fährschiffen aus Niedersachsen und Schleswig Holstein gibt es inzwischen zwei Katamarane, die die Insel mit dem Festland in wesentlich kürzerer Zeit, dafür aber für einen deutlich höheren Ticketpreis verbinden. Zur Unterstützung des neuen Halunder Jet ist kürzlich die San Gwánn angeschafft worden. Es wäre sogar möglich, daß die San Gwánn hier dem einen oder anderen bekannt vorkommt. Der Hochgeschwindigkeits-Katamaran ist zuvor die Strecke Miami –Grand Bahama gefahren.
Von den Katamaranen aus war Ausbooten mit dem Börteboot noch nie üblich, da diese immer schon direkt an der Kaimauer anlegten. Aber auch von den üblichen Fährschiffen findet das Ausbooten heute nicht mehr statt, worüber viele froh sein dürften, denn bei rauher See war das nicht immer spassig, von zwei Muskelmännern von einem schaukelnden Boot ins andere gehievt zu werden, sondern sorgte schon lange vor der Ankunft auf den Fähren für Unruhe und besorgte Gesichter, vor allem bei älteren Personen. Die Helgoländer haben lange an dieser Tradition und den damit verbundenen Arbeitsplätzen festgehalten. Ob das Ausbooten, das pandemiebedingt eingestellt wurde, jemals wieder praktiziert werden wird ist wohl eher fraglich, der Ankerplatz ist inzwischen so weit ausgebaut, daß alle Fährschiffe problemlos gleichzeitig hier anlegen können.
Wer die Überfahrt mit dem Schiff scheut oder schnell seekrank wird, muß trotzdem nicht auf Helgoland verzichten, denn auf der vorgelagerten Düne befindet sich ein kleiner Flughafen, der täglich von zahlreichen Kleinflugzeugen angesteuert wird. Es gibt Linienverbindungen des Ost-Friesischen-Flugdienstes, aber es besteht auch die Möglichkeit, über Portale wie wingly an Privatchartermaschinen zu kommen, deren Piloten ihre jährlichen Flugstunden zusammensammeln müssen.
Eine langsame Wiederöffnung der einzelnen Bundesländer Mitte Mai ließ uns dann Hoffnung schöpfen, vielleicht wäre ja trotzdem ein kleinerer Tapetenwechsel innerhalb Deutschlands drin. Aber wohin? In den Harz, mal an die Mosel, Bayern, ein paar Schlösser anschauen? So richtig in Schwung kamen wir bei der Reiseplanung nicht, bis die zündende Idee kam – warum nicht mal wieder nach Helgoland?
Der Gedanke kam uns gerade noch rechtzeitig, denn von der geplanten Wiederöffnung für den Übernachtungs- und später auch Tagestourismus schienen schon viele vor uns gewußt zu haben. In dem Hotel, das wir auch bei unseren früheren Aufenthalten bewohnt hatten und auch diesmal gern wieder gehabt hätten, ergatterten wir gerade noch das letzte freie Zimmer, und für die Fähre, die, wie wir gehört hatten, coronabedingt nur eine stark begrenzte Anzahl Personen befördern durfte, gab es an den Wunschterminen noch Tickets.
Die Sache war also in trockenen Tüchern und Vorfreude machte sich breit, besonders als wir realisierten, daß wir mit Mitte Juni genau zum Lummensprung auf Helgoland sein würden. Vermutlich auch einer der Gründe, weshalb die Insel so gut gebucht war, denn die Zeit, in der die Küken der Trottellummen aus den Felsen springen, ist absolute Hochsaison auf Helgoland.
Die Begeisterung für die Insel ist nicht für jeden nachvollziehbar. Von mitfühlenden Bemerkungen, daß wir uns den Urlaub doch sicher anders vorgestellt hätten (was natürlich stimmte) bis zu ironischen Sprüchen, ob wir Alkoholnachschub bräuchten, war alles dabei. Für viele ist Helgoland eben nur der Fuselfelsen, eine steuerbefreite Einkaufszone, in der man, wenn man die richtigen Sachen kauft, auch mal richtig was sparen kann. Daß die Insel mit einer geradezu atemberaubenden Schönheit aufwartet und eine Fauna beherbergt, der man hier so nah kommt, wie sonst kaum irgendwo – woher soll man das wissen, wenn man nur das Unterland auf Shoppingtour abläuft. Dabei bezeugt schon der Name Helgoland, daß das hier etwas Besonderes ist.
Man stelle sich einmal vor, man wäre ein urzeitlicher Jäger und Sammler. Es ist Eiszeit und man wandert über die Grassteppe, die damals den heutigen Nordseegrund bildete. Da ist nichts um einen herum, nach rechts links, vorne, hinten, überall Gras, endloser Horizont, das größte, was man zu sehen bekommt, ist ein Mammut.
Und mitten aus dieser Ebene ragt unvermittelt ein roter Monolith, gut 100 Meter hoch, weit und breit nichts, das diesem Anblick gleicht. Was denkt man dann als Mammutjäger, der nichts weiß von geologischen Ursprüngen? Natürlich glaubten sie an höhere Mächte, daran, den Sitz der Götter gefunden zu haben. Sie begruben Jahrtausende lang ihre Häuptlinge am Fuß des Felsens und gaben ihm den Namen Hillig Lunn, Heiliges Land, Helgoland. Die archäologischen Funde waren dann später so zahlreich, daß manch ein Historiker vermutete, Helgoland könne Atlantis sein. Die Helgoländer selbst nennen die Insel übrigens ganz pragmatisch „hohes Land“, Halunder.
Ursprünglich waren die Helgoländer Friesen, dann Dänen, dann Engländer. Sie lebten vom Fischfang, der Bergung in Seenot geratener Schiffe und der Unterhaltung einer Feuerblüse, dem Vorläufer des Leuchtturms. 1890 wurde Helgoland im Tausch gegen Sansibar deutsch. Damals war es bereits ein Seebad und recht mondän. Die Ehefrau des letzten britischen Gouverneurs, Fanny Barkly, hat sich hier auch sehr viel wohler gefühlt als an ihren vorherigen Einsatzorten, den Seychellen und den Falklandinseln, was man deshalb so genau weiß, da sie ihre Erinnerungen aufgeschrieben hat. Das Buch „From the Tropics to the North Sea“ ist ein unterhaltsamer, authentischer Einblick in koloniale Zeiten. Es kostet auch nichts, in der Indian Ocean Library ist ein gut lesbares Exemplar hinterlegt:
Wen es interessiert, Link hier: http://sites.dlib.nyu.edu/viewer/books/ ... ok000005/2
Ebenso wie das Seebad ist die Freihandelszone ein Erbe aus britischer Zeit, und ebenso wie Butterfahrten war für jeden norddeutschen Schnäppchenjäger ein gelegentlicher Besuch auf Helgoland Pflicht, das war auch in unserer Familie nicht anders. Man fuhr mit den großen Seebäderschiffen, der Alten Liebe oder der Wappen von Hamburg.
Heute gibt es verschiedenste Möglichkeiten die Insel zu erreichen, neben den zahlreichen Fährschiffen aus Niedersachsen und Schleswig Holstein gibt es inzwischen zwei Katamarane, die die Insel mit dem Festland in wesentlich kürzerer Zeit, dafür aber für einen deutlich höheren Ticketpreis verbinden. Zur Unterstützung des neuen Halunder Jet ist kürzlich die San Gwánn angeschafft worden. Es wäre sogar möglich, daß die San Gwánn hier dem einen oder anderen bekannt vorkommt. Der Hochgeschwindigkeits-Katamaran ist zuvor die Strecke Miami –Grand Bahama gefahren.
Von den Katamaranen aus war Ausbooten mit dem Börteboot noch nie üblich, da diese immer schon direkt an der Kaimauer anlegten. Aber auch von den üblichen Fährschiffen findet das Ausbooten heute nicht mehr statt, worüber viele froh sein dürften, denn bei rauher See war das nicht immer spassig, von zwei Muskelmännern von einem schaukelnden Boot ins andere gehievt zu werden, sondern sorgte schon lange vor der Ankunft auf den Fähren für Unruhe und besorgte Gesichter, vor allem bei älteren Personen. Die Helgoländer haben lange an dieser Tradition und den damit verbundenen Arbeitsplätzen festgehalten. Ob das Ausbooten, das pandemiebedingt eingestellt wurde, jemals wieder praktiziert werden wird ist wohl eher fraglich, der Ankerplatz ist inzwischen so weit ausgebaut, daß alle Fährschiffe problemlos gleichzeitig hier anlegen können.
Wer die Überfahrt mit dem Schiff scheut oder schnell seekrank wird, muß trotzdem nicht auf Helgoland verzichten, denn auf der vorgelagerten Düne befindet sich ein kleiner Flughafen, der täglich von zahlreichen Kleinflugzeugen angesteuert wird. Es gibt Linienverbindungen des Ost-Friesischen-Flugdienstes, aber es besteht auch die Möglichkeit, über Portale wie wingly an Privatchartermaschinen zu kommen, deren Piloten ihre jährlichen Flugstunden zusammensammeln müssen.